15.01

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Auf Blockchain basierte Innovationen haben das Poten­zial, die Welt zu verändern. Es gäbe die Möglichkeit, ein Internet ohne Zensur durch autoritäre Regime und Diktaturen zu schaffen, durch nicht zensierbare Webseiten und Browser. Nutzer würden für ihre Interaktion bezahlt werden, anstatt selbst das Produkt zu sein. Das würde die Demokratisierung des Finanzwesens und kurzum mehr Freiheit für alle Beteiligten bedeuten. Das ist das, was möglich wäre. Was sicher ist, ist aber Folgendes: Nach Österreich kommt das wahrscheinlich 20 Jahre später, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Der Umgang mit Blockchaintechnologie und Kryptowährungen ist meiner Meinung nach symptomatisch für das Freilichtmuseum Österreich. Es gibt einige sehr engagier­te Early Adopter, aber wenn man so schaut, wie die Entscheidungsträger – Unterneh­mer, große Unternehmen, deren Geschäftsmodelle vielleicht gefährdet wären, Beam­te – im politischen Mikrokosmos reagieren, dann sieht man, es gibt zwei Möglichkeiten. Die einen sagen: Ach, wird schon nicht so bahnbrechend sein, warum sollen wir etwas tun? Die anderen sagen: Herrje, da könnte ja jeder kommen, wir müssen uns möglichst schnell davon abschirmen!

Das wiederum führt zu zwei Problemen. Erstens einmal läuft man Gefahr, eine Chance zu verpassen. Zweitens – weil die Welt eben vernetzt bleibt und jeden Tag ein Stück tiefer und tiefer vernetzt wird und wir nicht Nordkorea sind, weil wir das auch nicht wol­len –, werden wir nicht darum herumkommen, zu akzeptieren, dass die Menschen das ausprobieren. Sie werden Kryptowährungen kaufen, Unternehmen werden probieren, ICOs zu machen. Da kommen wir nicht darum herum. Diese UnternehmerInnen und InvestorInnen, die daran glauben, gehen ein großes Risiko damit ein. Das ist aus Kon­sumentenschutzsicht natürlich auch eine große Herausforderung. Das heißt, wenn man nichts tut, obwohl sich die Erde weiterdreht, ist das eigentlich eine Lose-lose-Si­tuation.

Kommen wir zur Anfragebeantwortung, nämlich dazu, was denn die Regierung macht: Die Lösung des Problems der Rechtsunsicherheit in diesem Bereich hat für uns NEOS Priorität, weshalb wir zwei weitreichende Anfragen dazu gestellt haben. Die Anfragebe­antwortung des Finanzministeriums war die aufschlussreichste. Wir wollen in jedem Fall vermeiden, dass in diesem Bereich – auch aus gewohnter österreichischer Tra­dition heraus – überreguliert wird. Das würde natürlich zu einem regulatory shopping führen, weil es gerade in diesem Bereich relativ einfach ist, ins nächste Land zu wech­seln, wenn dort die Regulierung noch geringer ist. Was es aber braucht, ist eine Klar­stellung, basierend auch auf der derzeit gültigen Rechtslage. Es kann nicht sein, dass man zu fünf unterschiedlichen Anwälten geht und fünf unterschiedliche Antworten be­kommt oder dass ein Steuerberater auch einmal neun Monate darauf wartet, vom zu­ständigen Finanzamt ans Finanzministerium weitergeleitet zu werden, um dort dann ei­ne Antwort zu bekommen, wenn es um konkrete Anwendungsfälle geht.

Zur Erinnerung: Die erste Anfrage von NEOS zum Thema Cryptocurrencies wurde 2014 gestellt, das ist also schon ein Zeiterl her. Damals wurde klar, das Ministerium be­schäftigt sich relativ wenig damit. Mittlerweile gibt es den Fintech-Beirat, was wir sehr, sehr positiv finden. Letztendlich wird es aber darum gehen, was wirklich konkret he­rauskommt.

Ich komme jetzt noch einmal auf die Anfragebeantwortung zurück, ich möchte da ein paar Dinge hervorheben. Auf die Frage, ob man beabsichtigt, regulatorische Klarheit zu schaffen, wurde geantwortet: „Nach geltender Rechtslage sind Kryptowährungen nicht als Finanzinstrumente einzustufen. Daher ist die Frage, welches Ressort sich der Frage nach der regulatorischen Klarheit zu widmen hat, noch nicht geklärt.“ – Das ist enttäuschend, würde ich sagen.

Ein praktischer Fall, der sehr viele private KleininvestorInnen betrifft, ist, zuerst Bitcoin oder Ethereum zu kaufen, um danach einen alternativen Coin zu kaufen. Gemäß der Logik der Spekulationsfrist von einem Jahr bei An- und Verkauf müsste das Ganze dann natürlich auch unter die Einkommensteuer fallen. Das ist nicht besonders prak­tikabel – man kann es aber so machen, wenn man will. Deshalb haben wir ganz be­wusst die Frage gestellt, ob das Ministerium plant, mit Plattformen zusammenzuarbei­ten, zum Beispiel um so etwas zu überprüfen oder um überhaupt zu zeigen, wie man das überprüft, oder auch um jenen, die investieren, zu zeigen, dass das Gesetz schon gilt und dass wir auch hinschauen können. Da wurde gesagt: Nein, mit Plattformen wird nicht kooperiert, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. „Plattformen werden wie jedes andere Unternehmen steuerlich erfasst und [...] geprüft.“ – Aber da geht es na­türlich auch um Plattformen, die nicht in Österreich angesiedelt sind.

Auf die Frage, welche Verkehrswerte angenommen werden, um die Einkommensteuer zu berechnen, gibt das Ministerium in einem kleinen Nebensatz einen Einblick in die Anzahl der Fälle, die wohl schon bearbeitet wurden. Dort steht: „Eine praxistaugliche Lösung in diesem Bereich soll nach Vorliegen von praktischen Erfahrungen erarbeitet werden.“ – Aha, gut.

Diverse Coins werden im Moment in der öffentlichen Debatte gerne mit Bitcoin in einen Topf geworfen, ganz besonders auch, was den massiven Energieverbrauch betrifft, der beim Mining leider entsteht. Das kommt daher, dass Bitcoin mit einem Proof-of-Work-Algorithmus arbeitet. Es ist aber mittlerweile auch schon der Proof-of-Stake-Algorith­mus entwickelt worden, der sehr viel energieschonender ist.

Deshalb haben wir gefragt, wie denn damit umgegangen wird. Die Antwort war: „Diese Fragen können nicht abstrakt beantwortet werden. Die ertragsteuerliche Behandlung richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung der ‚Systeme‘ sowie nach dem betroffe­nen Steuersubjekt.“ – Das ist nicht besonders konkret und klingt eher so, als würde man der Frage ausweichen.

Was heißt das Ganze jetzt beziehungsweise was bedeutet das auch für die Block­chaincommunity in Österreich? – Ich möchte nicht sagen, dass man hier mit wahnsin­nig erschreckender Untätigkeit vonseiten des Ministeriums konfrontiert ist, aber es ent­steht doch ein wenig der Eindruck. Wie gesagt, den Fintech-Beirat halte ich für einen ganz wichtigen Schritt, aber ich glaube, es ist gut, wenn wir die Gelegenheit heute nutzen, um darüber zu sprechen, was denn konkret diskutiert wird und in welche Rich­tung das Ganze gehen sollte. Ich bitte Sie, Herr Minister, hier nicht auf diese paar Punkte im Regierungsprogramm zu verweisen, denn: The proof of the pudding is in the eating. Ich glaube, es ist langsam an der Zeit – wie gesagt, erste Anfrage 2014 –, den Pudding zu servieren, damit wir einmal schauen können, wie vorgegangen wird. (Bei­fall bei den NEOS)

Ziel muss es sein, eine ausreichende rechtliche Klarstellung zu erreichen, ohne sofort in Richtung Überregulierung zu kippen. Den Vorschlag betreffend Prospektpflicht, der im Frühjahr gekommen ist, habe ich zum Beispiel nicht für besonders brauchbar ge­halten, denn dies hat keinen erkenntlichen zusätzlichen Nutzen für die InvestorInnen, bedeutet aber auf der anderen Seite für die betroffenen Start-ups einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Start-ups funktionieren auch ganz anders, da würde sich alle drei Wochen alles, was in so einem Prospekt drinnen gestanden ist, wieder ändern.

Was fordert NEOS? – Für uns ist in diesem Bereich klar: Wer wartet, verliert. (Abg. Strolz: Ja!) Das ist leider so. Es geht darum, radikal nach vorne zu denken und radikal vorne zu sein, natürlich auch in regulatorischen Angelegenheiten. Das kann auch schlanke Regulierung bedeuten. Das heißt, man muss forschen, fördern, sinnlose Re­gulierungen abbauen und Rechtssicherheit für diejenigen schaffen, die das Risiko ein­gehen und etwas Neues wagen und diesen Schritt nach vorne gehen. Der ehemalige Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Mahrer hat da ja schon einiges vorgelegt. Jetzt hat er leider zur dunklen Seite der Macht des Galactic Empire gewechselt. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Das ist sehr schade, aber wenn die Wirtschaftskammer jetzt Bahn­brechendes im Bereich Blockchain und Cryptocurrencies machen wird, dann werde ich das natürlich auch wertschätzen. (Abg. Loacker: Einen Gewerbeschein!) – Ja, genau, ein Gewerbeschein, stimmt, das ist das, was naheliegend ist!

Man könnte zum Beispiel Rechtssicherheit schaffen, indem man dieser spekulativen Einordnung von Kryptowährungen ein Ende setzt. Stattdessen könnte man eine ganz klare Klassifizierung und klare steuerliche Handhabe von unterschiedlichen Tokens schaffen, indem man auch definiert, dass für einen Token, der diese oder jene Eigen­schaften hat, dieses oder jenes anzuwenden ist. Für Unternehmen müssten wir die Potenziale heben, indem wir endlich regulatorische Sandboxes schaffen.

Es gibt ganz viele Länder, die uns in dieser Frage schon um einiges voraus sind. Das ist innerhalb kürzester Zeit passiert. Die Welt entwickelt sich in diesem Bereich einfach so schnell weiter, dass wir mit der traditionellen Handhabe der Gesetzwerdung in Ös­terreich einfach nicht mehr nachkommen werden. – Schauen wir einmal, dann schauen wir weiter, geht zu langsam.

Wir sind sehr wohl bereit, hier auch konstruktiv mitzuarbeiten, wenn es konkrete Vor­schläge gibt. Deshalb bin ich jetzt sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, Herr Minister, insbesondere was konkrete Fristen betrifft, wann wir mit Vorschlägen rechnen können und wann wir diese diskutieren können. Bis dahin gilt weiter: brodeln. (Beifall bei den NEOS.)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich darf ihm das Wort erteilen.