18.16

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon mehrmals in der Debatte angesprochen worden, dass gerade dieses Verwaltungsverfahrensgesetz, Verwaltungsstrafgesetz doch eine Entkrimi­nali­sie­rung bringt, auch im Bereich der Verschuldensvermutung; das wurde vom Abge­ordneten Noll angesprochen. Wieso bringt das in dem Fall mehr Rechtsstaatlichkeit? – Weil in Zukunft, wie gesagt, die Verschuldensvermutung bei 50 000 Euro eben nicht gilt, wobei ich dabei ausführen müsste, weil auch die Frage seitens des Herrn Abge­ordneten Jarolim gekommen ist, warum gerade 50 000 Euro: Es ist in eine Richtung gegangen, dass ich dafür eingetreten bin, dass mehr Rechtsstaatlichkeit auch im Verwaltungsstrafrecht geschaffen wird, und man danach getrachtet hat, einen ersten Schritt in Richtung Unschuldsvermutung zu setzen.

Der Grund, warum 50 000 Euro gewählt worden sind, hat mehrere Anknüpfungs­punkte. Der erste Anknüpfungspunkt ist die Exekutionsordnung, wo beispielsweise ein verein­fach­tes Bewilligungsverfahren bis 50 000 Euro durchgeführt werden kann; weiters das Kapitalabfluss-Meldegesetz, wo Kapitalabflüsse über 50 000 Euro meldepflichtig sind; das Schenkungsmeldegesetz, das Finanzstrafgesetz, wodurch bei 50 000 Euro die ge­richtliche Zuständigkeit begründet wird. Es war gleichzeitig auch im alten Strafrecht so, wo sehr viele Vermögenstatbestände beim Betrag von 50 000 Euro angeknüpft haben.

Das heißt, wir haben daher, unter Berücksichtigung dieser Grenzen, einmal 50 000 Euro genommen und gesagt, es soll als erster Schritt in Richtung einer Entkriminalisierung auch des Verwaltungsstrafrechts gehen. In der Folge kann man das evaluieren, um dann im Rahmen der Evaluierung etwa eine weitere Senkung vorzunehmen. Es sind beispielsweise mehrere Beträge genannt worden, 5 000 Euro oder dergleichen. Es wird also sicher seitens meines Ressorts in die Richtung gehen, dass wir voraus­sichtlich in zwei Jahren wiederum eine Evaluierung durchführen werden, um eben hie­bei eine Entkriminalisierung herbeiführen zu können.

Der zweite Punkt, der angesprochen worden ist, ist „beraten vor strafen“. Auch dabei sind wir den Best-Practice-Erfahrungen gefolgt, wie es zum Beispiel im § 9 des Arbeits­inspektionsgesetzes vorgesehen ist, und zwar schon seit Jahren, wo festgelegt ist, dass auch bei Verletzungen – in dem Fall – der Arbeitnehmerschutzvorschriften zuerst zu beraten ist, in der Folge aufzufordern ist, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, um dann, wie gesagt, eben keine Strafe zu erhalten. Genau diesen Weg sind wir auch gegangen, wie es im Rahmen der Entkriminalisierung notwendig ist: Wenn das Ver­schulden gering ist, wenn kein Vorsatzdelikt vorliegt, wenn man nicht schon in der Vergangenheit mehrmals eine Strafe bekommen hat, dass in dem Fall „beraten vor strafen“ stattfindet. Ich glaube, das ist sicherlich ein Weg, der richtig und auch angebracht ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das mit der Intention, wie sie seinerzeit im § 9 des Arbeitsinspektionsgesetzes fest­gehalten wurde, dass man den Beratungsansatz gewählt hat mit der Zielsetzung: Das Arbeitsinspektorat soll in die Richtung gehen, im erforderlichen Umfang mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beraten. Und genau der gleiche Punkt liegt jetzt auch vor.

Ich möchte mich auch bei Ihnen dafür bedanken – da Abgeordneter Jarolim und auch Abgeordneter Scherak das angesprochen haben –, dass im Zusammenhang mit der Europäischen Ermittlungsanordnung die notwendige Verfassungsmehrheit sicherge­stellt wird, denn es ist nunmehr vorgesehen, dass in Zukunft auch Verwaltungs­be­hör­den Europäische Ermittlungsanordnungen ausstellen können. Das bedarf aber einer Validierung, einer Bestätigung durch Gerichte. Den Gerichten, sprich einem Verwal­tungs­gericht, ist es nur dann möglich, die Validierung durchzuführen, wenn sie eben ver­fassungsrechtlich dazu einen Auftrag erhalten.

Die Verwaltungsgerichte sind in der Vergangenheit als Rechtsmittelinstanz eingerichtet worden, und das wäre eine weitere Zuständigkeit, die man ihnen überträgt. Dafür braucht man eine Verfassungsmehrheit, und ich möchte mich dafür bedanken, dass diese Verfassungsmehrheit heute gegeben ist, wodurch die Ermittlungsanordnung in vollem Ausmaß in Österreich Platz greifen kann.

Ein weiterer Punkt ist angesprochen worden: Beschleunigung von Verwaltungs­verfah­ren. Auch dabei gab es einen sehr konstruktiven und gleichzeitig auch vereinnah­men­den Einsatz. Wir sind diesbezüglich sowohl mit allen Landesverwaltungsgerichten als auch dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof zusammen­ge­ses­sen und haben diese Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens in die Wege ge­leitet.

Zum einen gibt es dabei eine Verfahrensförderungspflicht seitens der Parteien und zum anderen auch eine Entscheidungspflicht seitens der Behörden. Das heißt, wenn die Behörde nicht innerhalb von acht Wochen entscheidet, wird das Ermittlungs­ver­fahren, das vorher schon geschlossen war, wieder aufgemacht. Das bedeutet, es ist ein Anreiz da, dass auch die Behörde schnell agiert. Ich glaube, das ist ein Ansatz, dass Verfahren, die in der Vergangenheit mehrere Jahre gedauert haben, in diesem Fall sehr schnell, sehr zielgerichtet und kostensparsam durchgeführt werden.

Ein weiterer Punkt betreffend das Verwaltungsstrafverfahren – auch da gehen wir in Richtung Entlastung der Bürger –: Sie wissen, wenn Sie eine Anonymverfügung be­kommen haben und beispielsweise statt 20 Euro 22 Euro eingezahlt haben, dass dessen ungeachtet das Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden ist, weil eben der Betrag, den Sie erlegt haben, nicht rechtzeitig beziehungsweise nicht ordnungs­ge­mäß eingezahlt worden ist. In Zukunft ist das anders: Wenn eine Staatsbürgerin oder ein Staatsbürger eine Anonymverfügung erhalten und zu viel eingezahlt hat, dann gilt das natürlich. Es wird kein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt, und die Überzah­lung wird entsprechend rückvergütet.

Darüber hinaus ist es in Zukunft auch möglich, einen Einspruch, der gegen eine Straf­verfügung gemacht wurde, wieder zurückzunehmen.

Nicht zuletzt besteht auch dadurch, dass für die einzelnen Deliktstypen klare Strafober­grenzen festgelegt werden können, beispielsweise seitens des Verkehrsministers, die Möglichkeit, dass in Zukunft – egal, ob es in Vorarlberg, in Wien oder in der Steiermark passiert – Delikte, beispielsweise das Nichtanlegen eines Gurtes, in gleicher Höhe bestraft werden.

Das sind die Punkte, die tatsächlich in dieser Vorlage beinhaltet sind, und das ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Zu den Anmerkungen, die in diesem Zusammenhang vom Herrn Abgeordneten Noll gemacht worden sind – er hat unter anderem auf § 9 hingewiesen –, möchte ich sagen, wie im § 5 geht es im § 9 auch um Sorgfaltspflichten, und wir haben das im Zusam­menhang damit erläutert, obwohl – wie Sie das angesprochen haben – § 9 nicht ge­ändert worden ist. Das heißt, die Erläuterungen hinsichtlich der Sorgfaltspflichten sind vorgenommen worden, wir wollten aber in diesem Zusammenhang nicht in den § 9 eingreifen.

Sie haben weiters die Identitätsfeststellung angesprochen. Ich möchte darauf hin­weisen – ein Beispiel ist schon gebracht worden –, dass ein Schwarzfahrer, wenn er in einer Straßenbahn von einem Aufsichtsorgan erwischt wird und nicht bereit ist, sich auszuweisen, aus der Straßenbahn hinausgebeten wird. Wenn die Polizei dann eintrifft und die Straßenbahn schon abgefahren ist, wird der Schwarzfahrer aber nicht mehr auf frischer Tat ertappt und – und das war, wie gesagt, bisher das Problem – eine Iden­titäts­feststellung ist nicht mehr möglich. Das wird in Zukunft mit der vorliegenden Novelle ermöglicht. Wobei ich darauf hinweisen möchte – das wissen auch Sie –, dass gerade in diesem Bereich der Verwaltungsgerichtshof einer sehr engen Auslegung folgt beziehungsweise in diesem Bereich sehr streng ist und es daher auch in Zukunft nicht möglich ist, dass gerade die Polizei diese Bestimmung exzessiv auslegen kann – was aber auch nicht anzunehmen ist.

Darüber hinaus werden mit dieser Novelle folgende EU-Richtlinien umgesetzt: die Richt­linie Dolmetsch, die Richtlinie Rechtsbelehrung, die Richtlinie Rechtsbeistand und die Richtlinie Unschuldsvermutung, wodurch die Rechte der Beschuldigten im internatio­nalen Einklang gestärkt werden.

Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass auch wieder eine Angleichung an das Strafrecht erfolgt: In Zukunft haben auch ehemalige Lebensgefährtinnen und Lebens­ge­fährten einen Aussageverweigerungsgrund, was in der Vergangenheit nicht der Fall war.

Es handelt sich also sicherlich um eine sehr gute Vorlage, eine Vorlage, die Österreich entbürokratisiert und mehr Rechtsstaatlichkeit bringt, und ich hoffe, dass sie daher Ihre Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lettenbichler. – Bitte.