12.58

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Der Red­ner stellt eine Tafel, auf dem die rot durchgestrichene Zahl 12 innerhalb eines roten Kreises abgebildet ist, auf das Rednerpult. – Ruf bei der FPÖ: Wie bei einer Geburts­tagsfeier für einen Zwölfjährigen!) Ich wende mich an die Wählerinnen und Wähler, insbesondere an jene, die das letzte Mal ÖVP und FPÖ gewählt haben. Warum mache ich das? (Abg. Gudenus: Zum Protestieren! – Ruf bei der FPÖ: Das weiß man nicht!) – Hier stehen die Regierungsparteien und sagen: Es ist eh nicht so tragisch, es passiert ja nichts, es ändert sich ja nichts. (Ruf bei der FPÖ: Zum Besseren!) Wenn sich nichts ändern würde, dann bräuchten Sie das Gesetz nicht. Es wird sich also etwas ändern. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wird sich ändern? (Abg. Kassegger: Sie sind nicht in der Regierung!) Es wird sich ändern, dass eine Grenze verschwindet, auf die sich die Menschen bis jetzt verlassen konnten, dass sie nämlich nach 8 Stunden sagen können: Es reicht, lieber Chef, das muss nicht sein! Diese Grenze verschwindet. Es wird auch diese Grenze von 40 Stun­den verschwinden, es werden 60 sein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe FPÖ, ihr seid doch die, die in Europa immer Grenzen aufziehen wollen! (Abg. Steger: Sie sind doch die, die die Grenze nie geschützt haben!) Warum nehmt ihr den Arbeitnehmern die wichtige Grenze weg, die sie brauchen?

Und der Arbeitnehmer spürt die Grenze in der Früh, wenn er aufsteht: Ich muss in die Arbeit gehen, wenn er im Zug oder im Auto sitzt: Ich muss den Arbeitsplatz erreichen. Wenn er am Abend heimgehen will, braucht er wieder diese Grenze, und wenn er sich ins Bett legt, denkt er an den nächsten Tag. Euer Gesetz wird ihn den ganzen Tag be­rühren, weil ihr ihn grenzenlos dem Arbeitgeber ausliefert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Lugar.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den 100 000 Demons­trantinnen und Demonstranten, denn diese haben schon einen Erfolg erzielt. (Abg. Dei­mek: Nur die Sozialisten! – Abg. Belakowitsch: Die haben Sie alle fünfmal gezählt!) Wenn man euren ersten Antrag ansieht, dann war da überhaupt nichts drinnen, was für Arbeitnehmer nur irgendwie einen Vorteil hätte. Ihr habt sogar ein bisschen nachge­bessert. Das ist auch das, was die schon erreicht haben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Aus diesem Grund bringe ich noch zwei Entschließungsanträge ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsan­spruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitgut­haben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine – wie auch bereits im Plan A vorgesehene – Wahlarbeits­zeit, also ein Rechtsanspruch auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitgut­haben für ArbeitnehmerInnen geschaffen wird.“

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(Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig bringe ich einen Entschließungsantrag ein, damit die Arbeitnehmer wieder zur Ruhe kommen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Er­reichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Re­gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine gerechte Erreichbarkeit des Rechtsan­spruches auf eine 6. Urlaubswoche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer un­abhängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb umgesetzt wird.“

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Abschließend noch einen Satz. Als wir die Leibeigenschaft überwunden haben und die Republik errichtet haben, hat es einen Sozialminister gegeben, der Ferdinand Hanusch geheißen hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Damals hat man den 8-Stunden-Tag eingeführt, damit die Menschen keine Sklaven mehr sind, und Sie wollen das ver­ändern. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Eine sehr schwa­che Rede!)

13.02

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Ver­brauches von Zeitguthaben

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 303/A

Mit der Beschlussfassung der Verlängerung der Arbeitszeit durch Schwarz/Blau wird der 12-Stunden-Tag zur Normalität und ArbeitgeberInnen dürfen einseitig die Verlänge­rung der Tagesarbeitszeit anordnen.

Menschen sind aber keine Maschinen und haben natürliche Leistungsgrenzen.

•        Lange Arbeitszeiten machen krank: Lange Arbeitszeiten führen zu einem höhe­ren Arbeitsunfallrisiko, zu einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauferkrankun­gen, einem Anstieg der Krankenstände und zu gesundheitlichen Problemen in Bezug auf die Aufnahme und den Abbau von gesundheitsschädigenden Arbeits­stoffen im Körper uvm. Das relative Unfallrisiko nimmt bei überlangen Arbeitszei­ten deutlich bis auf 28 % zu. Bei einer Analyse von Fernfahrerunfällen wurde ein 3,5-fach erhöhtes Risiko festgestellt, wenn Fahrer länger als acht Stunden fuhren. Bei körperlicher Schwerarbeit wurde in der Gruppe mit Überstunden 30 % mehr Unfälle als in der Gruppe ohne Überstunden registriert.

•        Schlafqualität verschlechtert sich: Überstundenarbeit wird vielfach mit Schwierig­keiten einzuschlafen bzw. durchzuschlafen und generell mit nicht-erholsamen Schlaf in Verbindung gebracht.

•        Herz-Kreislaufbeschwerden bzw.-erkrankungen nehmen zu: Mehrere Studien zeigen deutlich den Zusammenhang zwischen überlangen Arbeitszeiten und dem Risiko für Herz-Kreislaufbeschwerden bzw. -erkrankungen. Bei einer wöchentli­chen Arbeitszeit von 60 Stunden verdoppelte sich das Herzinfarktrisiko im Ver­gleich zu einer 40 Stunden-Woche laut einer Studie. Auch ein Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und langen Arbeitszeiten ist durch mehrere Studien be­legt.

•        Burnout Risiko steigt: Die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout (BURN AUT) und das Anton-Proksch-Institut Wien (2016/2017) haben im Auftrag des Sozialministeriums eine repräsentative Studie zum Burnout-Syn­drom durchgeführt. Ergebnis u.a. war: Lange Arbeitszeiten sind ein Burnout för­dernder Faktor. Sowohl eine Wochenarbeitszeit über 40 Stunden als auch wech­selnde Arbeitszeitstrukturen können stark negative Auswirkungen auf die Betrof­fenen haben. Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden sollte nur zeitlich begrenzt möglich sein, da es bei andauernder Überschreitung dieser zu einem massiven Anstieg des Burnout-Risikos kommt. Hier sollte nach intensiver Arbeits­belastung auf ausreichende Regenerationsphasen geachtet werden.

•        Ermüdung steigt i.V.m Unfallgefahr: Ermüdungszuwachs während eines Zwölf-Stunden-Tages ist dreieinhalb Mal höher als an einem arbeitsfreien Tag. Die Ermüdung bei zwei aufeinanderfolgenden Zwölf-Stunden-Diensten nimmt weiter signifikant zu. Die Erholung am Tagesrand reicht nicht aus, um die Ermüdung auszugleichen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit je zwölf Stunden Ar­beitszeit müsste man drei Tage freinehmen, um sich vollständig zu erholen. Praktisch bei jedem Menschen – spätestens ab der zehnten Tagesarbeitsstunde erfolgt ein deutlicher Leistungsknick – inklusive erhöhter Unfallgefahr im Beruf oder im Straßenverkehr.

          Erwiesenermaßen geschehen die meisten Unfälle ab der 10. Arbeitsstunde. Nach 12 Stunden Arbeit wird auch der Heimweg zur Gefahr. Rund eine Million Pendler, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, sind länger als eine Stunde täglich unterwegs. Für sie gilt also nicht der 12-Stunden-Tag, sondern mindestens 14 Stun­den Belastung täglich.

All diese – mit zahlreichen Studien – belegten Fakten werden von der Bundesregierung einfach weggewischt und als Gräuelpropaganda abgetan.

Der Gesetzesvorschlag enthält keinerlei Ausgleichmaßnahmen für ArbeitnehmerInnen, um die zusätzlichen Belastungen durch diese Verlängerung der Arbeitszeit abbauen zu können. Erforderlich wäre zumindest ein Rechtsanspruch der ArbeitnehmerInnen für die Festlegung des Verbrauches des durch Überstunden aufgebauten Zeitguthabens, um einseitig festlegen zu können, wann man Zeitausgleich nehmen möchte.

Bereits derzeit haben wir rund 20 Prozent Pensionsantritte aus gesundheitlichen Grün­den und rund 20.000 RehabilitationsgeldbezieherInnen, also ArbeitnehmerInnen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind ihren Beruf auszuüben. Die Gründe für diese hohe Anzahl sind der hohe Arbeitsdruck, die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsstress. Mit der Arbeitszeitverlängerung und dem Recht des Arbeitgebers die Überstunden einfach anzuordnen wird dieser Druck noch mehr zunehmen. Was ge­schieht aber, wenn zu viele ArbeitnehmerInnen dem nicht gewachsen sind? Schwarz/Blau fordert die Anhebung des Pensionsantrittsalters!

Es braucht keine Anhebung des Pensionsantrittsalters, es braucht Ausgleichsmaßnah­men, Erholungsphasen – eine Wahlarbeitszeit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Regierungsvorla­ge zu übermitteln, mit der eine – wie auch bereits im Plan A vorgesehene – Wahlar­beitszeit, also ein Rechtsanspruch auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeit­guthaben für ArbeitnehmerInnen geschaffen wird.“

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubswoche

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 303/A

Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz, das verhindern soll, dass Arbeitnehme­rInnen durch überlange Arbeitszeiten krank werden und sie sich für die Profitmaximie­rung ihres Arbeitgebers kaputt arbeiten müssen. Ein Schutzgesetz, das verhindern soll, dass ihr Privatleben leidet, dass sie ihre Kinder nur zum Schlafengehen sehen und mangelnde Planbarkeit und Vorhersehbarkeit eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung verunmöglichen.

Schwarz/Blau vernichten nunmehr diesen Schutzzweck des Gesetzes indem sie die Verlängerung der höchstzulässigen Arbeitszeit von 10 auf 12 Stunden täglich und von 50 auf 60 Stunden in der Woche beschließen.

Dieser Gesetzesvorschlag beinhaltet keine einzige Verbesserung für ArbeitnehmerIn­nen. Es beinhaltet ausschließliche zusätzliche Rechte für ArbeitgeberInnen.

Es wird weder ein Rechtsanspruch auf einseitigen Verbrauch des Zeitguthabens nor­miert, noch wird eine gerechte Erreichbarkeit des Anspruchs auf eine 6. Urlaubswoche für alle ArbeitnehmerInnen eingeführt, unabhängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb, um einen Ausgleich für die zusätzliche Belastung herzustellen.

Die Regierung behauptet immer wieder, dass es den 12-Stunden-Tag in vielen Berei­chen und für verschiedene Berufsgruppen bereits gibt. Ja, das stimmt, allerdings gibt es dort auch Ausgleichsmaßnahmen. Der Zeitverbrauch wird im Voraus festgelegt, Ar­beits- oder Dienstpläne sind lange im Voraus bekannt und daher planbar, Zuschläge für diese Überstunden sind höher als vom Gesetz vorgesehen. In vielen Branchen gibt es aber auch eine zusätzliche Erholungsmöglichkeit, nämlich die 6. Urlaubswoche, un­abhängig von der Zugehörigkeitsdauer zu einem Betrieb. Beamtinnen und Beamte bei­spielsweise erwerben den Anspruch auf die 6. Urlaubswoche mit der Vollendung des 42. Lebensjahres. Gerechtfertigter Weise, denn mit zunehmendem Lebensalter, er­schwert sich auch das Berufsleben und zusätzliche Erholungsphasen sind erforderlich.

Davon können die meisten ArbeitnehmerInnen nur träumen, denn die Veränderung der Arbeitswelt macht es heute fast unmöglich den Anspruch auf eine 6. Urlaubswoche nach 25-jähriger Zugehörigkeit zu einem Betrieb zu erwerben. Auf Grund der veränder­ten Arbeitswelt, erhöhter Gefahr von Arbeitslosigkeit aber auch der hohen Flexibilität der ArbeitnehmerInnen erreichen nur mehr wenige die erforderliche durchgehende Be­schäftigungsdauer von 25 Jahren in einem Betrieb.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Re­gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine gerechte Erreichbarkeit des Rechtsan­spruchs auf eine 6. Urlaubswoche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unab­hängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb umgesetzt wird.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.