18.03

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Wir haben es schon gehört: Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Richtlinienumsetzungen. Ich habe weniger Sorge beim Prinzip Beraten statt strafen und halte es an und für sich für eine wichtige Maßnahme. Der Grund, wieso wir der einen Sache im Zusammenhang mit dem Verwaltungsstrafverfahren nicht zustimmen werden, sind natürlich die Argu­mente, die Kollege Noll hier angesprochen hat. Herr Kollege Stefan, wenn Sie meinen, na ja, wenn es dann zu viele Polizeibefugnisse sind, dann werden Sie diese unter Umständen wieder zurücknehmen, dann sage ich, das ist schon eine Tendenz, die mir Sorgen macht. Ganz ehrlich: Ich kann mich nicht erinnern, dass die Polizei in den letzten Jahrzehnten neue Befugnisse bekommen hat und diese dann jemals wieder zurückgenommen wurden.

Das, was passiert ist, waren mehr Befugnisse für die Polizei, was in einigen Bereichen sinnvoll ist, aber mit diesem Überschießenden – und gerade Sie scheinen sich ja auch nicht zu 100 Prozent sicher zu sein, ob es genau passt – habe ich meine Probleme und würde das ablehnen. Wenn es nur um die Schwarzfahrer ginge, dann sollten wir es entsprechend regeln, explizit für die Schwarzfahrer – denn was Sie diesbezüglich vor­hin angesprochen haben, ist tatsächlich eine Problematik –, aber die Identitätsfest­stel­lung generell so festzuschreiben, dass es ohne die unmittelbare Tatbegehung im Vor­hinein geht, das halte ich für einigermaßen problematisch.

Wo wir jedenfalls zustimmen werden, das ist die Umsetzung der Richtlinie zur Euro­päi­schen Ermittlungsanordnung. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme in Verwal­tungs­strafsachen.

Vielleicht noch etwas dazu, weil es wichtig ist und es Kollege Noll auch schon ange­sprochen hat: Wir haben im Ausschuss länger darüber diskutiert, es ist wichtig, dies hier auch noch einmal festzuhalten. Ich werde nachher noch einen Abänderungsantrag dazu einbringen. Wir sind im Ausschuss draufgekommen, dass etwas nicht zu 100 Pro­zent klar ist; deswegen ist es wichtig, das hier noch einmal zu betonen.

Es ist ja im Verwaltungsstrafgesetz und im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz so, dass die Stellung von Beweisanträgen nicht explizit geregelt ist und dass die Mög­lichkeiten, dass die Parteien einen Beweisantrag stellen können, aber trotzdem klar erkennbar und daraus erkennbar vorausgesetzt sind. Die Behörde hat dem im Rahmen der geltenden Grundsätze der Amtswegigkeit, der materiellen Wahrheit und der Wah­rung des Parteiengehörs entsprechend nachzukommen. Und in diesem Sinne sind eben auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, die man, wenn man es jetzt nicht verstanden hätte, auch ein bisschen anders lesen könnte, zu verstehen, wonach die Mög­lichkeit der Stellung von Beweisanträgen im Verwaltungsstrafgesetz nicht vorge­sehen ist.

Da aber Beweisanträge grundsätzlich im Verwaltungsstrafverfahren schon nach gelten­der Rechtslage gestellt werden können, braucht es jetzt auch keine spezifische Rechts­grundlage im Zusammenhang mit der Europäischen Ermittlungsanordnung. Entsprechend ist das so auch gemeint.

Ich bringe daher noch folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag  

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak, Dr. Noll, Kolle­ginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

„Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf (188 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

§ 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

,(5) Besteht Grund zur Annahme, dass die Erlassung der Europäischen Ermittlungs­anordnung nach Abs. 1 für die Zwecke des Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechte des Beschuldigten nicht notwendig oder verhältnismäßig ist, oder stünde die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung, so kann die zuständige Behörde des Anordnungsstaates zur Frage der Wichtigkeit der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung konsultiert und ihre Entscheidung über deren Zurückziehung abgewartet werden.‘“

*****

Was lernen wir daraus? – Wenn wir konstruktiv Parlamentarismus leben und sinnvoll miteinander diskutieren, so wie wir das in diesem Zusammenhang im Verfassungs­aus­schuss getan haben – ich weiß, das tun Sie in dieser Situation dann unter Umständen nur, weil Sie eine Zweidrittelmehrheit brauchen –, dann lernen wir daraus, dass wir das in anderen Situationen auch tun sollten, weil wir dann auf etwaige Schwachstellen drauf­kommen, die wir ausmerzen können, und am Schluss damit insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern gedient ist. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

18.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak, Dr. Noll

Kolleginnen und Kollegen

zum Ausschussbericht 226 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz über die Euro­päische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen (Europäische Ermittlungs­an­ord­nung Verwaltungsstrafsachen – EAO-VStS)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf (188 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

§ 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Besteht Grund zur Annahme, dass die Erlassung der Europäischen Ermittlungs­anordnung nach Abs. 1 für die Zwecke des Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechte des Beschuldigten nicht notwendig oder verhältnismäßig ist, oder stünde die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung, so kann die zuständige Behörde des Anordnungsstaates zur Frage der Wichtigkeit der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung konsultiert und ihre Entscheidung über deren Zurückziehung abgewartet werden.“

Begründung

Zu § 6Abs. 5:

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung soll Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie EEA (Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014 S 1; L 143 vom 9.6.2015, S. 16) umgesetzt werden. Es soll eine aus­drückliche Rechtsgrundlage für das dort vorgesehene Konsultationsverfahren geschaf­fen werden:

Die zuständige innerstaatliche Verwaltungsbehörde, die eine Europäische Ermittlungs­anordnung zur Vollstreckung erhält, soll die ausländische Behörde, die die Ermittlungs­anordnung erlassen hat, rückfragen bzw. konsultieren können, wie wichtig deren Voll­streckung ist, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass

1.        der Erlass dieser Ermittlungsanordnung für die Zwecke des Verfahrens unter Be­rück­sichti­gung der Rechte der von der Ermittlungsmaßnahme betroffenen Person unverhältnismäßig (nicht notwendig, geeignet, sonst adäquat) ist oder

2.        die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde.

Die Anordnungsbehörde soll nach einer solchen Konsultation entscheiden können, ob sie die Ermittlungsanordnung zurückzieht. Diese Entscheidung soll abgewartet werden können.

Im Übrigen wurde in der Sitzung des Verfassungsausschusses im Gegenstand die Fra­ge aufgeworfen, inwieweit die Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung vom Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger beantragt werden kann (vgl. Art. 1 Abs. 3 RL EEA):

Weder im Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, noch im Allge­mei­nen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, ist die Stellung von Beweisanträgen explizit geregelt. Die Möglichkeit der Parteien (bzw. ihrer Vertreter), im Ermittlungsverfahren Beweisanträge zu stellen, ist aber erkennbar vorausgesetzt (vgl. „Beweisanträge“ in § 43 Abs. 2 AVG und § 60 Abs. 2 VStG). Die Behörde hat diesen im Rahmen der geltenden Grundsätze der Amtswegigkeit, der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs entsprechend nachzukommen. In diesem Sinn sind schon die Erläuterungen zur RV (188, vgl. Besonderer Teil. S. 2, Pkt. 1) zu verstehen, wonach „die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen im Verwaltungs­strafgesetz nicht vorgesehen“ ist.

Nachdem folglich Beweisanträge im Verwaltungsstrafverfahren schon nach geltender Rechtslage gestellt werden können, bedarf es keiner spezifischen Rechtsgrundlage nur zum Zweck der Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung.

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jarolim. – Bitte.