20.28

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Schönen gu­ten Abend, Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Besuchergalerie! Immer noch da? Wie steht es mit dem Energiehaushalt? Geht es noch einmal? – Letzter Tagesordnungspunkt, bald haben wir es geschafft!

Radfahren ist gesund, günstig und gut für die Umwelt, da sind wir uns hoffentlich – also ich gehe davon aus – parteiübergreifend einig. Das Radfahren wird auch immer belieb­ter. Radfahren gesetzlich zu fördern und sinnlose und diskriminierende Regelungen abzuschaffen macht also tatsächlich Sinn und entspricht auch unserer Verantwortung.

Was geschieht da? Was hat die Regierung aktuell zum Thema Radfahren vor? – Schauen wir einmal in die Klima- und Energiestrategie rein; da steht: „Öffentlich zu­gängliche Verkehrsangebote sowie die aktive Mobilität (Radfahren, Fußverkehr) bilden das Rückgrat nachhaltiger Personenmobilität.“ – Schöne Vision! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es kommt aber viel Arbeit auf die Regierung zu, wenn sie das ernst meint, denn derzeit ist leider immer noch für das Gros der österreichi­schen Bevölkerung das Auto das Maß aller Dinge – und dies schon auch deswegen, weil der Umstieg auf das Fahrradfahren immer noch nicht ganz so leicht gemacht wird.

Zweites Zitat aus der Klimastrategie: „Ziel ist daher die Umsetzung und Weiterentwick­lung des Masterplans Radfahren [...], um eine Erhöhung des Radanteils in Österreich von 7 % auf 13 % bis 2025 zu erreichen.“

Sie haben also erfreulicherweise die Verdoppelung des Radverkehrs bis 2025 aus dem Masterplan Radfahren vom Mai 2015 von Ex-Bundesminister Rupprechter aufgegriffen. Die Strategie muss jetzt aber auch noch Zähne bekommen, damit sie den erforderli­chen Biss entwickeln kann. Dazu braucht es Maßnahmen wie den raschen Ausbau der Radfahrinfrastruktur, sichere Radverbindungen zwischen Siedlungen auf Überlandrou­ten, Fahrrad und Öffis, also Bike-and-Ride auszubauen und so weiter und so fort. Sie haben einiges davon auch schon in den Ausschüssen vorgestellt oder erzählt, dass Sie es vorhaben. Ich hoffe, dass wir davon in den nächsten Jahren noch einiges sehen werden.

Es geht um die Unterstützung von 5 Millionen Österreicherinnen und Österreichern, die das Fahrrad laut VCÖ zumindest als Sekundärverkehrsmittel nutzen. Die Menschen wollen den Radverkehr in dem Land, das ist wirklich Trend. Bringen wir endlich Bewe­gung ins Thema Radfahren und machen wir das Fahrrad zum Primärverkehrsmittel, wie das in skandinavischen Ländern und in Holland schon jahrelang der Fall ist! Die sind klimatisch gesehen sogar weniger begünstigt als Österreich.

Einen ersten kleinen, gemeinschaftlichen Erfolg haben wir hier im Hohen Haus schon erreicht: Liebe Oppositionsfraktionen, liebe Regierungsfraktionen! Der vorliegende An­trag der Liste Pilz „Entrümpelung radverkehrsfeindlicher gesetzlicher Regelungen“ wur­de nämlich im letzten Verkehrsausschuss abgestimmt und, man mag es kaum glau­ben, nicht vertagt – ja welche Freude! –, und er kann deshalb heute hier im Plenum diskutiert werden. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Die leidige Praxis der Oppositionsantragsvertagungsorgien habe ich seit meiner Ange­lobung in allen Ausschüssen erlebt. Ich habe erfahren, dass in den letzten und vorletz­ten Gesetzgebungsperioden mehr als tausend Oppositionsanträge mundtot gemacht wurden, indem sie von den Regierungsfraktionen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag ver­tagt wurden. Nachdem ich diese Praxis in den Ausschüssen aber wiederholt kritisiert habe – auch Kollegen und Kolleginnen von SPÖ und NEOS taten dies –, hat sich da etwas bewegt. Das ist wirklich schön, ein schönes, positives Zeichen der Reform des Parlamentarismus, ein kleiner, aber wichtiger Schritt.

So, zum vorliegenden Antrag: § 68 Abs. 3a der Straßenverkehrsordnung besagt, dass sich Fahrradfahrer nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 Kilometern pro Stunde ungeregelten Kreuzungen nähern dürfen. Warum ist das eine handfeste Diskriminie­rung? – Weil das für andere Verkehrsteilnehmer nicht gilt, nicht für Autos, nicht für Mo­peds, nicht für Kutschen, was auch immer. Das müssen wir daher sachlich hinterfra­gen. Ich möchte zu dieser 10-km/h-Regel einen Vergleich anstellen: Das ist so, als würde man auf einer Autobahnauffahrt eine 30er-Geschwindigkeitsbeschränkung für Autos einführen, während die Lkws in vollem Tempo weiterrasen dürfen.

Diesen 10-km/h-Paragraphen für Radfahrer haben wir seit der Novelle 1989 in der StVO stehen. Seither ist das totes Recht. Niemand hat das kontrolliert, ob die Radfah­rer sich mit 10 km/h der Kreuzung genähert haben oder nicht. Erst seit wir Blau-Schwarz in der Regierung haben, wird diese Sinnlosregelung exekutiert, und zwar nicht einmal gesetzeskonform. Ich war in Kontakt mit der Polizei. In der letzten Zeit wurden mehrfach Radler und Radlerinnen von der Polizei in Wien mit dem Radar ge­messen und abgestraft, und zwar auch bei geregelten Kreuzungen. Da gilt diese Rege­lung aber gar nicht, denn das Gesetz bezieht sich nur auf ungeregelte Kreuzungen.

Was ist da los, Herrschaftszeiten? – Verwirrte Polizei, arme Bürgerinnen und Bürger. Sowieso scheint in Wien gerade die große Jagd auf Radfahrer ausgebrochen zu sein. Am 12.6.2018 wurden bei einem Planquadrat in Wien 360 Radfahrer angezeigt. Lieber Herr Minister Hofer! (Bundesminister Hofer spricht mit einem Mitarbeiter.) Herr Bun­desminister Hofer! Einen ganz kurzen Moment der Aufmerksamkeit noch, ich bin gleich durch! Könnten Sie bitte Ihren Kollegen, Herrn Innenminister Kickl, fragen, ob er viel­leicht vorhat, die zusätzlichen Polizeistellen dafür zu schaffen, die umweltfreundlichen Radfahrer zu schikanieren? Bitte schaffen wir doch hier im Hohen Haus eine Umge­bung, in der sich der richtige und gesunde Trend des Radfahrens ungebremst entfalten und fortsetzen kann. Herr Hofer, Sie haben da eine gute Gelegenheit, ein Gesetz zu entrümpeln, aufzuräumen und den Radfahrern zu helfen.

An alle Fahrradfans hier im Haus: Ich sehe einige von Ihnen vor allem jetzt, seit es warm geworden ist, mit dem Fahrrad ins Parlament radeln. Ich freue mich über jeden von Ihnen, den ich radeln sehe. Es gibt eine sehr lebendige Facebook-Gruppe mit 12 000 Mitgliedern, die Radfahrer in Wien heißt. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich dort mit Gleichgesinnten zu vernetzen! Das Fahrradfahren verbindet und schafft die Par­teigrenzen ab. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.35

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hofer. – Bitte, Herr Minister.