14.18

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Niemand hat etwas gegen die Entsorgung alter, toter, unnötiger Gesetze, aber bei der Durchsicht der Gesetze, die im Zuge des Reinigungs­pro­grammes überlebt haben, ist mir ein Gesetz aufgefallen, das vielleicht charakte­ris­tisch für diese Politik ist und verblieben ist, obwohl es 150 Jahre alt ist. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1868 – nicht 1968, sondern 1868! –, und ich habe gedacht, es ist tot, aber es lebt weiter und es lebt wieder und es wurde explizit aus diesem Reini­gungs­programm herausgefischt. Es geht um das Eidgesetz. Es geht um die Prozess­ordnung und das Schwören vor Gericht mit Schwurgarnitur und allem möglichen Hokus­pokus.

Ich darf vielleicht nur § 3 als Beispiel vorlesen:

„Vor der Eidesablegung hat der Richter den Schwurpflichtigen in einer dessen Bil­dungs­grade und Fassungskraft angemessenen Weise an die Heiligkeit des Eides vom religiösen Standpuncte, an die Wichtigkeit des Eides für die Rechtsordnung, an die zeitlichen und ewigen Strafen des Meineides zu erinnern [...]“

Na ja. Dieses juristische Fossil ist nicht einmal novelliert worden, das heißt, es ist in seiner Urfassung weiterhin gültig und es bleibt offensichtlich Gesetz, weil es für die Regeln der gemeinsamen Staatsführung wichtig ist, für unser Zusammenleben wie einen Bissen Manna. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie, Herr Minister, nicht Ihren Abge­ordneten von den Regierungsfraktionen da etwas vorführen wollen, nämlich: Wir be­stim­men da Gesetze, die so komisch sind, und ihr müsst es trotzdem beschließen, ob ihr wollt oder nicht.

Stellen wir uns jetzt einmal dieses Szenario vor: Wir brauchen erstens ein Kruzifix, das am Richtertisch fix montiert ist, damit nicht irgendjemand während der Verhandlung auf blöde Gedanken kommt. Dann brauchen wir links und rechts davon eine brennende Kerze, und wir brauchen drei Finger der rechten Hand, die gehoben werden, während die Formel „[...]; so wahr mir Gott helfe!“ gesprochen wird. Ich weiß nicht, ob die Richter auch darauf achten müssen, ob nicht die sogenannte Blitzableiterfunktion ein­gesetzt wird. Sie kennen das vielleicht noch, die Älteren zumindest, aus der Kindheit: Wenn wir in Schwurnot geraten sind, konnten wir mit der linken Hand hinter dem Rücken zwei Finger kreuzen, und damit war das, was man vorne geschworen hat, obsolet, das heißt, es war nicht mehr gültig. Um diese Tricks zu verhindern, würde ich vorschlagen, dass wir überlegen, einen entsprechenden Initiativantrag einzubringen. – Spaß beiseite!

Schade, dass wir in diesem Land von der Aufklärung offensichtlich nur gestreift worden sind. Sie erinnern sich, Immanuel Kant hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Schwüre und Eide eine Einschränkung der Freiheit bedeuten und hat sie dement­sprechend abgelehnt. Tausend Jahre europäische Geschichte, Kampf gegen die Ein­mischung von religiösen Vorstellungen in die Staatsgewalt und in die Gerichtsbarkeit sind offensichtlich nicht ganz erfolgreich gewesen in dem Land, denn wir schwören weiterhin und haben Angst vor Höllenqualen. Die Christen schwören noch dazu auf einen Christus am Richtertisch, der ihnen in der Bergpredigt deutlich gesagt hat: Schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei Jerusalem. Gut möglich, dass uns auch das Christentum nur gestreift hat. Vielleicht sind wir überhaupt noch wesent­lich länger den Runen und den Fackelkreisen und den Schutzamuletten und was im­mer es damals gegeben hat, verhaftet.

Jedenfalls ist dieses Beharren auf einem Gesetz symbolisch für diese anachronistische und rückwärtsgewandte Politik. Ich stelle daher folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 192 d.B.: Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

„In der Anlage zu diesem Bundesgesetz wird der Eintrag unter der Klassifikations­num­mer 22.04.20 betreffend RGBl. 33/1868 gestrichen.“

*****

Ich bin der Meinung, das Eidgesetz aus 1868 ist ein Fremdkörper in einem aufge­klär­ten, modernen Rechtsstaat und daher entbehrlich. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

14.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 192 d.B., Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In der Anlage zu diesem Bundesgesetz wird der Eintrag unter der Klassifikations­num­mer 22.04.20, betreffend RGBl. Nr. 33/1868 gestrichen.

Begründung

Das Eidgesetz aus dem Jahr 1868 stellt einen Fremdkörper in einem modernen demo­kratischen Staatswesen dar und ist für die Rechtspflege verzichtbar. Darüber hinaus steht es in Konflikt mit der Menschenrechtskonvention (Religionsfreiheit).

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Tschank. – Bitte.