17.27

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatsse­kretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Verzeihen Sie, dass ich vorhin noch ein wenig gebraucht habe, Frau Präsidentin, aber das Bild, das Frau Kollegin Griss gezeichnet hat, ist überschießend, es ist verzerrend. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Kollegin Griss, gerade Sie in Ihrer Richterverantwortung wissen ganz genau um die Macht der Worte. Im Altgriechischen gibt es ein Sprichwort, das heißt: Die Zunge ist oft schärfer als ein Schwert. Wenn Sie hier mit Behauptungen und Geschichten Szenarien zeichnen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren (Abg. Lausch: Unfassbar! Unfassbar!), dann nützt das Ihrer Argumentation nicht, sondern Sie richten damit am Bewusstsein gegenüber der Vergangenheit einen Schaden an. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Mediensprecher der neuen Volkspartei ist mir eines ganz wichtig: Heute hier in der Sitzung war von allen eines ganz klar zu hören – von allen, die hier gesprochen haben, von allen hier vertretenen Parteien –: ein klares Bekenntnis zur Pressefreiheit. Die Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler einer liberalen Demokratie. Das eint uns alle, wie wir hier sitzen, und das ist ein positives Bekenntnis in dieser Diskussion. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Anlass, das E-Mail, hat genau zu den Reaktionen geführt, die notwendig und rich­tig waren. Es gab eine Klarstellung des Bundeskanzlers, der gesagt hat: Ausgrenzung von Medien kommt nicht infrage. Es gab eine Klarstellung des Medienministers, der das verstärkt hat und gemeinsam mit der restlichen Bundesregierung sehr viel tut, da­mit Österreich hinsichtlich Pressefreiheit sogar eine Vorreiterrolle übernimmt, auch das sollte man erwähnen, denn: Man hat die Redaktionen aus der Datenschutz-Grundver­ordnung herausgenommen, um die Pressefreiheit zu fördern. Man ist dazu überge­gangen, die Digitalsteuer neu zu diskutieren, damit mehr Meinungsfreiheit unter den Medien herrscht. Das tut diese Bundesregierung, und das ist wichtig für das Thema Pressefreiheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt könnte man der Meinung sein, das ist nicht genug. Der Herr Bundesminister für Inneres hat heute klar Stellung genommen (Abg. Leichtfried: Ja!), hat sich ausführlich den Fragen gewidmet. (Abg. Leichtfried: Ja, das überhaupt!) Der Mitarbeiter, der das Mail verfasst hat, hat sich dafür auch öffentlich entschuldigt. – So weit, so gut aus mei­ner Sicht. So weit, so gut für die Volkspartei. So weit, so gut auch für den Bundespräsi­denten.

Wenn Sie von der SPÖ aber jetzt hier mit Krokodilstränen die Meinungs- und Presse­freiheit so heraufbeschwören, dann gestatten Sie mir doch auch einen Blick in die neu­ere Geschichte. Da gibt es nämlich ganz interessante Einblicke, die man dann gewinnt.

Ich weiß nicht, ob die Damen und Herren hier auf der Galerie oder zu Hause vor den Fernsehgeräten gewusst haben, dass seit dem Jahr 2007 der Bruder des derzeitigen Generaldirektors Wrabetz des ORF, des mächtigen ORF, nämlich mächtig in der Mei­nungsbildung, immer in Kabinetten von SPÖ-Bundeskanzlern gedient hat. – Ist das die Distanz, die man haben sollte? (Abg. Kuntzl: Was soll das? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Stellen Sie sich so ein Szenario bei unserer Bundesregierung vor! Da würden Sie genauso und auch noch lauter schreien! Aber dazu höre ich nichts, das ist für Sie selbstverständlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Da bleibt so­gar der Zwischenruf beim Jarolim stecken!)

Aber einen tiefen Einblick, wie ernst Sie es meinen, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, gibt auch der E-Mail-Verkehr aus dem Jahr 2016 zwischen Tal Silberstein und dem Kommunikationschef der SPÖ. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: Kennen Sie die Cousine vom Herrn Kickl?) Das, was Frau Kollegin Steger schon angesprochen hat: Der Bundeskanzler außer Dienst, jetzt Abgeordneter Kern war damals mit dem „Bürgerforum“ des ORF unzufrieden. Dann hat man sich beraten, was man tun kann – und man möchte gar nicht glauben, was in dem E-Mail alles drinnen steht. Mit klaren Konsequenzen droht man dem ORF, mit Interviewentzug. (Ruf bei der SPÖ: Schreien Sie nicht so!) – Ja, da werde ich wirklich laut, denn Doppelbödigkeit ist das Übelste in der Demokratie, und die beweisen Sie in diesem Fall. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Damit man sich auch die Tonalität vergegenwärtigen kann: Unter dem Titel „Weiterer Umgang mit dem ORF nach Bürgerforum“ ist „eine schärfere Gangart“ gegen den ORF angesagt: Absage des Neujahrs-ZIB2-Interviews, keine „Pressestunde“. Wir machen all das nicht, um „Verhaltensänderungen“ zu produzieren, und die produzieren wir „nur durch Konsequenz“. Dafür fördern wir mehr die Privaten. (Abg. Höbart: SPÖ, zuhören! „Schärfere Gangart“!)

Das ist Ihr offenes Verhältnis zum Thema Medienfreiheit, Pressefreiheit? Sie stellen sich hier heraus und klagen an? Mit welchem Recht? – Ich höre nichts. (Abg. Höbart: SPÖ, wir hören nichts!) Das ist alles nachweislich, tatsächlich passiert! – Ein eigenar­tiges Verständnis zum Thema Pressefreiheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als es Ihnen unangenehm war, dass die Tal-Silberstein-Affäre in die Öffentlichkeit ge­kommen ist, haben Sie schnell dazu Stellung genommen, aber Sie haben gleichzeitig auch die Medien, die damals die Tal-Silberstein-Affäre aufgedeckt haben, von dieser Pressekonferenz ausgeschlossen. Das ist das Verhältnis der SPÖ zu den Medien. Und Sie stellen sich heraus und klagen an? – Ja, Kollege Schieder schüttelt wieder den Kopf, er muss sich halt mit den Vorgängen in seiner eigenen Partei konfrontieren. (Abg. Rädler: Darum musste er gehen! – Ruf bei der FPÖ: Der Schieder hat ja nichts mehr zu sagen!)

Aber gestatten Sie mir auch noch ein Wort zu Dr. Pilz, der sich hier herausgestellt und auch wieder Anklage geführt hat. Wissen Sie, was ich mir immer wieder denke, Herr Kollege Pilz, wenn ich Sie da draußen sehe? – Wie schmerzbefreit müssen Sie eigent­lich sein?! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wie schmerzbefreit müssen Sie sein, wenn Sie sich hier mit einem Inserat herausstellen, das das Innenministerium publiziert, um Men­schen zu schützen? Ich glaube, Sie denken keine Sekunde daran, dass die Opfer Ihrer sexuellen Übergriffe diese Parlamentsdebatte verfolgen, das sehen und all das, was auf der Tafel steht, nicht machen konnten. Und Sie stellen sich hier heraus und klagen wieder an?! (Abg. Rauch: Doppelbödig! Doppelzüngig!) Welches Selbstbild haben Sie von sich selbst, um sich für sich selbst das Recht herauszunehmen, zu moralisieren? – Aus meiner Sicht geht sich das nicht aus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aber Pressefreiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist tatsächlich ein erns­tes Thema – und wir haben es auch in Europa, wir haben es sogar in der Europäischen Union. In der Slowakei wurde ein Journalist ermordet, auf Malta eine Journalistin. In Rumänien, sozialdemokratisch regiert, wird auf Journalistinnen und Journalisten einge­prügelt. (Ruf bei der FPÖ: Ui!) Da müssen wir uns wirklich Sorgen machen und für die Pressefreiheit in Europa kämpfen. Das sind wirkliche Probleme. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl. – Abg. Jarolim: Ungarn! Orbán und Kurz!) – Ich weiß, dass Ihnen das unan­genehm ist, aber Sie werden erst dann glaubhaft, wenn Sie sich genau diesem Pro­blem stellen und diese Vorkommnisse genauso attackieren.

Gestatten Sie mir auch noch ein Wort zum neuen Bundesgeschäftsführer, ehemaligen Medienminister Drozda! Ich gratuliere Ihnen erstens zur neuen Aufgabe (Abg. Drozda: Danke!), freue mich auf unsere gemeinsame Zusammenarbeit. Sie selbst waren aber einer derjenigen, die Bundeskanzler außer Dienst, jetzt Abgeordneten Kern dazu er­muntert und unterstützt haben, das Pressefoyer abzuschaffen. Sie wollten dann statt­dessen Debriefings einführen – Sie können sich sicher noch daran erinnern –, bis zu dem großen Protest der Journalistinnen- und Journalistengewerkschaft. Das ist also Ihr Verständnis von Medienfreiheit. – Diese Bundesregierung hat das Pressefoyer wieder eingeführt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aber stellen wir das Einende über das Trennende: Heute in der Sitzung war immer wie­der die Rede davon, und zwar von Vertretern und Vertreterinnen aller Parteien, dass die Pressefreiheit für uns ein ganz wichtiges Gut ist. Nehmen wir das gemeinsam an und kämpfen wir dafür in Österreich und vor allem auch in Europa weiter! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.36

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Präsidentin Doris Bures: Es liegt mir eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung von Herrn Klubobmann Zinggl vor. – Bitte.