17.17

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Haubner rät uns, nicht über die Kirche zu reden, sondern in die Kir­che zu gehen. Ich darf Ihnen in umgekehrter Weise raten, nicht nur über Betriebe zu reden, sondern endlich in Betriebe zu gehen! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Winzig: Genau das tun wir! – Abg. Haubner: Das war der beste Witz! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Bundesregierung! Mit dem Kippen des Rauchverbots vor wenigen Mona­ten haben Sie einmal mehr gezeigt, wie unfassbar wenig Wert Sie auf wissenschaftli­che Fakten und Expertenmeinungen in diesem Land legen. Damals habe ich gedacht, dass Sie den Zenit der Verantwortungslosigkeit und Faktenlosigkeit bereits überschrit­ten haben, aber das war weit gefehlt, denn mit dem 12-Stunden-Tag und der 60-Stun­den-Woche beweisen Sie uns das einmal mehr.

Was passiert, wenn Ihr Gesetzentwurf so beschlossen wird, wie er auf dem Tisch liegt? – Die Menschen werden kränker. Weil Sie es auch kaum erwarten können, sehr geehrte Bundesregierung, die AUVA zu zerschlagen, wird in Zukunft auch kaum je­mand mit dieser hohen Expertise da sein, um die Menschen nach Arbeitsunfällen, de­ren Zahl steigt, in geeigneter Weise zu behandeln und für den Wiedereinstieg zu re­habilitieren. Ihr Plan ist somit ein gezielter Angriff auf die Gesundheit der Menschen in diesem Land! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Was passiert, wenn Menschen länger arbeiten, über die normale Arbeitszeit hinaus? – Es passieren mehr Unfälle, nämlich Arbeitsunfälle – signifikant erhöht ab der 9. Ar­beitsstunde, und bei der 12. Arbeitsstunde besteht ein dreimal so hohes Unfallrisiko. Ein Arbeiter, der sich nach vier 12-Stunden-Nachtdiensten hintereinander auf den Weg nach Hause macht, hat dasselbe erhöhte Unfallrisiko wie mit 0,8 Promille Alkohol. Sie können gleich die Alkoholgrenze im Straßenverkehr hinaufsetzen, das Ergebnis ist, so gesehen, dasselbe. (Abg. Zarits: Geh bitte! Ruf bei der FPÖ: Auf wie viel würden Sie vorschlagen?)

Oder schauen wir uns einmal die Auswirkungen auf die Gesundheit an, das Risiko, dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die erhöhte Arbeitszeit ausgesetzt sind: Statistiken zeigen – und das sind wissenschaftliche Arbeiten –, dass Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer dann doppelt so häufig einen Herzinfarkt erleiden, ein vier­faches Risiko haben, an Diabetes zu erkranken, viel anfälliger für sämtliche Entzün­dungserkrankungen sind, doppelt so häufig Depressionen bekommen, Burn-out, Schlaf­störungen. Und das, sehr geehrte Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, lässt Sie wieder einmal völlig kalt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Sie beuten mit Ihren neuen Plänen 3,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus – nicht nur finanziell, sondern auch körperlich, psychisch und gesundheitlich. Und weil ich das Argument immer wieder höre: Ja, es macht einen Riesenunterschied, ob man in der Politik tätig ist, wie wir hier in diesem Raum, ob man dem höheren Manage­ment angehört und längere Arbeitszeiten hat oder ob man ein Arbeiter oder ein Ange­stellter in einem Betrieb ist und künftig ohne Mitspracherecht, ob man länger arbeiten kann oder nicht, zu längeren Arbeitszeiten gezwungen wird; das macht einen Riesen­unterschied, vor allem punkto Gesundheit. Sie erzeugen eine Zweiklassengesundheit, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Belakowitsch: Die haben wir schon!)

In diesem Sinne appelliere ich an Sie, sehr geehrte Bundesregierung und Damen und Herren der FPÖ und ÖVP: Setzen Sie die Gesundheit nicht schon wieder aus takti­schen Gründen aufs Spiel! Ihre Pläne sind gefährlich und kontraproduktiv, und zwar betriebswirtschaftlich, volkswirtschaftlich, menschlich und sozial. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Ich bringe zum Schluss noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „korrekte demokratiepolitische Vorgangsweise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend Verhandlungen mit den Sozialpartnern aufzunehmen um eine Einigung hinsichtlich der Gestaltung von Ar­beitszeit- und Arbeitsruheregelungen zu erzielen, einen Ministerialentwurf in Begutach­tung zu schicken und danach eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

17.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Holzinger-Vogtenhuber und Kolleginnen und Kollegen

betreffend korrekte demokratiepolitische Vorgangsweise

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage 12-Stunden-Tag und 60-Stun­den-Woche – in wessen Auftrag, Herr Bundeskanzler?

Das Regierungsprogramm von Schwarz/Blau beinhaltet die Einführung des 12-Stun­den-Arbeitstages und der 60-Stunden-Arbeitswoche. Die Umsetzung dieses Vorha­bens erfolgte dann heimlich still und leise über die Regierungsfraktionen von ÖVP und FPÖ, indem diese in der Sitzung des Nationalrates am 14. Juni 2018 ohne weitere An­kündigung oder Verständigung der übrigen Parlamentsfraktionen einen Initiativantrag zur Verlängerung der Arbeitszeit eingebracht haben. Dieser Antrag hat in der Zwi­schenzeit sehr viele Expertinnen und Experten beschäftigt. Eine der einhelligen Mei­nungen dieser Fachleute ist, dass eine derart weitrechende Änderung der Arbeitszeit und Arbeitsruhe nicht in einem Husch-Pfusch-Antrag ohne Begutachtung und ohne Ausschussberatungen beschlossen werden soll.

Bis heute sind sowohl die Regierungsparteien als auch die Regierungsmitglieder die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wer diesen verpfuschten Antrag geschrieben hat. Auch konnte niemand erklären, warum man nicht den Dialog mit den Sozialpart­nern gesucht und ein normales Begutachtungsverfahren durchgeführt hat.

Nationalratspräsident Sobotka hat dann auch noch entgegen allen Usancen des Hohen Hauses die Zuweisung des Antrages an den fachlich unzuständigen Wirtschaftsaus­schuss angeordnet. Der Grund dafür ist auch sehr durchsichtig, denn im Wirtschafts­ausschuss hat die ÖVP den Vorsitz, im fachlich zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales die SPÖ.

Um dieser Vorgangsweise dann auch noch die Krone aufzusetzen, wurde für die Be­richterstattung über den Initiativantrag auch noch eine Frist mit 4. Juli 2018 gesetzt, sodass eine Behandlung im Ausschuss nicht mehr erforderlich ist und die Arbeitszeit­verlängerung ohne weitere Beratung am 5. Juli im Plenum des Nationalrates beschlos­sen wird. Diese Eile ist völlig unverständlich, weil die Regelungen erst mit 1.1.2019 in Kraft treten werden.

Diese Vorgangsweise ist undemokratisch und wird der Tragweite dieses Vorhabens in keiner Weise gerecht. Nachdem von den vorgeschlagenen Verschlechterungen mehr als drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien betroffen sein werden, wäre wohl eine demokratiepolitisch korrekte Vorgansweise mehr als an­gebracht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend Verhandlungen mit den Sozialpartnern aufzunehmen um eine Einigung hinsichtlich der Gestaltung von Ar­beitszeit- und Arbeitsruheregelungen zu erzielen, einen Ministerialentwurf in Begutach­tung zu schicken und danach eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Herr Vizekanzler, Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.