15.37

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich bin froh, dass wir heute über diese Dinge diskutieren können, dass wir uns vielleicht auch einmal darüber verständigen können, was denn tatsächlich Pressefreiheit ist, denn ich habe manchmal das Gefühl, wenn Sie über Pressefreiheit reden, dann reden Sie über alles Mögliche, nur nicht über Pressefreiheit, Herr Scherak. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, dass das auch einmal ein wichtiger Aspekt der Debatte ist. Sie haben sich zwar sehr darum bemüht, hier in einer Art Drama-Queen-Inszenierung in die Fußstap­fen Ihres jetzt ausscheidenden Vorgängers zu steigen, ganz hat es nicht gereicht. Sie sollten mit Herrn Strolz vielleicht gemeinsam in Zukunft ein paar Bäume umarmen. Ich empfehle den Baum der Erkenntnis (Abg. Scherak: Herr Präsident!), Herr Scherak, den Baum der Erkenntnis! (Beifall bei der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, solche Äußerungen zu unterlassen. – Bitte.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl (fortsetzend): Wissen Sie (Abg. Knes: Ei­nes Ministers nicht würdig! – Zwischenruf des Abg. Stefan), ich bin sehr, sehr froh da­rüber, dass Sie genau das angesprochen haben, zu dem es jetzt auch die tatsächliche Berichtigung gegeben hat, weil es sehr schön eine Methode aufzeigt.

Ich habe ja gestern, genauso wie Sie, in großen Schlagzeilen gelesen (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass ich heute zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage nicht hier im Parlament sein werde. Sie haben das gelesen, ich habe das gelesen, dass ich auf der Flucht bin – also Flüchtlinge gibt es hier herinnen schon welche, das sind Immunitätsflüchtlinge, die sitzen dort (in Richtung Liste Pilz deutend), auf dieser Seite des Plenums. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und Liste Pilz.) Ich habe gelesen, dass ich das Parlament ...

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte alle Redner, auch den Herrn Minister, die Würde dieses Hauses zu wahren. Ich bitte darum. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl (fortsetzend): Ich habe gelesen, dass ich das Parlament gröblich missachte. Ich habe mir zwei dieser Meldungen herausge­schrieben, die eine war: „Kickl kneift und geht auf Tauchstation“ – das war eine große Schlagzeile; die zweite war: „Kickl will sich selbst nicht stellen“.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, so weit die Behauptungen und das, was medial vertreten wurde, und die Tatsache ist, dass ich heute hier stehe und Ihren Fra­gen auch eine entsprechende Antwort gebe. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was das eigentlich Interessante daran ist? – Dass es immer genau so vor­gesehen war – immer genau so vorgesehen! (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Ein einziger Anruf in unserem Ministerium jener Journalisten, die das geschrieben haben, hätte gereicht, um diesen Sachverhalt aufzuklären. Wir wären unserer Auskunftspflicht total gerne nachgekommen, um dieses Missverständnis aufzuklären, allerdings ist die­ser Anruf nicht erfolgt. Ich sage Ihnen das, denn: Hätte man dort angerufen, hätte man nebenher den Punkt 2 des Ehrenkodex für die österreichische Presse erfüllt, und die­ser Punkt lautet in der Überschrift: „2. Genauigkeit“. Das ist etwas, wozu sich die Pres­se selbst verpflichtet hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie, Herr Scherak, stellen sich hierher und behaupten jetzt einige Zeit später Dinge, die nicht mehr relevant sind, denn gestern am Abend selbst hat es noch eine Aussendung über die APA gegeben: „Verbindungsdienst im Kanzleramt meldete irrtümlich Kickl-Ent­schuldigung für Dringliche Anfrage der NEOS“. – Was hat also das Innenministerium gemeldet, was habe ich dazu beigetragen, dass Sie sagen können, dass ich mich vor dieser Veranstaltung drücken wollte? – Gar nichts! (Beifall bei der FPÖ.) Sie hören aber nicht auf, weiter die Unwahrheit zu behaupten, und das ist ein Skandal, Herr Scherak! Das ist ein Skandal. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Haider: Scherak soll sich entschuldigen! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Das ist der Punkt, wie hier auch vorgegangen wird. Das ist in gewisser Weise symp­tomatisch, weil man die Dinge dann eben so darstellt, wie sie gut ins Bild passen. Das ist halt dem einen oder anderen lieber als ein Innenminister, der sich dann hier herstellt und tatsächlich die Debatte mit Ihnen in aller Offenheit führt. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Ich hoffe, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf diese persönliche Anmerkung meinen Ausführungen vorausschicken und Sie leiten daraus nicht wieder einen Angriff auf die Medienfreiheit in diesem Land ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir trotz vieler Unterschiede in inhaltlichen Positionen – das ergibt sich schlicht und ergreifend aus der Tatsache, dass Sie eine Oppositionsrolle einnehmen und wir Regierungsarbeit ma­chen und dass es viele Unterschiede in einzelnen Positionen inhaltlicher Art gibt – doch, davon gehe ich aus, das eine oder andere grundsätzlich miteinander gemein ha­ben, und ich denke, dass beim Herausstreichen dieser Gemeinsamkeiten das klare Be­kenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und daraus abgeleitet selbstverständlich auch zur Pressefreiheit ganz, ganz wichtig ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich teile diese Ihre Haltung und ich hoffe, Sie teilen meine Haltung umgekehrt ebenso.

Das ist auch der Grund dafür, dass sich weder gestern irgendjemand hinstellen musste noch heute irgendjemand hier herstellen muss und zur Verteidigung der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit ausrücken muss, die angeblich von mir oder von Mitarbeitern meines Hauses infrage gestellt wird. Ich sage Ihnen eines: Weder die Pressefreiheit noch die Medienfreiheit werden von irgendeiner staatlichen Institution, von irgendeinem Vertreter dieser Bundesregierung oder einem seiner Mitarbeiter in Zweifel gezogen oder infrage gestellt. Das gilt auch für das Bundesministerium für Inneres; das möchte ich gleich am Beginn der Debatte mit aller Klarheit hervorstreichen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich war selbst lange Zeit in Opposition, Herr Kollege Scherak, und ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, dass dann, wenn man irgendwie nicht recht vom Fleck kommt und wenn es in anderen Parteien drunter und drüber geht, weil man nicht weiß, wer auf wen folgt und wer welche Position einnimmt, ein gewisser oppositioneller Modus einsetzt, ein gewisser oppositioneller Impuls entsteht, kleine Dinge möglichst groß aufzuplustern, ein Gespenst an die Wand zu malen, das man dann bekämpft – und je größer das Gespenst ist, desto größer scheint dann derjenige zu sein, der es bekämpft. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Das ist der Modus, mit dem Sie arbeiten. Das Problem dabei ist, dass das mit Sein sehr wenig zu tun hat, dass aber der Schein eine sehr, sehr wichtige Komponente in Ihrer Darstellung spielt. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Differenz von Sein und Schein ist, glaube ich, auch ein guter Aufhänger für die gesamte Diskussion, die wir hier führen (Zwischenruf des Abg. Schieder): Denn wenn jetzt behauptet wird, es gäbe einen Maulkorb, es gäbe eine Infosperre, es gäbe einen Medienboykott oder, so wie ich heute gehört habe, es gäbe einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit, so ist das alles Schein, was Sie hier behaupten, und hat mit dem Sein überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist genauso falsch wie Ihre Ein­gangsbehauptung, dass ich gestern gesagt habe, ich komme nicht hierher, um mich der Diskussion mit Ihnen zu stellen. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Es ist genau die gleiche Qualität in diesen beiden Aussagen.

Die Vorwürfe, meine sehr geehrten Damen und Herren, stimmen aus mehrerlei Hin­sicht nicht.

Erstens: Das Mail, das zitiert wird, ist ein Schreiben des Ressortsprechers an seine Kolleginnen und Kollegen, aber es ist keine Weisung an die Landespolizeidirektionen. (Zwischenruf des Abg. Strolz. – Oh-Rufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es ist keine Weisung. Ich sage Ihnen eines dazu: Glauben Sie denn wirklich, dass Beamte nur in Form von Weisungen miteinander kommunizieren? – Wie weltfremd ist denn so etwas, bitte?! Das ist doch unglaublich, ja, unglaublich. (Beifall bei der FPÖ.) Es kann auch gar keine Weisung sein, weil dieser Mitarbeiter in einer Funktion ist, aufgrund derer er gar keine Weisungen erteilen kann (Ruf bei der SPÖ: Umso ärger!), und alle Empfänger dieses Mails wissen das ganz genau. Das ist kleines Beamteneinmaleins, Herr Abgeordneter Scherak, das man zwar ignorieren kann, aber durch die Ignoranz wird Ihre Behauptung nicht richtiger. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Scherak.)

Der zweite Punkt: Weil man mir immer wieder sagt, ich würde mich hier abputzen wol­len oder ich distanzierte mich von einem Mitarbeiter, muss ich schon eines richtigstel­len: In den Medien ist gestanden, es ist irgendein Geheimpapier, Kickls Geheimpapier, Kickls Boykott oder irgendetwas, und auch jetzt, in der zweiten Zeile Ihrer Begründung steht wiederum drinnen, dass es ein Schreiben meines Kabinetts ist. – Das ist schlicht und ergreifend falsch, was hier behauptet wird! Das ist es nicht. Glauben Sie wirklich, dass ich als Ressortverantwortlicher tatsächlich weiß, wer von den 6 000 Mitarbeitern, die ich in etwa in der Zentralstelle habe, wann wem welches Mail mit welchem Inhalt schickt? Wie realitätsfremd ist denn so etwas, Herr Scherak, was Sie hier behaup­ten? – Absolut realitätsfremd! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich glaube, dass jeder, der so etwas behauptet, noch für keinen einzigen Tag irgendeine Position in einem ähnlichen Apparat eingenommen hat, sonst wäre das schlicht und ergreifend nicht möglich.

Jetzt zum dritten Punkt, zum eigentlich zentralen Punkt, da geht es um die Frage des Inhalts: Es findet sich inhaltlich in diesem circa fünf Seiten langen Text kein einziges Wort in Richtung einer Informationssperre, in Richtung eines Boykotts, wie Sie das im­mer wieder behaupten. Keiner dieser Begriffe kommt darin vor. (Abg. Strolz: Sie müs­sen zwischen den Zeilen lesen!) Wissen Sie, was darin vorkommt? – Darin kommt ei­nes vor, nämlich ein eindeutiger Verweis auf die Notwendigkeit der Erfüllung der recht­lich vorgesehenen Auskunftspflicht – das ist es, was da drinnen vorkommt, das steht drinnen –, und zwar gegenüber allen Medien, auch jenen, die als kritische bezeichnet werden, und selbstverständlich gegenüber der interessierten Öffentlichkeit, was Ihnen offensichtlich weniger gefällt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Lausch: So ist es!)

Lesen Sie den Text durch, lesen Sie ihn durch, lesen Sie ihn sinnerfassend durch, dann werden Sie draufkommen, dass das, was da drinnen steht, das Gegenteil von Zensur ist. (Haha-Rufe bei den NEOS.) Es ist das Gegenteil von Zensur, denn es ist der Verweis auf die Einhaltung der Verpflichtung nach der Auskunftspflicht, die wir ha­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe natürlich mit dem Mitarbeiter gesprochen – selbstverständlich, das macht man in solch einer Situation –, und ich habe ihm auch gesagt, dass diese Formulierun­gen nicht meine Zustimmung finden. Er hat das auch eingesehen. Ich habe ihm auch gesagt, warum. – Weil er mit dieser Formulierung ein Tor aufgemacht hat, das genau diesen Missinterpretationen, die Sie hier tätigen, Raum gibt. Das ist der Fehler in der ganzen Angelegenheit, das ist der Vorwurf, den man ihm machen kann. Das ist unser Teil der Verantwortung, das ist die Seite der Medaille, die uns gehört. Aus dieser Mög­lichkeit dann aber tatsächlich das Unterstellen der bösen Absicht zu machen und die Missinterpretation vorzunehmen, das ist die Verantwortung anderer. Diese Interpreta­tion, der Rechtsstaat sei in Gefahr, dieses Aufplustern, das Ausrufen des Staatsnot­standes, des Angriffs auf die Medienfreiheit, das ist auf Ihrem Mist gewachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, und entbehrt jedweden Tatsa­chensubstrats! (Beifall bei der FPÖ.)

Diejenigen, die das machen, die diese Art der Interpretation und der Verzerrung vor­nehmen, sind dieselben, die mir vor Kurzem unterstellt haben, mit bewaffneten Trup­pen das BVT gestürmt zu haben, dort irgendwelche Daten gestohlen zu haben. Es sind dieselben, die gesagt haben, dass ich dort einen Putsch durchgeführt habe. Es sind dieselben, die noch bis zum heutigen Tag gesagt haben, dass ich das Parlament miss­achte, weil ich jetzt angeblich nicht hier stehen werde, und es sind dieselben, die im­mer wieder behaupten, dass die Abschiebungen, die wir vornehmen, brutal und un­menschlich sind. Ich könnte Ihnen jetzt auch 52 Punkte aufzählen, alles Dinge, die ei­nes gemeinsam haben: dass sie schlicht und ergreifend nicht stimmen! Sie passen in Ihr Konzept, aber es sind keine Tatsachen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass Sie irgendwie selber nicht ganz genau wissen, was Sie wollen, denn jetzt wird es nämlich wirklich paradox, wenn man Ihrer weiteren Argumentation folgt. Zum einen werfen Sie uns vor, dass wir eine angebliche Informationssperre, einen Boykott der Medien ausrufen, die Pressefreiheit gefährden, wo wir doch eigentlich nur sagen: Bitte informiert nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen! Das ist die eine Seite. Und wenn es darum geht, dass wir die Information vermehren, dass wir mehr Transparenz haben wollen, nämlich wenn es zum Beispiel um die Frage der Nationa­lität von Straftätern, von Verdächtigen und von Verurteilten geht, wenn es um die Frage von Sexualstraftaten geht, dann werfen Sie uns plötzlich vor, dass wir zu viel Informa­tion nach draußen geben. Das ist eine seltsame Diskrepanz in der Argumentation, die Sie mir einmal erklären müssen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also auf der einen Seite werfen Sie uns Zensur vor und auf der anderen Seite wollen Sie die Zensur. Das ist ein seltsamer Widerspruch, den Sie nicht auflösen können. Ich verstehe es nicht und ich glaube, dass es auch die Bevölkerung nicht versteht (Abg. Höbart: Die Opposition versteht sich schon selbst nicht mehr!), dass Sie hier offen­sichtlich diesen Kurs fahren, dass Sie glauben, dass wahrscheinlich die richtige Infor­mationspolitik einer Behörde im Zusammenhang mit Straftaten, etwa mit Sexualdelik­ten, so ungefähr in der Methode besteht, dass man so informiert, wie man über die Köl­ner Silvesternacht informiert hat. (Rufe bei der FPÖ: Ja, genau! – Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Ich halte die Berichter­stattung über diese Kölner Silvesternacht für ein unglückliches Kapitel der Medienge­schichte, das sehr, sehr viel Schaden angerichtet hat. In dem Moment, in dem wir transparent vorgehen wollen und diese Informationen auch zur Verfügung stellen wol­len, tun wir das Gegenteil davon, das Gegenteil von Vertuschen und Verharmlosen, was viel zu lange in diesem Land betrieben worden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, weil Sie eines bei der ganzen Diskussion immer ver­gessen: Wenn wir diese Informationen – und wenn Sie das Mail gelesen haben, haben Sie gesehen, dass da ein ausführlicher juristischer Anhang inklusive Höchstgerichtsbe­zug et cetera dabei ist – unter Erfüllung der Auflagen des Persönlichkeitsschutzes hi­nausgeben, dann geben wir sie den Medien, Herr Scherak! Dann geben wir sie den Medien, und die Medien entscheiden dann darüber, was sie mit diesen Informationen machen. Die Medien entscheiden in ihren Redaktionssitzungen, ob sie diese Dinge publizieren oder ob sie sie nicht publizieren. (Abg. Rosenkranz: Das heißt Pressefrei­heit!) Das ist die vollkommene Freiheit der Medien, das ist die Pressefreiheit, von der Sie immer reden. Es ist dann die Verantwortung der Medien, ihren Lesern zu erklären, ob sie diese Seite der Wahrheit oder jene Seite der Wahrheit, einen Teil oder die um­fassende Information nach draußen geben. Das dürfen Sie, bitte, nicht vergessen! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Opferschutz ist mir auch ganz, ganz wichtig, inwiefern aber der Opferschutz nicht ge­währleistet sein soll, wenn man die Nationalität eines Sexualstraftäters sozusagen mit in die Information hineingibt, das müssen Sie mir einmal erklären, denn das erschließt sich niemandem, außer denjenigen, die glauben, sie müssen über eine verfehlte Zu­wanderungspolitik und deren negative Konsequenzen die ewige Tuchent spannen! Ich glaube, dass das der falsche Weg ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf ersuchen, die Fragen zu beantworten. Die Redezeit ist schon weit fortgeschritten.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl (fortsetzend): Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Scherak, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Das, was wir hier tun, ist das Gegenteil von Zensur. Es ist das Erfüllen eines Transparenzbedürf­nisses der Bevölkerung. Die Menschen haben ein Recht auf umfassende Information. Wir bieten es den Medien an, die Entscheidung liegt in der Hand der Medien, es ist ihre Freiheit. Unsere entsprechenden Richtlinien im Haus werden vor diesem Hintergrund, auch weil es um andere Unschärfen geht, überarbeitet. Das ist im Übrigen der eigent­liche Kern dieses Schreibens, aus dem Sie sich immer auf ein paar Sätze kaprizieren.

Ich komme damit zur Beantwortung Ihrer 52 Fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zur Frage 1:

Der Ressortsprecher des BMI, Christoph Pölzl.

Zur Frage 2:

Nein, für das Schreiben gab es von niemandem einen Auftrag.

Zur Frage 3:

Nein.

Zu den Fragen 4 bis 6:

Ein Plan, dieses Schreiben zu verfassen, war mir, der Frau Staatssekretärin und dem Herrn Generalsekretär nicht bekannt. Ich selbst, die Frau Staatssekretärin und der Herr Generalsekretär haben am 24.9.2018 von der Existenz dieses Schreibens erfahren.

Zur Frage 7:

Am 19.9.2018, um 14.17 Uhr.

Zur Frage 8:

An die Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der neun Landespolizeidirektionen beziehungs­weise deren Vertreter in zwei Bundesländern.

Zur Frage 9:

Es gibt dazu keinen kabinettsinternen Ablauf, weil Verwaltungsabläufe durch die Sek­tionen und nachgeordneten Behörden des BMI selbständig und eigenverantwortlich er­ledigt werden.

Zur Frage 10:

Nein.

a.: Nein.

b. und c.: Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten selbstverantwortlich im je­weiligen Bereich.

d.: Wie in allen anderen Bereichen gibt es auch in der Kommunikation Vorgaben für die tägliche Arbeit, in diesem Fall insbesondere den Erlass für die interne und externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Inneres und der nachgeordneten Behörden und Dienststellen.

Zur Frage 11:

Als Innenminister wird mir sämtliches dienstliche Verhalten der Beamtinnen und Beam­ten des BMI zugerechnet; auch dann, wenn ich nichts davon weiß oder der Vorgangs­weise nicht zustimme.

Zur Frage 12:

Gemäß Geschäftseinteilung des BMI vom 1. Juli 2018 ist die Abteilung I/5, Kommuni­kation, für die Koordination und Wahrnehmung der internen und externen Kommunika­tion und Öffentlichkeitsarbeit des Innenressorts einschließlich Koordination der Kom­munikationsteams auf Landesebene zuständig. Der Ressortsprecher kann daher dies­bezüglich keine Weisung erteilen.

Zur Frage 13:

Wie bereits in der Frage 12 ausgeführt, erteilte der Ressortsprecher keine Weisungen an andere Verantwortliche im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Grundsätzlich können Wei­sungen aber sowohl mündlich als auch schriftlich erteilt werden. Es gibt diesbezüglich keine Formvorschriften.

Zur Frage 14:

Dadurch, dass dem Absender keine Weisungsbefugnis zukommt.

Zur Frage 15:

Keine.

Zur Frage 16:

Der Erlass für Öffentlichkeitsarbeit enthält diesbezügliche Vorgaben, dennoch waren Fragen offen. Aus diesem Anlass werden jetzt neue Richtlinien erarbeitet.

Zur Frage 17:

Ich gehe davon aus, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Haus regel­mäßig über die Umsetzung der sie jeweils betreffenden Arbeiten austauschen.

a.: Im Detail liegen dazu keine Informationen vor. Die Kommunikation meiner Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit kann und soll auch nicht überwacht werden. Wichtig ist, dass sie auf Grundlagen der Gesetze erfolgt.

b.: Zu befolgen sind nur Weisungen.

Zur Frage 18:

Nein.

Zur Frage 19:

Nein.

Zur Frage 20:

Ich habe bereits persönlich ein klärendes Gespräch mit dem Ressortsprecher geführt. Ich habe vermittelt, dass die Pressefreiheit unantastbar und ein wesentlicher Grund­pfeiler einer demokratischen Gesellschaft und mir daher ein vertrauensvoller Umgang mit allen Medien wichtig ist.

Zur Frage 21:

Die Adressatinnen und Adressaten des gegenständlichen Schreibens kennen die Er­lasslage im BMI; einige haben sich auch bereits in diesem Sinn öffentlich geäußert. Natürlich haben zudem die Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der neun Landespolizeidirek­tionen Kenntnis von meiner öffentlichen Stellungnahme erhalten. Außerdem hat der Präsidialchef meines Ressorts alle Leiter der Öffentlichkeitsarbeit in den Bundeslän­dern bereits zu einer Besprechung ins BMI eingeladen, um noch einmal im Detail auf die geltende Erlasslage hinzuweisen.

Zur Frage 22:

Aufgrund meines Gesprächs mit dem Ressortsprecher hatte ich den Eindruck, dass es ihm um einen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zu Fragen ging, die sich auf­grund der täglichen Medienarbeit ergeben hatten.

Zur Frage 23:

Ich habe den Ressortsprecher über seine Kompetenzen sowie die Erlasslage zur Öf­fentlichkeitsarbeit des BMI belehrt, wie auch der zuständige Präsidialsektionschef im BMI.

Zur Frage 24:

Grundsätzlich ist mir wichtig, dass über alle mein Haus betreffenden Themen sachge­recht und dann kommuniziert wird, wenn es dafür entsprechende Grundlagen gibt.

Zu den Fragen 25 bis 30:

Die Basis für die Ausführungen des Ressortsprechers bilden, wie bereits erwähnt, des­sen persönlichen dienstlichen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Medien seit Ju­ni 2018. Diese Erfahrungen sind mir naturgemäß nicht bekannt. Darüber hinaus würde es sich um Meinungen und Einschätzungen handeln, die nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht unterliegen. Sollten diese Wahrnehmungen den Tatsachen ent­sprechen, wähle ich den Zugang, diesen mit den betroffenen Medien im Diskurs abzu­arbeiten. Eine öffentliche Abhandlung entspricht nicht meinem Amtsverständnis von vertrauensvoller Zusammenarbeit.

Zur Frage 31:

Gar nicht.

Zur Frage 32:

Das BMI hat grundsätzlich nie die Hoheit über die redaktionelle Berichterstattung von Medien.

Zur Frage 33:

Ich sehe es nicht als meine Aufgabe im Rahmen der Vollziehung an, die Berichterstat­tung in Medien zu bewerten. Zur subjektiven Wahrnehmung des Ressortsprechers ha­be ich ihn, wie bereits erwähnt, entsprechend belehrt und ihn darauf hingewiesen, wel­chen Wert die Pressefreiheit in einer Demokratie hat und wie wichtig mir daher ein ent­sprechender Umgang mit allen Medien ist.

Zur Frage 34:

Es ist nicht meine Aufgabe, im Rahmen der Vollziehung die Arbeit von Medien zu be­werten.

Zur Frage 35:

Ich habe bereits ausgeführt, dass mir ein vertrauensvoller, professioneller Umgang mit allen Medien wichtig ist.

Zur Frage 36:

Darüber werden keine Aufzeichnungen geführt. Derartige Entscheidungen werden von den Landespolizeidirektionen eigenständig getroffen.

Zur Frage 37:

Darüber werden keine Aufzeichnungen geführt. Hintergrundgespräche mit Journalisten gehören jedoch zum Alltagsgeschäft von Kommunikationsmitarbeitern.

Zur Frage 38:

Dass der Verdacht der Voreingenommenheit in gewissen Fällen durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich etwa anhand der aktuellen Berichterstattung. Bereits durch die Betitelung im „Kurier“: „Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“, oder im „Standard“: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“, wird der falsche Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich von mir stammen oder seien in meinem Auftrag geschrieben worden. Tatsächlich war ich weder Auftraggeber noch Empfänger der in Rede stehenden Mail, ebenso wenig wie ein Mitglied aus meinem Kabinett.

Zur Frage 39:

Diesbezügliche Kriterien gibt es nicht.

Zur Frage 40:

Selbstverständlich. Fakt ist aber auch, dass die Auskunftspflichtgesetze – eines als Bundesgesetz für die Behörden des Bundes und die von den Landtagen beschlosse­nen Gesetze der einzelnen Bundesländer – dieses Grundrecht konkretisieren und so­mit das durchsetzbare, subjektive Recht auf Auskunftserteilung sicherstellen.

Zur Frage 41:

Nein.

Zur Frage 42:

Ja.

Zu den Fragen 43 und 44:

Grundsätzlich gibt es im BMI und im Justizministerium eine sehr ähnliche Erlasslage. Im Zuge der Erstellung beider Erlässe gab es auch einen Austausch zwischen den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im BMI gilt natürlich der eigene Erlass zur Öffentlichkeitsarbeit.

Zur Frage 45:

Ja.

Zur Frage 46:

Wie schon angeführt, hat das Schreiben keinen Weisungscharakter. Die Frage spielt daher für den Vollzug keine Rolle.

Zu den Fragen 47, 50, 51 und 52:

Im Vorfeld von Medienarbeit ist in jedem Einzelfall deren Wirkung auf die Öffentlichkeit und insbesondere zu prüfen, ob Interessen und Gefühle von Opfern und Angehörigen Betroffener und der Schutz ihrer Privatsphäre angemessen berücksichtigt werden. Das ist im geltenden Erlass zur Öffentlichkeitsarbeit des BMI so festgelegt.

Demgemäß sind im Vorfeld und bei der Medienarbeit insbesondere folgende Punkte zu beachten: die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Auskunftspflicht, die Erfordernisse des Datenschutzes, die Wahrung von Urheber- und Bildnisschutzregelungen und die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit.

Was Frage 51 betrifft, so hatte in diesem speziellen Fall der Ressortsprecher zudem den Eindruck einer unterschiedlichen Handhabung bei der Öffentlichkeitsarbeit und wollte diese entsprechend ansprechen.

Zur Frage 48:

Das kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden.

Zur Frage 49:

Grundsätzlich trägt Transparenz zu einem realitätsnahen Bild bei. Daran besteht so­wohl vonseiten der Bevölkerung als auch der Medien ein berechtigtes Interesse. Ich darf etwa an die Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Polizei nach der Sil­vesternacht in Köln 2015 erinnern. Zitat: „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitge­hend friedlich“. – Zitatende. So lautete die Überschrift der Mitteilung, die die Kölner Poli­zei am Neujahrsmorgen 2016 verschickte.

„Der Spiegel“ bewertete dies wie folgt – Zitat –: „Das Problem war nur, dass die Silves­ternacht in der Domstadt alles andere als friedlich verlaufen war. Hunderte Frauen sol­len teilweise massiv sexuell bedrängt und genötigt worden sein, als tatverdächtig gel­ten vor allem Flüchtlinge aus Nordafrika. Die Empörung war gewaltig, die Pressemel­dung hatte enorme Folgen.“ – Zitatende. Plötzlich sei man die Lügenpolizei gewesen, klagte ein Beamter.

Wir im Innenministerium befinden uns wie auch die Medien in einem Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Verantwortung. Da den optimalen Weg zu gehen, sehen wir als Kernaufgabe unserer Kommunikation, und wir werden versuchen, dem künftig noch besser gerecht zu werden. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Ein Mann, ein Wort! Das war großartig!)

16.03

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kris­per. – Bitte.