21.20

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Nach meiner Vorrednerin begrüße ich Sie wieder im 21. Jahrhundert. (Bei­fall bei NEOS und SPÖ.)

Der Petitionsausschuss hat mittlerweile eine sehr lange Vergangenheit in unserem Ho­hen Haus – kann man sagen – und er hat natürlich wie immer eine Art Spiegelfunktion in der Gesellschaft. All jene Anliegen, die die Menschen tatsächlich beschäftigen, die uns auch im Hohen Haus beschäftigen, die zu intensiven Debatten führen, führen auch zu intensiven Debatten im Petitionsausschuss. Man kann auch sagen, dass das – das würde ich jetzt einmal so in den Raum stellen – in der letzten Periode durchaus leben­diger war als in der dieser Periode.

Ganz im Allgemeinen: Welche Themen haben wir im letzten Petitionsausschuss be­handelt? Ins Auge gestochen ist einerseits das Thema Don’t smoke, also die Petition, die sich mit dem Nichtraucherschutz beschäftigt hat. Diese wurde an den Gesundheits­ausschuss zugewiesen, und zwar einstimmig, mit der Unterstützung aller Fraktionen, allerdings muss man schon auch sagen: reichlich spät! Denn: Die Petition war da, und der Petitionsausschuss hätte diese rechtzeitig an den Gesundheitsausschuss zuwei­sen können. Man hat sich aber damals mehrheitlich darauf verständigt, dass man zu­sätzliche Stellungnahmen einholen möchte und Betreiber der Petition, also die Bürge­rinnen und Bürger, nicht direkt im Gesundheitsausschuss zur rechten Zeit anhört. Da zu sagen, es sei eine einstimmige Entscheidung, ist ein bisschen – na, sagen wir es einmal so – dreist.

Das andere Thema, das mich beschäftigt hat, ist das Postverteilerzentrum in Korneu­burg. Das hört sich sehr regional an, ist auch sehr regional. Es ist aber auch ein per­fektes Beispiel dafür, wie wir Parlamentarismus richtig leben können, wenn wir wollen: dass Menschen und Parlament, Bürgerinnen und Bürger und Parlament, interagieren, sodass tatsächlich auch ein Diskurs entsteht. Dazu müssen wir aber die Themen, die die Menschen im Alltag beschäftigen, auch ins Hohe Haus hereinholen.

Bei diesem Postverteilerzentrum ging es darum, dass einerseits Umweltschutzbeden­ken im Vordergrund gestanden haben, weil ein Logistikzentrum zwischen zwei Natu-ra-2000-Gebieten, in einem Feinstaubgebiet positioniert worden wäre. Das heißt, man hatte tatsächlich sehr konkrete Bedenken, dass Schaden für Mensch, Tier und Umwelt entstehen können.

Es gab dann die niederösterreichische Landtagswahl. Diese Bürgerinitiative war sehr laut, die jetzige niederösterreichische Landeshauptfrau hat damals in Aussicht gestellt, dass dieses Logistikzentrum nicht gebaut wird. Mit diesem Argument hat man auch die Oppositionsparteien in die Schranken gewiesen, und man hat einer Stellungnahme durch das Land Niederösterreich nicht zugestimmt. Das wäre aber von großer Bedeu­tung gewesen, denn die Post hatte nach wie vor eine einjährige Option, mit dem Bau zu beginnen. Das Thema ist noch nicht vom Tisch.

Das bringt mich jetzt auch schon zum eigentlich zentralen Thema des Petitionsaus­schusses. Ich habe es schon öfter, aber ich glaube, in dieser Periode noch nicht in die­ser Deutlichkeit gesagt: Der Petitionsausschuss funktioniert derzeit nur so gut, wie der Wille im Hohen Haus ist. Der Wille im Hohen Haus ist derzeit sehr eingeschränkt.

Man nimmt Themen, man weist sie zu, man versucht, die Debatte auf das Minimum zu reduzieren, man hört die Bürgerinnen und Bürger aber nicht. In der letzten Periode hat das besser funktioniert, weil es eine mehrheitliche Meinung gegeben hat. Wenn wir wollen, dass der Petitionsausschuss tatsächlich funktioniert, dann müssen wir das, was derzeit tatsächlich ein Gutdünken der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist, zu einem Recht der Bürgerinnen und Bürger machen.

Wir müssen – und das ist auch ein Antrag, den ich heute zum Geschäftsordnungsge­setz eingebracht habe – den Petitionsausschuss von Grund auf neu denken. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen in Frage gestellt wird – und damit meine ich ausnahmswei­se nicht die schwarz-blaue Regierung, sondern ganz Europa –, ob Demokratie und der Parlamentarismus funktionieren, sind Instrumente wie der Petitionsausschuss eine Möglichkeit, das Vertrauen in die Politik zu stärken und Menschen einzubinden.

Das funktioniert mit dem Petitionsausschuss, so wie er heute gestaltet ist, nicht. Was beinhaltet mein Antrag für eine solche Reform? – Er beinhaltet einerseits, dass es eine Internetplattform gibt, auf der tatsächlich eine Debatte zu den einzelnen Petitionen und parlamentarischen Bürgerinitiativen stattfinden kann.

Die Kollegen der Freiheitlichen Partei haben das in der letzten Periode noch sehr gut gefunden. Wir wissen, dass eine digitale Debatte wesentlich dazu beitragen kann, das Stimmungsbild der Bevölkerung gut abzubilden. Eine solche Plattform ist beispielswei­se im Deutschen Bundestag seit Jahr und Tag im Einsatz.

Ein zweiter Punkt, den mein Reformvorschlag beinhaltet, ist tatsächlich, dass 500 Un­terschriften für eine parlamentarische Bürgerinitiative dem Parlament nicht mehr phy­sisch übergeben werden müssen, sondern dass eine digitale Signatur reicht. Das ist im 21. Jahrhundert, wenn das durch Sicherheitsmaßnahmen ausreichend gedeckt ist, durch­aus möglich. Auch das gibt es in mehreren Staaten, beispielsweise in Luxemburg.

Ein weiterer Punkt, in dem der Petitionsausschuss aus heutiger Sicht gegenüber allen anderen Ausschüssen im Hohen Haus benachteiligt ist, ist der Umstand, dass Minis­terien nicht antworten müssen. Wenn ein Abgeordneter eine Anfrage an ein Ministe­rium stellt, ist es so, dass man binnen acht Wochen eine Antwort zu erhalten hat. Wenn der Petitionsausschuss um eine Stellungnahme bittet, dann kann das Ministe­rium antworten, muss aber nicht. Es ist in der Vergangenheit öfter passiert, dass das drei oder vier Monate gedauert hat, ganz unabhängig von der Parteifarbe.

Der letzte Punkt ist der – und das ist auch aus meiner Perspektive heraus ganz sicher-lich der wichtigste –, dass es die Möglichkeit gibt, dass Bürgerinnen und Bürger ab ei­ner bestimmten Anzahl von Unterschriften auch im Petitionsausschuss gehört werden. Mir persönlich schwebt die Zahl von 5 000 Unterschriften vor. Natürlich bin ich in Be­zug auf die Größenordnung jederzeit verhandlungsbereit, aber wenn wir das Hohe Haus und den Petitionsausschuss ernsthaft mit Leben erfüllen wollen und wenn wir den Konnex zwischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern und Bürgerinnen und Bürgern auch stärken wollen, dann wäre es ein erster, gewichtiger Schritt, dass man sagt: Jene Petitionen oder jene Bürgerinitiativen, die ausreichend Unterstützung ha­ben, präsentieren ihre Anliegen innerhalb von 10 Minuten vor dem Ausschuss und ha-ben damit unter Umständen auch die Möglichkeit auf eine fünfminütige Debatte mit den Abgeordneten. Das wäre für Österreich revolutionär. Im Rest von Europa, zumindest in West- und Mitteleuropa, ist das schon gang und gäbe.

Ich bitte Sie, diesen Antrag, wenn wir ihn im Geschäftsordnungsausschuss behandeln, mit Wohlwollen zu unterstützen und etwaige andere Reformvorschläge mit auf den Tisch zu bringen.

Der Petitionsausschuss wurde in den Siebzigerjahren gegründet, er hat seit den frühen Nullerjahren keine ernsthafte Reform mehr erlebt. Die Welt hat sich gewandelt, die Menschen in dieser Welt auch, und der Ausschuss sollte es, wie ich finde, ebenfalls tun. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

21.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.