19.33

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin jetzt noch nicht unbedingt eine Ewigkeit im Parlament; es ist meine zweite Legislaturperiode, es sind jetzt fünf Jahre. (In Richtung des abgewandt sitzenden Abg. Sobotka:) Herr Prä­sident Sobotka, wenn Sie kurz - - (Abg. Sobotka – weiterhin abgewandt, auf sein Ohr deutend –: Ich habe das Ohr da!) – Ach so, weil Sie nach hinten schauen! Entschuldi­gung, ich habe mir gedacht, es geht um eine Vorbildwirkung. Man schaut sich gegen­seitig an, wenn man miteinander redet. Gut! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Präsident, ich kenne Sie wirklich nicht persönlich und ich weiß, dass die Debatten rund um Sie oft emotional sind. Ich persönlich war wirklich so naiv und wollte Ihnen irgendwie die Chance geben und habe gedacht: Irgendwann werden Sie in Ihre Rolle hineinfinden. Es gibt dann so Debatten, wie wir sie heute erlebt haben, wo alles sehr emotional ist, wo es irgendwie rundgeht. Das Schöne im Parlament war immer – und das sage ich eher noch als Neuling –, dass es dann Menschen gegeben hat, die sich zusammengestellt haben und gesagt haben: Finden wir gemeinsam eine Lösung!

Ich war wirklich so naiv und habe mir gedacht: Wenn man da jetzt klammheimlich ver­sucht, ein derartig schwerwiegendes Gesetz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchs Parlament zu peitschen, mit einer verkürzten Begutachtungsfrist, das dramatische Aus­wirkungen auf das Leben von Menschen hat, wobei niemand hier noch die Zeit gehabt hat, das Ganze zu studieren, werden Sie aufstehen und sagen: Jahrelang ist das im­mer hier im Parlament im Ausschuss für Arbeit und Soziales behandelt worden, wir machen das weiter so; so nicht, liebe Regierung! – Seien Sie selbstbewusst! Diesen Weg haben Sie leider nicht beschritten. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Sie sind jetzt hier gesessen – Sie dürfen Ihre Meinung haben – und haben in einer Art und Weise mit Begeisterung geklatscht, gerade dass Sie nicht gejohlt und gejubelt ha­ben. Herr Präsident, ich bin wirklich von Ihnen persönlich schwerstens enttäuscht, dass Sie nicht diese Ruhe hineingebracht haben.

All diese Debatten, dass alle Menschen sich aussuchen können, ob sie 12 Stunden ar­beiten wollen oder nicht: Ich habe fast dabei geweint, als ich das Video von dieser Ver­käuferin gesehen habe, die H.-C. Strache erzählt hat, wie sie nach einem harten Ar­beitstag nach Hause kommt und noch putzen, einkaufen gehen, sich um die Kinder kümmern muss. Strache sagt dann original zu ihr: Jeder Arbeitgeber der Welt wird Ver­ständnis dafür haben, dass Sie früher nach Hause müssen und nicht arbeiten wollen. Das ist weltfremd! Es gibt Schicksale von Menschen, die könnt ihr euch alle nicht vor­stellen. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, dann weiß man, was in Ös­terreich abgeht.

Die Gewerkschaften außen vor zu lassen, derart schwerwiegend in das Leben von Menschen einzugreifen und einen Präsidenten zu haben, der dazu sagt: Peitschen wir das Ganze in der Nacht durch! – es ist unglaublich, was hier heute im Parlament pas­siert ist. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich bin schwerstens enttäuscht von Ihnen, Herr Präsident, und vor allem von den vielen Kollegen aus der FPÖ. Ich weiß, dass ihr selber genau wisst, was heute abgeht. Das ist nicht eure Meinung, das ist leider die ÖVP-Politik. Mahrer jubelt heute schon mit Inseraten, die komischerweise vorbereitet sind. Es ist unglaublich, was heute passiert ist! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

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