12.10

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Stefan Pierer, KTM-Chef, hat sich, wenige Tage bevor er seine Großspende für Sebastian Kurz abgeliefert hat, eines gewünscht: die Arbeitszeitflexibilisierung – das sei das Al­lerwichtigste. Mit diesem Initiativantrag heute wird geliefert: der 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche, maximal 8 Stunden Ruhezeit bei geteilten Diensten. Das, was hier passiert, ist nicht nur demokratiepolitisch äußerst bedenklich, das ist auch eine Arbeits­zeitpolitik, die nicht ins 21. Jahrhundert gehört, das ist eine Arbeitszeitpolitik des 19. Jahr­hunderts.

Herr Kollege Strolz, Sie haben das Beispiel mit dem Monteur gebracht. Ich kann Ihnen ganz einfach entgegnen, wie man das anders lösen kann, nämlich durch eine Verkür­zung der Arbeitszeit. Wir schicken nicht einen Monteur hin, wir schicken zwei Monteure hin, dann stehen wir erst gar nicht vor diesem Problem. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Scherak: Oh, jetzt ist der Marxismus wieder da! – Abg. Strolz: Sie sind so was von weit weg von der Praxis, das ist erschreckend! – Abg. Lugar: Wer zahlt den zwei­ten Monteur? – Abg. Höbart: Der Arbeiterkammer-Spezialist!)

Dass dieser Initiativantrag für einen 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche im Interesse der Wirtschaft ist, das verstehe ich ja. (Abg. Deimek: Und dann leisten wir uns die doppelte Mannschaft? Zahlt das alles die Arbeiterkammer?) – Ich werde noch dazu kommen. Wir haben uns den Wohlstand in den letzten Jahrzehnten erarbeitet, sodass wir uns eine Arbeitszeitverkürzung durchaus leisten können. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dass die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung jubeln, ist klar, aber wa­rum die FPÖ da mitgezogen ist, das ist mir unverständlich, hat doch Vizekanzler Stra­che im Dezember noch gesagt: 60 Stunden wird es mit der FPÖ nie geben. (Abg. Gu­denus: Stimmt ja auch! – Abg. Deimek: Ist ja richtig!) Ja, wieder ein Bauchfleck – ei­ner der zahlreichen –, wieder einmal ein Verrat am kleinen Mann. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und wie rechtfertigen Sie diesen Verrat am kleinen Mann nun? – Mit einer Freiwillig­keitsgarantie, die im Gesetz steht. (Ruf bei der FPÖ: Wir sollten der Arbeiterkammer die Beiträge kürzen!) Jetzt werde ich Ihnen einmal erklären, dass ein Gesetz ein Ge­setz ist, aber die Situation de facto ganz anders ausschaut. Zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gibt es ein Machtgefälle. Das wird ja niemand bestreiten können, das ist ja auch der Grund, warum es Betriebsräte gibt, warum es Arbeitnehmerinteressen­vertretungen – Gewerkschaften und Arbeiterkammer – gibt; das liegt in der Natur der Sache. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kirchbaumer, Höbart und Schartel.)

Arbeitnehmer können zwar die 11. und 12. Überstunde ablehnen, aber sie riskieren natürlich, fristlos entlassen zu werden. Die Verhandlungsposition eines Arbeitnehmers entscheidet sich nicht im Gesetz, nicht im Arbeitszeitgesetz, sondern am Arbeitsmarkt. Am Arbeitsmarkt warten 340 000 Menschen auf Arbeit, und wenn ein Arbeitgeber weiß, dass ein Arbeitnehmer nicht bereit ist, die 11. und 12. Überstunde zu leisten, dann weiß er umgekehrt auch, dass mindestens zehn, 15, 20 Arbeitnehmer darauf warten, in diesen Job einzutreten. Aus diesem Grund kann es eine Freiwilligkeitsgarantie nie ge­ben. Wenn darauf hingewiesen wird, dass für den Fall einer Entlassung ein Arbeitsge­richt darüber entscheiden muss, ob das gerechtfertigt war oder nicht, dann muss ich dazu sagen: Na ja, der Arbeitnehmer, der entlassen wurde, muss dann monatelang auf die Entscheidung warten, ob die Entlassung nun rechtmäßig gewesen ist oder nicht.

Frau Ministerin! Sie haben gemeint, dass durch diesen Initiativantrag die durchschnittli­che Zahl der Arbeitsstunden gleich bleiben wird. Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht nach­vollziehen. Ich gehe davon aus, dass die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden steigen wird. Ich gehe aber auch davon aus, dass das, was Arbeitsmediziner sagen, eintreten wird, dass es nämlich zu einem Leistungseinbruch kommen wird, der ja tat­sächlich schon nach 6 bis 8 Stunden auftritt und nicht erst ab der 10. Arbeitsstunde. Genau das ist der Grund, warum eine moderne Arbeitszeitpolitik nicht dazu führen kann, dass man die Arbeitszeit verlängert, sondern dazu führen muss, dass man die Arbeitszeit verkürzt.

Es geht daher schlicht und einfach darum, eine Tatsache zu nutzen, die man interna­tional beobachten kann, dass nämlich Länder mit niedrigerer durchschnittlicher Arbeits­zeit eine höhere Produktivität aufweisen. Dazu gehören zum Beispiel Länder wie Schweden; das ist eines dieser Länder, das erwähnt worden ist. Ein vernünftiger Vor­schlag beginnt daher mit einer Verkürzung der Arbeitszeit. Wir können uns diese Ver­kürzung der Arbeitszeit leisten. Die Arbeitszeit ist seit Mitte der Siebzigerjahre konstant geblieben, die Produktivität ist aber kontinuierlich gestiegen. Genau diese Produktivität fordere ich nun für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Form einer Verkürzung der Arbeitszeit ein, und dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer Arbeitszeitverkürzung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ei­ne Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine

•           schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich sowie eine

•           Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Voll­zeitbeschäftigten

gesetzt werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

12.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend einer Arbeitszeitverkürzung

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 (Antrag der Abge­ordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)).

Begründung

In den letzten Wochen wurde unter dem Schlagwort „Arbeitszeitflexibilisierung“ eine Gesetzesänderung diskutiert, welche zwar die Flexibilität von Unternehmen, kaum aber jene von Beschäftigten erhöht. Merklich erhöht hat sich für letztere nur die maximale Arbeitszeit – auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche. Als Draufgabe wurde auch die bisher notwendige Zustimmung von Betriebsrat und Arbeitsmedizinern gestri­chen. Was als „Anpassung an die moderne Arbeitsrealität“ behauptet wurde, erinnert so tatsächlich eher an die Arbeitsrealität des 19. Jahrhunderts.

Dabei liegen die Argumente gegen lange Arbeitszeiten und zu kurze Ruhepausen seit Jahrzehnten auf dem Tisch – wissenschaftlich fundiert und auch dem von der Regie­rung oft zitierten Hausverstand zugänglich. Das Unfallrisiko steigt. Die physische und psychische Belastung nimmt zu. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, im Falle von Verlet­zungen und stressbedingten Erkrankungen sogar dauerhaft.

Deshalb ist eine Verlängerung der Arbeitszeit nicht nur sozial höchstbedenklich, son­dern auch aus ökonomischer Sicht kontraproduktiv. Jeglicher kurz- oder längerfristige Leistungseinbruch schlägt sich natürlich auch negativ auf die erbrachte Wertschöp­fung. Es ist daher kein Zufall, dass Länder mit einer niedrigeren durchschnittlichen Wo­chenarbeitszeit tendenziell eine höhere Produktivität aufweisen.

Zugleich können sich produktivere Länder auch kürzere Arbeitszeiten leisten. Öster­reich zählt zu diesen Ländern. Seit der letzten flächendeckenden Arbeitszeitverkürzung auf 40 Wochenstunden im Jahr 1975 hat sich das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mehr als verdoppelt. Es ist längst überfällig, die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesen Produktivitätsgewinnen teilhaben zu lassen – sowohl durch höhere Stundenlöhne, als auch durch eine zeitliche Entlastung. Die kürzlich beschlos­sene Gesetzesänderung geht daher in die völlig falsche Richtung. Anstatt die Belas­tung auf bis zu 60 Wochenstunden zu erhöhen, muss das Ziel die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich sein.

Ein vernünftiger Vorschlag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beginnt mit ihrer Verkür­zung – sowohl der Normalarbeitszeit als auch der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Die Details der Arbeitszeitverkürzung soll­ten den Sozialpartnern überlassen sein, wie schon die kürzlich beschlossene Gesetz­änderung nicht an ihnen vorbei und über alle Branchen hinweg hätte beschlossen wer­den dürfen. Zugleich gilt: wann, wenn nicht jetzt! Trotz guter Konjunktur zählen wir über 340.000 arbeitslose Menschen, während unter den Beschäftigten die Zahl der Überlas­teten weiter steigt. Setzen wir jetzt die nötigen Schritte und Anreize, um die bestehen­de Arbeit gerechter zu verteilen. Geben wir den österreichischen Beschäftigten endlich mehr Zeit, sich ausreichend für die zukünftig zu erledigende Arbeit im Zeitalter der Digi­talisierung zu rüsten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ei­ne Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine

•           schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich sowie eine

•           Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Voll­zeitbeschäftigten

gesetzt werden.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Schramböck. – Bitte, Frau Minister.