17.47

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Es ist jedenfalls eine denkwürdige Sitzung, die wir heute erleben, denn zuerst zitiert die Sozialdemo­kratie die Bischofskonferenz und nachher applaudiert die ÖVP, wenn man ebendiese Bischofskonferenz kritisiert. Insofern haben wir heute jedenfalls eine sehr spannende Sitzung. (Beifall bei den NEOS.)

Diese ganzen Irritationen, die das offensichtlich ausgelöst hat, sind ja nur der Vor­gangsweise geschuldet. Sie alle in diesem Haus wissen, dass wir NEOS schon sehr lange die Arbeitszeitflexibilisierung fordern, und dann erfolgt ein so unausgegorener Vorgang: Es kommt ein eher skurriler Initiativantrag herein, bei dem niemand wirklich weiß, was eigentlich drinnen steht.

Es geschieht einmal nicht so, wie es gang und gäbe ist, dass nämlich die Bundesre­gierung einen Ministerialentwurf macht, ihn in Begutachtung schickt und alle sich dem­entsprechend melden können, sondern die Abgeordneten Haubner und Klinger schrei­ben einen Initiativantrag, und dann – gehen wir einmal davon aus, dass dieser Antrag wirklich von den Abgeordneten Haubner und Klinger geschrieben wurde – weiß eigent­lich niemand genau, was drinnen steht.

Diese Situation haben wir mehrmals gehabt. Wir wussten am Anfang nicht, ob die 12 Stunden nun wirklich freiwillig sind. Der Herr Vizekanzler hat dann ausrücken und die Sozialministerin korrigieren müssen, dass es nämlich doch um Freiwilligkeit geht.

Dann war auch nie ganz klar – deswegen war es auch lustig, Herr Kollege Amesbauer weiß das alles schon viel länger als wir hier herinnen –, ob alle Überstunden auch bezahlt werden, und das ist ja nur dieser schludrigen Art und Weise geschuldet, wie das hier passiert ist.

Ich verstehe einfach nicht, wie man dieses Projekt Arbeitszeitflexibilisierung, das ein sehr wichtiges und gutes ist, von vornherein in dieser Art und Weise gefährden kann, dass man einfach kein gescheites Gesetz einbringt und dass man, selbst wenn es aus dem Parlament kommt, was mir als selbstbewusstem Parlamentarier ja sehr gefällt, dann nicht die Möglichkeit gibt, dass man es entsprechend begutachtet. – Wir haben gehört, es gab eh den Vorschlag der Begutachtung.

Dann gibt es die große Diskussion: War es im richtigen Ausschuss? Der Herr Präsident war der Meinung, das passt besser in den Wirtschaftsausschuss als in den Sozialaus­schuss. Herr Präsident, Sie werden es mir nicht übel nehmen, ich bin überzeugt davon, dass der Gesetzentwurf in den Arbeits- und Sozialausschuss gehört, wenn wir über Ar­beitszeit reden.

Trotzdem war natürlich das Angebot der Regierungsparteien, dass wir eine zweiein­halbwöchige Begutachtung machen, einigermaßen unverfroren, würde ich sagen, weil das natürlich nicht die übliche Vorgangsweise ist, wie wir hier im Parlament arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Dass wir alle ein bisschen verwirrt sind, haben ja auch die Äußerungen von Minister Blümel gezeigt. Er war sich nie ganz sicher, ob es nicht doch von der Regierung kommt, was er hier macht, oder ob es ein Initiativantrag der Parlamentsparteien ist. Das führt alles nur zu einer unglaublichen Verunsicherung, und das ist das, was wir hier alle nicht wollen. Wir haben diese unklaren Gesetzesbegriffe, die im Initiativantrag enthalten sind, die jetzt mit einem Abänderungsantrag hoffentlich ausgebessert wer­den. Mir wäre es wichtig, dass das entsprechend ausgebessert wird. Ich verstehe nur nicht, wieso man den Gesetzentwurf nicht in umfassende Begutachtung geschickt hat.

Sie wissen, mir wäre es nicht zwingend wichtig, dass die Sozialpartner dem zustim­men, denn auch ich bin der Meinung, dass sie lange genug Zeit hatten. Ich glaube aber, dass wir uns als Gesetzgeber doch ordentlich ernst nehmen sollten. Das heißt, dass wir für ein so wichtiges Projekt wie die Arbeitszeitflexibilisierung entsprechend ein sinnvolles parlamentarisches Verfahren vorsehen sollten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Das ist ja, wie wir alle wissen, nicht das erste Mal, diese Situation haben wir des Öf­teren. Wir hatten zuerst die Diskussion über das Sicherheitspaket, das dann direkt als Regierungsvorlage hier ins Haus gekommen ist. Es wurde auch die Frage gestellt, ob wir das überhaupt begutachten. Da gab es dann ein Zugeständnis, dass es begutach­tet wurde. Ein Hearing gab es dann leider doch nicht, weil Kollege Amon der Meinung war, dass Hearings grundsätzlich hinter verschlossenen Türen ablaufen. Auch das halte ich nicht für eine sinnvolle parlamentarische Praxis. Das Ganze geht auf Kosten der Qualität in diesem Haus, und wir, jeder Einzelne hier als Abgeordneter sollte sich doch überlegen, ob das das Ziel der ganzen Sache ist.

Es gibt ja, wenn man den Worten glauben will, eine umfassende Mehrheit für die Ar­beitszeitflexibilisierung, nur haben Sie es zustande gebracht, das Projekt mit dem, was Sie hier veranstaltet haben, fast schon zum Scheitern zu bringen, und das ist sicher nicht sinnvoll. Wenn Sie es schaffen, dass Kollege Loacker hier draußen steht und Ih­nen das Gesetz erklären muss und ihm die Sozialdemokratie applaudiert, dann merken Sie, dass es irgendwo ein grundsätzliches Problem mit dem Initiativantrag gibt. Dem­entsprechend verstehe ich nicht, wieso Sie es so gemacht haben. (Heiterkeit und Bei­fall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Zum Schluss möchte ich noch einen wichtigen Punkt erwähnen, den Abgeordneter Schellhorn schon angesprochen hat, nämlich die Kinderbetreuung. Es hat vor Kurzem eine Sitzung des Rechnungshofausschusses mit Bundesminister Faßmann stattgefun­den. Er hat auf die Frage, ob es jetzt einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und einen massiven Ausbau der Kinderbetreuung geben wird, gesagt, er glaubt, dass das nicht notwendig ist, weil der 12-Stunden-Arbeitstag eh freiwillig ist.

Ich sage Ihnen einmal etwas – ich spreche jetzt insbesondere die Abgeordneten aus Niederösterreich an, aber was ich sage, gilt auch für andere Bundesländer –: Ich habe jetzt noch einmal nachgeschaut. Es gibt in der Landeshauptstadt Niederösterreichs, in St. Pölten, keinen einzigen Landeskindergarten, der länger als bis 16 Uhr offen hat. Da geht es dann nicht um den 12-Stunden-Arbeitstag, da geht es darum, ob überhaupt die Möglichkeit vorhanden ist, dass Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt wird – und das ist nicht der Fall.

Wenn Sie die Arbeitszeitflexibilisierung wollen – und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir das brauchen –, müssen wir endlich anfangen, die Kinderbetreuungsplätze umfassend auszubauen. Da geht es nicht darum, dass wir, wie Frau Kollegin Schima­nek vorher gesagt hat, irgendjemanden zwingen. Es muss das Angebot da sein, es muss einen Rechtsanspruch darauf geben, dass man sein Kind entsprechend abgeben kann. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Ich habe gerade von St. Pölten geredet. St. Pölten ist für Niederösterreich quasi noch ein Vorzeigeprojekt, was das betrifft. Fahren Sie nach Zwettl: Nach 13 Uhr nur bei Be­darf. Nur zwischen 7 Uhr und 13 Uhr kann ich mein Kind im Kindergarten entsprechend abgeben, es wird dort betreut, nur wird sich das mit dem 12-Stunden-Tag auch knapp nicht ausgehen, dass eine entsprechende Kinderbetreuung sichergestellt ist.

Man muss, wenn man solche Maßnahmen setzt – und ich bin davon überzeugt, dass wir die brauchen –, auch umfassend denken. Das heißt in dem Fall, wir brauchen um­fassende Kinderbetreuung. Ich bitte Sie wirklich, in Zukunft diese Husch-Pfusch-Aktio­nen zu unterlassen. Damit tun Sie nicht nur dem Vorhaben nichts Gutes, sondern auch uns als Parlament. Ich glaube, es müsste im Sinne jedes Einzelnen sein, dass wir das besser angehen, dass wir qualitätsvollere und sinnvolle Gesetze machen. Damit ist der Sache gedient – mit der Art und Weise, wie Sie hier vorgegangen sind, leider keines­falls. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.53

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Cox zu Wort. – Bit­te.