17.55

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Als im Mai letzten Jahres die Heimopferrente einstimmig hier im Hohen Haus beschlossen wurde, hat man ein Ziel klar vor Augen gehabt, nämlich den ehemaligen Heimkindern für die schrecklichen und menschenverachtenden Behandlungen bis hin zum tatsächlichen Missbrauch, dem sie vielfach ausgesetzt waren, eine späte Wiedergutmachung in Form einer monatlichen Rente zuzuerkennen – wenngleich das Wort Wiedergutma­chung in diesem Zusammenhang wahrscheinlich ein zu großes ist.

Die Kindheitsjahre, die man diesen Menschen gestohlen hat, sind durch nichts zu­rückzubringen und die tiefen Wunden und Verletzungen, die bis heute schmerzen, durch kein Geld der Welt aufzuwiegen; dennoch war es ein großer Schritt, der hier par­teiübergreifend erfolgt ist und der auch zeigt, dass man als Republik bereit ist, Ver­antwortung zu übernehmen, und uns das auch bewusst ist.

In diesem Sinne ist es nur konsequent, hier und heute gemeinsam allen Betroffenen einen Zugang zu dieser Entschädigungsrente zu ermöglichen. Ich freue mich natürlich über den Allparteienantrag.

Ganz besonders möchte ich hier noch einmal die Malaria-Folter-Therapie herausgrei­fen, deren Berücksichtigung in der Novelle speziell meiner Fraktion ein besonderes An­liegen war: Erfunden als Therapie zur Behandlung von Patienten mit Syphilis im End­stadium gab es die vorsätzliche Infizierung mit Malariaerregern eigentlich bis 1927; 1927 ist diese auch mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden. Mit der Entdeckung des Penicillins wurde diese Behandlungsmethode eigentlich obsolet, er­lebte aber speziell in Wien eine zweifelhafte Renaissance. Rund 870 Mal wurde an der Klinik Hoff noch bis Anfang der Siebzigerjahre diese sogenannte Kur verordnet, nun aber nicht mehr bei Syphilis, sondern bei verschiedensten Diagnosen wie unter ande­rem auch bei Intelligenzmängeln, bei Alkoholerkrankungen oder eben bei Kindern und Kleinkindern, um diese zu züchtigen; Kinder, die nicht verstehen wollten, warum sie in einem Heim leben müssen, und dort schikaniert und erniedrigt wurden, sogar Fälle von Dreijährigen sind dokumentiert worden, von dreijährigen Kindern, die absichtlich mit einer Tropenkrankheit infiziert worden sind, Fieberschübe bekommen haben, bis an ihre körperlichen Grenzen gebracht wurden. Das ist einfach unvorstellbar, was da be­trieben worden ist.

Weil es eben tatsächlich Wahnsinn ist, was Menschen da jahrelang angetan worden ist, ist es wichtig, mit dieser Novelle auch einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zie­hen zu können. Wir sind dabei auch fast am Ziel; ich sage, fast, denn die letzten Meter fehlen uns noch. Ich werde diesen Allparteienantrag selbstverständlich gemeinsam mit meiner Fraktion unterstützen, aber uns fehlen noch die letzten Meter. Ich lade Sie des­halb ein, die Anträge, die ich hiermit einbringen möchte, zu unterstützen und mitzutra­gen.

Auf der einen Seite bringe ich einen Abänderungsantrag ein, mit dem Ziel, die Betrof­fenen, die Opfer, nicht weiter zu bevormunden und es ihnen freizustellen, auch den Weg über das Verbrechensopfergesetz zu gehen, um Spätfolgen, wie zum Beispiel ei­nen lebenslangen Verdienstentgang, aufgrund dieser schrecklichen Erlebnisse einkla­gen zu können:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 wird nach Ziffer 3. eine Ziffer 3a. eingefügt:

,3a. Nach § 1 wird folgender § 1a eingefügt:

„§ 1a. Anträge auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz können von Personen, die im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendhei­men des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien bis zum 31. De­zember 1999 Gewalt erlitten haben, ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ohne die zeitliche Beschränkung des § 15k Verbrechensopfergesetz geltend gemacht werden und gelten nicht als Anträge nach diesem Bundesgesetz.“‘

*****

Zum Zweiten bringe ich einen Entschließungsantrag, der auch die Unterstützung der Volksanwaltschaft erhalten hat, ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „der Schaffung einer vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volks­anwaltschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der Rentenkommission der Volksanwaltschaft die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den Mehrauf­wand zu bewältigen, der durch die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten im Zuge der HOG-Novelle zustande kommt.

Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, wie von der Volksanwaltschaft gefordert, eine vierte befristete Stelle wieder zu besetzen.“

*****

Es fehlt nicht mehr viel, meine Damen und Herren, gehen wir den bisher beschrittenen Weg gemeinsam zu Ende: Stimmen Sie zu, wir sind es den Opfern in diesem Fall wirk­lich eindringlich schuldig! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

17.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

zum Initiativantrag 216/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird, in der Fassung des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (229 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 wird nach Ziffer 3. eine Ziffer 3a. eingefügt:

,3a. Nach § 1 wird folgender § 1a eingefügt:

„§ 1a. Anträge auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz können von Personen, die im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendhei­men des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien bis zum 31. De­zember 1999 Gewalt erlitten haben, ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ohne die zeitliche Beschränkung des § 15k Verbrechensopfergesetz geltend gemacht werden und gelten nicht als Anträge nach diesem Bundesgesetz.“‘

Begründung

Durch § 15k VOG wird den Menschen, die bis zum 31. Dezember 1999 Gewalt wäh­rend einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien erlitten haben, das Recht, Ersatz des Verdienstent­ganges nach dem 30. Juni 2017 geltend zu machen, genommen.

Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück, sie haben also auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. § 15k VOG nimmt diesen Menschen jedoch das Recht, einen Ausgleich für den Verdienstentgang, welcher auf der ihnen in den oben genannten Ein­richtungen zugefügten Gewalt beruht, einklagen zu können.

Die neue Bestimmung stellt klar, dass Ersatz von Verdienstentgang nach dem VOG (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) ohne die bisherige zeitliche Beschrän­kung des §15k VOG geltend gemacht werden kann und derartige Anträge nicht als An­träge nach dem Heimopferrentengesetz gelten.

Die Betroffenen sehen die Regelung, die vorsieht, dass ihr Antrag auf Ersatz von Ver­dienstentgang nach dem Verbrechensopfergesetz automatisch in einen Antrag nach dem Heimopferrentengesetz umgedeutet wird, als eine Art zweite Strafe an, da ihnen für Unrecht, das vor 1999 begangen worden ist, ein rechtsstaatliches Verfahren (An­spruch auf Schadenersatz) verwehrt wird.

Wissend, dass die Kriterien des VOG schärfer als die des Heimopfergesetzes sind, sollte der Nationalrat diesen Weg zumindest hypothetisch wieder öffnen. Viele Verfah­ren sind nicht zu erwarten, dieser Beschluss hat in erster Linie symbolische Wirkung. Doch die ist – im Sinne der Opfer – äußerst wichtig.

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

betreffend der Schaffung einer vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft,

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9:

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Abgeord­neten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loa­cker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (229 d.B.).

Begründung

Derzeit erhalten rund 1.700 Personen eine Heimopferrente. Durch die Novelle des Heimopferrentengesetzes könnte die Anzahl der Anspruchsberechtigen jedoch auf bis zu 2.500 Personen ansteigen, da unter anderem bereits abgelehnte Verfahren, welche jedoch nach der neuen Rechtslage nun erfolgversprechend erscheinen, von Amts we­gen wieder aufgenommen werden sollen, also erneut darüber entschieden werden soll – wodurch eine wesentliche Verbesserung erreicht werden konnte.

Diese Ausweitung der möglichen Anspruchsberechtigten bedeutet für die Rentenkom­mission der Volksanwaltschaft natürlich auch einen erhöhten Arbeitsaufwand, weshalb eine vierte Vollzeitstelle erforderlich sein wird. Eine solche zusätzliche Vollzeitstelle hat es bereits für einen befristeten Zeitraum gegeben und erscheint nun wieder zweckmä­ßig.

Bei den Betroffenen handelt es sich um Menschen, die in ihrer Zeit als Kinder und/oder Jugendliche furchtbares Leid erfahren haben. Um ihnen nicht auch noch eine lange Wartezeit für die Bearbeitung ihres Antrages durch die Rentenkommission aufzuhal­sen, muss die Regierung ausreichend Geld für personelle Mittel zur Verfügung stellen, um den erhöhten Arbeitsaufwand in angemessener Zeit bewältigen zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der Rentenkommission der Volksanwaltschaft die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den Mehrauf­wand zu bewältigen, der durch die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten im Zuge der HOG-Novelle zustande kommt.

Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, wie von der Volksanwaltschaft gefordert, eine vierte befristete Stelle wieder zu besetzen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sowohl der Abänderungsantrag als auch der Entschließungsantrag sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.