16.37

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme es mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis, dass ich gleich mit einem angemesse­nen freiheitlichen Krawall begrüßt werde. (Abg. Höbart: Onkel Alpbach!) Kein Pro­blem, aber kommen wir einmal zur Sache und zum Grundsätzlichen, Herr Bundesmi­nister, bevor ich versuche, mit Ihnen Details dieses Mails zu besprechen. (Heiterkeit des Abg. Rosenkranz.)

Überall in Europa passiert, wenn die extreme Rechte in Regierungen kommt, egal ob das in Rom, in Budapest oder in Wien ist, dasselbe. Sie hat drei Ziele (Abg. Gudenus: Haben Sie wieder einen Magenpilz aufgerissen?): Das erste Ziel ist die Übernahme des Sicherheitsapparates und hier vor allem des Geheimdienstes, weil er für sie ge­fährlich ist. Das zweite Ziel ist der Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Das dritte Ziel ist der Angriff auf die Unabhängigkeit der Medien und der Presse.

All das ist derzeit in Österreich im Gange. (Ruf: Geh bitte!) All das verfolgen wir im Parlament – nicht nur in der Opposition, sondern auch viele Kolleginnen und Kollegen in der Volkspartei – mit Sorge. All das sind Gründe für parlamentarische Untersuchun­gen (Abg. Rosenkranz: Kollege Pilz, am Heldenplatz sind auch gerade die Marsmen­schen gelandet!), und all das sind Gründe, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter nicht nur der Medien und der Justiz zur Wehr setzen. – Das ist das Erste. (Ruf bei der FPÖ: Stellen Sie sich den Gerichten!)

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe im Untersuchungsausschuss Ihren Oberst Preiszler gefragt: Können Sie sich vorstellen, dass unter der Führung eines dschiha­distischen Polizeiobersts eine Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz stattfindet? Können Sie sich vorstellen, dass unter der Führung eines linksextremen Obersts im Verfassungsschutz eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird? – Oberst Preiszler hat mich verständnislos angelacht, bis zur dritten Frage: Warum ist es dann aber möglich, dass unter der Führung eines rechtsextremen Obersts, der wahrscheinlich selbst vom Verfassungsschutz beobachtet wird, im Verfassungsschutz eine politisch motivierte Hausdurchsuchung stattfindet? (Abg. Martin Graf: Schlimm wird es, wenn man die ei­gene Propaganda zu glauben beginnt!)

Damit komme ich kurz zur Justiz und dann gleich zu den Medien. – Das Ganze, die Machtübernahme der extremen Rechten in Bundesregierungen funktioniert nur, wenn es genau diese Kontrollmöglichkeiten gibt, und da sind unabhängige und kritische Me­dien ein ganz, ganz großes und entscheidendes Hindernis. Deshalb hat es dieses Mail gegeben. Und es hilft kein Herumreden: Dieses Mail (der Redner hält Ausdrucke in die Höhe) des Kabinettspressesprechers Pölzl ist eine Weisung (Abg. Rosenkranz: „Kabi­nettspressesprecher“ ist falsch!), und weil diese Weisung von einem Kabinettsmitarbei­ter erteilt worden ist, ist diese Weisung rechtlich eine Ministerweisung. (Abg. Gudenus: Der hat keine Ahnung, der Pilz!)

Ich habe heute mit zwei Juristen aus der Rechtssektion des Innenministeriums gespro­chen (Abg. Rosenkranz: Aha!), und die haben mir bestätigt: Ja, sie sehen das auch als Ministerweisung. (Abg. Gudenus: Anonym, oder?) Wir werden das durch berufene Juristinnen und Juristen klären lassen müssen (Abg. Gudenus: Ja, ja, Dr. Pilz!), und wenn es notwendig ist, das wird mein Klubkollege Alfred Noll noch genauer erläutern, wird auch zu klären sein, ob hier ein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliegt. Ich schließe das, um das ganz vorsichtig zu formulieren, derzeit nicht aus.

Was ist mit dieser Ministerweisung beabsichtigt worden? – Ich komme zu einem Schlüs­selbegriff, und der heißt „Exklusivbegleitungen“. Das ist kein Escortservice (Abg. Gu­denus: Sind wir lustig auch heute? – Abg. Belakowitsch: Das ist Ihre Welt!), sondern das ist etwas anderes. Ich lese es Ihnen vor:

„Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien“ – also den nicht regierungsnahen und der Regierung folgenden Medien, insbesondere „Kurier“, „Standard“ und „Falter“ – „auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu be­schränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.“

Das heißt, in einer Ministerweisung steht drinnen (Ruf: Das ist keine Weisung! – Abg. Steger: Das sind so anonyme Quellen?!): „Exklusivbegleitungen“, wahrscheinlich zu Wega-Schießübungen, wie es manchmal vorkommt (Abg. Rosenkranz: Ich glaube, das sind immer die inneren Stimmen, die Sie hören! – Ruf: Geh, hör auf jetzt!), zu Ver­haftungen von Asylwerbern oder Asylwerberinnen und, und, und. (Abg. Steger: Ano­nyme Quellen!) Exklusivbegleitungen bei Polizeieinsätzen werden als Zuckerl verteilt (Abg. Rosenkranz: Jetzt erscheinen dem Herrn Pilz die Sektionschefs schon im Traum!) für linientreue Journalisten und Journalistinnen. Das Entscheidende ist, dass (auf die Ausdrucke weisend) hier drinnen bereits die Gegenleistung steht. Keine Kickl-Leistung ohne Gegenleistung, und die Gegenleistung steht hier: neutrale oder positive Berichter­stattung.

Wenn Sie heute in der Früh oder in den letzten Tagen Zeitungen – nicht ganz großfor­matige Zeitungen – aufgeschlagen haben, sind Ihnen Artikel aufgefallen, in denen steht, dass das einer der besten Innenminister aller Zeiten ist (Ruf bei der FPÖ: Na schauen Sie sich um!), dass er völlig zu Unrecht beschuldigt wird, dass sich eigentlich die Oppo­sition schuldig macht, weil sie im Verfassungsschutz etwas aufklären will, was längst aufgeklärt ist, und dass das keine Machtübernahme, sondern die Verfolgung eines die­ser Verfolgung hilflos gegenüberstehenden Innenministers ist? Lesen Sie so etwas (Ruf: Freie Medien!) und lesen Sie dann, wie Journalisten dieses Zuschnitts wieder live von Wega-Schießübungen berichten, von Verhaftungen, von Blaulichteinsätzen? – Das ist Geschäft und Gegengeschäft, und das hat in einem Ministerium nichts verloren! (Bei­fall bei der Liste Pilz. – Zwischenruf des Abg. Gudenus. – Abg. Rädler: Kein Applaus!)

Das heißt gleichzeitig, dass alle, die nicht mitmachen, die nicht ins Kickl-Geschäftsmo­dell passen, ausgeschlossen werden und einen Nachteil haben. Sie haben einen wirt­schaftlichen und journalistischen Nachteil, weil sie über vieles (Abg. Steger: Bitte kriti­sieren Sie endlich das Sperren ... von Facebook!), was im Bereich konkreter Sicher­heitspolitik passiert, nicht berichten können, von der Berichterstattung ausgeschlossen sind. Das hat Folgen, und das wird sich jede Redaktion überlegen.

Damit komme ich zum nächsten Punkt (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steger), und es ist schade, dass die Fragen in der Dringlichen Anfrage in diesem Punkt nicht ganz präzise waren. Ich hätte gerne gefragt, wie es so etwas gibt, dass betreffend einen Fernsehsender – ich sage es hier in aller Deutlichkeit, ich habe größten Respekt vor der journalistischen Arbeit der Kolleginnen und Kollegen bei ATV, und ich glaube, dass es ihnen nicht recht ist und nicht recht sein kann, was in diesem Mail steht – und be­züglich einer behaupteten Vereinbarung hier steht, dass diese mit einem Fernsehsen­der geschlossen worden ist, dass es „Live PD – die österreichische Polizei Samstag abends im ATV“ geben soll.

Und dann steht da weiters: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Dann folgt die grundsätzliche Einteilung: Donnerstag und Freitag: Begleitung Wega; Montag und Dienstag: Begleitung Landesverkehrsabteilung, abwechselnd Tirol, Salz­burg, Niederösterreich; Mittwoch: Tatortgruppe oder Bereitschaftseinheit Oberöster­reich, Steiermark; Donnerstag: Abnahme in der Landespolizeidirektion Wien.

Das heißt, die Beamten kriegen bei ihren Einsätzen gleich mit: Da ist das Fernsehen dabei: Bitte schön, Action, wir müssen etwas herzeigen! Wir bestimmen den Studio­gast, wir bestimmen das Thema, und am Donnerstag wird in der Landespolizeidirektion Wien abgenommen.

Herr Minister Kickl, ich möchte wissen: Wer genau nimmt ab? Wie wird abgenommen und wie schaut das aus? (Abg. Gudenus: Sagt derjenige, der sich in Amtshandlungen einmischt! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es ist ja immer hinter Ihrem Rü­cken, wenn dann ein Wiener Polizeibeamter sagt: Nein, das geht nicht auf Sendung, sondern wir hätten statt dieser Szene lieber ein Ministerinterview. – Ist das Abnahme, so funktioniert das? Das ist Pressefreiheit? So stellen Sie sich Pressefreiheit vor? – Das ist Gängelung, das ist Anfüttern, das ist Drangsalieren und das ist versuchtes Gleichschalten der Presse! (Abg. Rosenkranz: Anfüttern ist schon der Vorwurf einer strafbaren Handlung, aber das ist ja diesem Gauner da wurscht!)

Ich sage noch eines dazu, weil KollegInnen von den NEOS und von der SPÖ hier un­absichtlich einen falschen Eindruck miterweckt haben: Der Minister hat heute keine Er­klärung zur Pressefreiheit abgegeben, er hat eine Erklärung dazu abgegeben, dass oh­nehin alles passt!

Ich sage Ihnen eines: Es gibt (eine Tafel in die Höhe haltend) ganzseitige Inserate des Innenministeriums. Diese ganzseitigen Inserate erklären, was wir tun sollen, wenn es einmal ganz gefährlich wird. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Da heißt es: „Wenn es möglich ist, flüchte ich. Ich lasse meine persönlichen Sachen zurück, weil diese mich behindern können.“ – Das haben Sie schon hinter sich, speziell in der BVT-Ge­schichte.

Beim zweiten Punkt heißt es verstecken: „Wenn flüchten unmöglich ist, verstecke ich mich. Ich verriegle und blockiere Türen, stelle mein Handy lautlos“ (Abg. Rosenkranz: Aber leider können manche Frauen mit Ihnen nicht aus dem Lift aussteigen! – Ruf: Das Taferl sollten Sie ...! – Ruf: Machen Sie sich nicht lächerlich!), „schalte die Vibra­tionsfunktion aus und verhalte mich leise.“ – Auch das haben Sie, speziell bei der Af­färe BVT, längst hinter sich. (Abg. Gudenus: Die Frauen können Sie nur anrufen, wenn Sie da sind!)

Und es stimmt, Sie sind heute im Parlament, weil Sie bereits bei Stufe drei sind: Letzte Konsequenz: Verteidigen! (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) „Wenn flüchten sowie verstecken nicht möglich sind, ich noch nicht in Sicherheit bin, also die Gefahr gegen mich noch andauert, dann verteidige ich mich, als letzte Konsequenz.“

Es fehlt nur ein Kästchen, nämlich das Kästchen Nummer vier, und das heißt Rücktritt. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.) Die letzte Konsequenz, Herr Bundesminister, - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte das Schlusswort! Sie sind schon eine Mi­nute über der Redezeit.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Sie sind geflüchtet, Sie haben sich ver­steckt, Sie sind dabei, sich ein letztes Mal zu verteidigen. (Ruf: Sie kennen das schon!) Die nächste Station kommt demnächst, möglichst bald: Ihr Rücktritt, Herr Kickl, als In­nenminister. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Hafenecker: Sagt der Gastritis-Flüchtling Pilz! – Abg. Martin Graf: Marxisten-Grapscher!)

16.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Frau Abgeordnete Belakowitsch zu Wort. – Bitte.