15.54

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatsse­kretärin! Hohes Haus! Heute reden wir wieder über eine Novellierung des Asyl- und Fremdenrechts. Eingangs möchte ich kurz festhalten, dass seit 2005 das Fremden­recht beziehungsweise das Asylgesetz insgesamt 17 Mal novelliert wurde. Heute ist es das 18. Mal.

Da muss man sich natürlich die Frage stellen: Wie sinnvoll ist diese zigmalige Novellie­rung? Man müsste sich auch die Frage stellen, ob denn diese Zersplitterung des Rechts nicht eigentlich zu Rechtsunsicherheit führt und ob wir vielleicht nicht eher eine Gesamtnovelle, eine Gesamtneukodifizierung des Asylrechts und des Fremdenrechts brauchen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Das kommt eh!)

Das steht so auch im Regierungsprogramm. Das sagen auch zahlreiche Expertinnen und Experten. Aber nein, heute beschließen wir wieder eine Novelle.

Auch bei dieser Fremdenrechtsnovelle 2018 hat man sich zwei Ziele gesetzt: Das erste Ziel ist die Verhinderung von Missbrauch. Das zweite Ziel ist die Steigerung von Ef­fizienz vor allem bei asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren. Natürlich muss Miss­brauch rasch aufgedeckt werden, und natürlich brauchen wir effizientere und schnel­lere Verfahren, die aber gleichzeitig auch alle Grundrechtsstandards einhalten. Dieses Gesetz wird diesen beiden Vorhaben aber leider bei Weitem nicht gerecht.

Zum einen gehen die Maßnahmen davon aus, dass von allen Asylsuchenden eine Ge­fahr ausgeht. Die vorgeschlagenen Maßnahmen haben einen strafrechtlichen Charak­ter. Zum anderen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen, wenn man sie in ihrer Ge­samtheit betrachtet, völlig ungeeignet, um die Effizienz der Verfahren zu steigern, da Sie damit den Behörden und den Organwaltern wesentlich mehr Aufgaben aufbürden und für diese Aufbürdung der Aufgaben ein minimaler Erfolg, ein minimaler Output he­rausschaut.

Da möchte ich zwei Punkte in diesem Gesetz nennen, die wesentlich sind.

Erstens: die berühmte Geldabnahme. Den Asylsuchenden soll mitgeführtes Bargeld abgenommen werden. Das soll den Zweck haben, dass die Kosten für die Grundver­sorgung abgedeckt werden, dass sich die Asylsuchenden an den Kosten für die Grund­versorgung beteiligen. Warum ist denn das völlig absurd? – Es ist in meinen Augen deshalb völlig absurd, weil wir ja ohnehin schon ein Gesetz haben, das vorsieht, dass dann, wenn Leute nicht bedürftig sind, dass dann, wenn Leute sich ihre Grundversor­gung leisten können, sie auch keine Grundversorgungsleistungen in Anspruch nehmen können.

Die Menschen, die Grundversorgungsleistungen bekommen, sind bedürftig. Diese Men­schen fliehen vor Tod, vor Verfolgung, vor Folter. Das sind Menschen, die zu Hause ihr letztes Hab und Gut verloren haben (Abg. Jenewein: Wirklich alles?) und das letzte Geld, das sie haben, Menschenhändlern und Schleppern bezahlen.

Warum nehmen wir denn das Geld nicht von den Menschenhändlern und von den Schleppern? Menschenhandel ist die größte, reichste und am schnellsten wachsende Branche weltweit. Da gibt es viel zu holen. Daher müssen wir gegen Menschenhändler und gegen Schlepper vorgehen. Aber da wir diese Organisationen nicht in den Griff be­kommen, nehmen wir jetzt den Bedürftigsten den letzten Notgroschen weg und verlet­zen letzten Endes dadurch auch ihre Grundrechte, indem wir in ihr Eigentumsrecht eingreifen.

Ich möchte auch noch festhalten, dass es bereits Staaten gibt, die dieses Gesetz um­gesetzt haben, die den Geflüchteten auch Bargeld abnehmen, den letzten Groschen, den sie haben. Es hat sich herausgestellt – es gibt dazu Evaluierungsberichte –, dass das am Ende wesentlich teurer kommt, dass es mehr kostet als das, was eingenom­men wurde. Deswegen wäre ich sehr dafür, dass wir nicht Gesetze beschließen, bei denen wir genau wissen, dass nicht mehr rausschaut, als eingenommen wird.

Zweitens: die berühmte Handyabnahme. Den Asylsuchenden sollen Mobiltelefone, Da­tenträger abgenommen werden, um ihre Identität und die Fluchtroute festzustellen. Da­ran ist auf den ersten Blick nichts Verwerfliches, denn der Staat hat ein legitimes In­teresse daran, herauszufinden, wer die Person ist, und der Staat hat auch ein legitimes Interesse daran, Informationen zu sammeln, die ein Verwaltungsverfahren beschleuni­gen könnten. Aber die Wegnahme von Handys, von einem höchst persönlichen Ge­genstand, ist der falsche Weg.

Warum ist die Abnahme von Handys der falsche Weg? – Die Handydaten, die ausge­lesen werden, sind ein komplett unzuverlässiges Beweismittel. Erstens wissen wir aus Erfahrungsberichten, dass diese Handys von verschiedenen Personen verwendet wer­den, sie werden nicht nur von einer Person verwendet. Und zweitens wissen wir auch, dass es ganz einfach ist, Handydaten zu manipulieren. Daher werden diese Beweise vor einem Gericht oder in einem Verwaltungsstrafverfahren nicht halten. (Abg. Rosen­kranz: Wer manipuliert denn? Der Staat?)

Zweitens enthalten Mobiltelefone mittlerweile höchst persönliche Daten und auch höchst persönliche Daten von Dritten, von unbeteiligten Dritten. Eine ungezielte und willkürli­che Auslesung dieser Daten verletzt datenschutzrechtliche Bestimmungen und greift auch in das Recht auf Schutz der persönlichen Daten und auf die Achtung der Men­schenwürde ein. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittens haben wir ja bereits Gesetze, die die Personen verpflichten, bei Verwaltungs­verfahren mitzuwirken; das ist die sogenannte Mitwirkungspflicht. Wir können ja Leute verpflichten, mitzuwirken. (Abg. Yılmaz: So ist es!) – Genau, das gibt es schon. Daher ist dieses Gesetz wieder einmal nur eine populistische Maßnahme. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wie gesagt, dieses Gesetz geht in eine völlig falsche Richtung, denn es trägt nicht dazu bei, das Verfahren zu beschleunigen, und es trägt auch nicht dazu bei, dem Missbrauch vorzubeugen.

Das, was Sie hier liefern, ist eine Aushöhlung unserer europäischen Werte, unserer Solidarität und unserer Grundrechte. (Abg. Jenewein: Nein, nicht unserer Grundwer­te!) Und zu diesen Grundwerten bekennen wir uns. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz.)

16.01

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter.