19.10

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Wir haben schon gehört, der Novelle des Urheberrechtsgesetzes kann man im Grunde genommen nur zustimmen, weil es darum geht, dass sehbehinderte und blinde Menschen mehr Möglichkeiten haben sollen, barrierefreie Formate in Anspruch zu neh­men. Dementsprechend bin ich froh, dass das Thema hier weitgehend unstrittig ist.

Wenn wir aber über Urheberrecht reden, dürfen wir auch nicht außer Acht lassen, dass es innerhalb der Europäischen Union momentan eine Situation gibt, die alles andere als unstrittig ist. Es wird morgen im Europäischen Parlament unter anderem über das Verhandlungsmandat im Zusammenhang mit einem Vorschlag für eine Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt abgestimmt.

Im Zusammenhang mit dieser vorgeschlagenen Richtlinie gibt es einen ganz beson­ders umstrittenen Artikel, nämlich Artikel 13, der regelt, dass in Zukunft BetreiberInnen von Onlineplattformen einerseits unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen von ande­ren Leuten, die diese Onlineplattformen verwenden, verantwortlich sind, und der sie darüber hinaus dazu verpflichten soll, mit einer Inhaltserkennungssoftware und soge­nannten Uploadfiltern Inhalte, bereits bevor sie bei dieser Onlineplattform hochgeladen werden, entsprechend auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen.

Das ist an und für sich eine Maßnahme aus längst vergangener Zeit, von der ich ge­hofft habe, dass wir sie hinter uns haben. Das ist eine Maßnahme, die die Mei­nungsfreiheit und die Informationsfreiheit massiv einschränken würde. Man kann es nicht anders nennen: Es ist schlichtweg Zensur, was hier auf europäischer Ebene diskutiert wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Das Problem ist, dass einerseits gar nicht klar ist, ob das technisch irgendwie möglich ist, und dass andererseits nicht klar ist, was hochzuladen denn überhaupt erlaubt sein sollte und was nicht. Daher stehen die Betreiber von Onlineplattformen vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Was mit einer solchen Regelung geschaffen wird, ist eine umfassende Zensurinfrastruktur, und wir wissen noch gar nicht – das ist ja wie immer das Problem –, wofür das in Zukunft unter Umständen verwendet wird.

Was zusätzlich kommen soll und diskutiert wurde, ist das sehr umstrittene Leistungs­schutzrecht, mit dem das Zitieren und Verlinken von Artikeln quasi kostenpflichtig wer­den soll. Es geht darum, dass Onlinedienste die Vorschautexte, die Sie alle kennen, nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellen sollen, sondern dafür Lizenzverträge ab­schließen sollen.

Das ist meiner Meinung nach aus zwei Gründen problematisch: Erstens wissen wir aus der Praxis, dass es dort, wo es schon so war, nämlich in Deutschland und in Spanien, genau nichts gebracht hat. In Deutschland ist es so, dass es Google mit seiner Marktmacht immer noch schafft, dass sie weiterhin die Einzigen sind, die das gratis zur Verfügung stellen können. In Spanien hat es dazu geführt, dass Google einfach Google News abgestellt hat. Das heißt, die Maßnahme war nicht nur nicht sinnvoll, sondern sie hat eigentlich dazu geführt, dass insbesondere kleine und unabhängige Medien massiv beeinträchtigt werden. Das schränkt natürlich nachhaltig auch die Medienvielfalt ein, und das sollte auf keinen Fall geschehen.

Wieso ist das jetzt gerade so wichtig? – Morgen ist die Abstimmung im Europäischen Parlament, bei der es eben um das Verhandlungsmandat des Europäischen Parla­ments mit dem Rat geht. Da Österreich ja jetzt die Ratspräsidentschaft innehat und Sie in diese Trilogverhandlungen gehen werden, ist es besonders wichtig, dass wir dazu eine klare Meinung haben.

Wenn man sich dann einen Brief unseres Kulturministers durchliest, der an die Abge­ordneten des Europäischen Parlaments schreibt und darum bittet, dass wir gemeinsam die historischen Grundsätze, die Achtung der geistigen Schöpfung und ihrer Schöpfer, die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger am geistigen Schaffen hochhalten sollten, und dann meint, dass dieses Leistungsschutzrecht und diese Uploadfilter de facto ein wichtiger und wesentlicher Schritt für Europa sind, dann sage ich Ihnen: Dieser wichtige Schritt, von dem Kulturminister Blümel spricht, bedeutet umfassende Zensur­maßnahmen, und wenn er so etwas in irgendeiner Art und Weise einfordert und auf europäischer Ebene durchzusetzen versucht, dann ist Minister Blümel nichts anderes als ein Zensurminister. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Deshalb ist dieses Thema so wichtig. Ich bringe dazu auch noch einen Ent­schließungs­antrag ein, der insbesondere an die Abgeordneten der FPÖ gerichtet ist – bei der ÖVP habe ich da keine Hoffnung –, weil es nämlich Ihr Generalsekretär Harald Vilimsky ist, der im Europäischen Parlament zu Recht seit Ewigkeiten gegen diese Uploadfilter kämpft; dementsprechend hoffe ich, dass Sie dem auch zustimmen werden.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der anstehenden interinstitu­tionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Mei­nungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einfüh­rung des unverhältnismäßigen Zensur-Instruments der Upload-Filter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen.“

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Meine Damen und Herren insbesondere von der FPÖ, stimmen Sie dem zu, setzen Sie sich für Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit ein und zeigen Sie dem Zensur­minister Blümel, der auf europäischer Ebene offensichtlich dagegen vorgeht, hiermit seine Grenzen auf! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

19.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak, Claudia Gamon, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geän­dert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018 - UrhG-Nov 2018) (222 d.B.) – TOP 14

Aktuell wird auf EU-Ebene der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (2016/0280 (COD)) diskutiert. Artikel 13 des Entwurfs sieht vor, dass Betreiber_innen von Online-Plattformen unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Nutzer_innen verant­wortlich gemacht werden sollen und gemäß Absatz 4 nur dann von der Haftung befreit wären, wenn sie beweisen, dass sie "bestmögliche Anstrengungen" unternommen haben, um urheberrechtlich geschütztes Material nicht zugänglich zu machen. Dem Vor­schlag zufolge sollen also Plattformbetreiber_innen dazu verpflichtet werden, durch „wirksame Inhaltserkennungstechniken“ oder sogenannte „Upload-Filter“ Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung auf eine vermeintliche Urheberrechtsverletzung hin zu überprüfen.

Am 25. Mai 2018 hat sich der Rat der Europäischen Union für die Einführung von Upload-Filtern ausgesprochen und damit die Verhandlungsbasis für die künftigen interinstitutionellen Verhandlungen über die Reform des EU-Urheberrechts zwischen Vertreter_innen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union dargelegt. Am 20. Juni 2018 hat zudem der Rechtsaus­schuss des Europäischen Parlaments für die umstrittene EU-Urheberrechtsreform gestimmt und die interinstitutionellen Verhandlungen mit den anderen Legislativ­orga­nen der EU eröffnet. Dabei kommt der österreichischen Bundesregierung mit Über­nahme des Ratsvorsitzes durch Österreich am 1.Juli 2018 eine besondere Rolle zu.

Dieser Richtlinien-Vorschlag ist jedoch aus grundrechtlicher Sicht höchst proble­ma­tisch. Ein automatisiertes Filtern von Nutzerinhalten vor Veröffentlichung auf Online-Plattformen kommt einer Zensur gleich und greift unverhältnismäßig in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Bürger_innen ein, welche durch Artikel 13 Staats­grund­gesetz, Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention und Artikel 11 EU-Grund­rechte­charta garantiert werden.

Problematisch ist außerdem, dass es bislang keine technische Lösung gibt, die es ermöglicht, urheberrechtlich geschützte und nicht geschützte Inhalte automatisiert zu unter­scheiden, wodurch es zur Blockierung und Löschung legaler Inhalte kommt (etwa bei Satire oder Zitaten). Erschwerend kommt hinzu, dass den Anbieter_innen die Infor­mationen zur Beurteilung der Frage, ob das hochgeladene Material urheberrechtlich geschützt ist oder nicht, fehlen. Dies hat zur Konsequenz, dass Plattformen aus Angst vor Unterlassungsansprüchen im Zweifel mehr Inhalte blockieren werden, als sie tatsächlich müssten. Die Einführung von Upload-Filtern und der damit einhergehende Aufbau einer nur schwer kontrollierbaren Zensur-Infrastruktur birgt darüber hinaus die Gefahr, dass diese Instrumente in weiterer Folge für die Blockierung anderer Inhalte angewendet oder für eigene Zwecke der Anbieter_innen genutzt werden. Die Imple­mentierung von Upload-Filtern würde eine automatisierte Zensur im Internet und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im digitalen Raum bedeuten.

Ein weiterer problematischer Aspekt der im Richtlinien-Vorschlag über das Urheber­recht im digitalen Binnenmarkt enthalten ist, ist das neue europäische Leistungs­schutz­recht für Presseverleger (siehe Artikel 11 des Entwurfs). Dadurch soll das Zitieren und Verlinken von Artikeln im Internet erschwert werden. Konkret sieht das Leistungs­schutz­recht vor, dass Suchmaschinenanbieter und ähnliche Dienste, wie etwa Google News oder Facebook, Titel und kurze Vorschautexte nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Onlinedienste sollen in Zukunft Lizenzverträge mit den Verlagen abschließen, wenn sie deren Inhalte, so z.B. Auszüge von Nachrichtenseiten, anzeigen wollen.

Ähnliche Regelungen bestehen bereits seit 2013 in Deutschland und seit 2015 in Spanien. Doch in beiden Ländern sind nicht die erhofften Ergebnisse eingetreten. Im Gegenteil: Marktführer Google zahlt nicht mehr Geld an die Verlage, denn in Deutschland räumten viele große Verlagshäuser Google eine Ausnahme ein und stellen ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung, da sie sonst aus Google News entfernt worden wären. In Spanien stellte Google seinen Newsdienst hingegen gleich komplett ein. Dies hatte in beiden Ländern die Schwächung von kleineren und unabhängigen Medien zur Folge und führte zu einer Einschränkung der Medienvielfalt. Die Einführung des Leistungsschutzrechts ist daher aus grundrechtlicher und demokratiepolitischer Sicht abzulehnen, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Pres­sefreiheit im digitalen Raum bedeuten würde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der anstehenden inter­institu­tionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Mei­nungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einführung des unverhältnismäßigen Zensur-Instruments der Upload-Filter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.