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Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich war schon als Kind stolz, Österreicherin zu sein. Ich habe damals schon gemerkt und verstanden, dass Österreich ein ganz besonderes Land ist, das sich speziell durch zwei Dinge auszeichnet: erstens eine wunderschöne und intakte Natur, die Verbundenheit der Menschen mit dieser Natur und ein hohes Umweltschutzbewusstsein in der Bevölke­rung; zweitens einen starken Sozialstaat, der sozialen Frieden sichert und in der Lage ist, den Wohlstand einigermaßen gerecht zu verteilen.

In diesen zwei Bereichen genießt Österreich auch hohes internationales Ansehen – oder hat es zumindest lange Zeit genossen, denn dieses Ansehen bekommt leider immer mehr Patzer und Kratzer, denn unsere Bundesregierung erwägt Vorhaben, die dem Umweltschutz gegenüber der Wirtschaft eindeutig Nachrang einräumen.

Die Regierung will – oder besser gesagt: wollte – ein Staatsziel Wirtschaftswachstum in der Verfassung verankern, was unser Verfassungsziel, unser Staatsziel Umwelt­schutz und unsere sozialen Standards in Gefahr bringt. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Meine Kollegin Daniela Holzinger hat über die Sozialstandards, die in Gefahr sind, gespro­chen, ich spreche jetzt über die Umweltstandards.

Gott sei Dank geht es mit diesem Vorhaben nicht so recht voran. Die dafür benötigte Verfassungsmehrheit ist ungewiss. Es hat auch großen Protest und einen Aufschrei in der Bevölkerung gegeben. Jetzt versucht die Regierung den Umweg über das be­schleunigte Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren. In den letzten Tagen gab es auch darüber einen großen Aufschrei in der Bevölkerung.

Seit Dienstag gibt es einen Entwurf eines Standortentwicklungsgesetzes, der durch den Ministerrat ging, in dem drinstehen soll, dass Großprojekte zukünftig automatisch genehmigt werden, wenn ein UVP-Verfahren nicht in 18 Monaten abgeschlossen ist. Diese Art der Fristsetzung hat es bei UVP-Verfahren noch nie gegeben, und man braucht hier nur eins und eins zusammenzuzählen, um zu verstehen, was Sie damit vorhaben, geschätzte Regierung, nämlich UVP-Verfahren in Zukunft so lange zu ver­schleppen, bis ein Großprojekt automatisch genehmigt werden darf. Das ist ein Wahn­sinn! Dieser Angriff auf Umweltrechte würde heute zum Beispiel den Bau von Hainburg und Zwentendorf ermöglichen.

Bitte, spielen wir Umwelt und Wirtschaft nicht gegeneinander aus! Diese zwei Themen gehören sinnvoll miteinander verschränkt. Erkennen wir die Zeichen der Zeit, die Me­gatrends, die Chancen, die in der Bewahrung hoher Umweltstandards liegen, denn zu deren Einhaltung benötigen wir Umwelttechnologie und Know-how nicht nur hier, son­dern in der ganzen Welt, und das bedeutet für uns in Österreich riesige Exportchancen und Zukunftsmärkte.

Zukünftig haben jene Volkswirtschaften die Nase vorn, die genau in diese Sektoren investieren. Der Schaden umweltschädlicher Großprojekte kann nie und nimmer durch kurzfristigen Profit aufgehoben werden, er macht auch nie und nimmer die vergebenen Marktchancen einer Vorreiternation im Bereich der Umwelttechnik wett.

Ich möchte daher die Regierungsfraktionen in aller Freundlichkeit, aber mit Nachdruck auffordern: Sorgen Sie in Ihrer Amtszeit dafür, dass die Burschen und Mädchen, die heute in unserem Land aufwachsen, auch froh und stolz sind, hier zu leben. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

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