12.45
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Oberlehrerhaft, weit weg vom Lebensgefühl der Menschen – das ist die neue Doppelspitze der NEOS, so haben Sie sich heute präsentiert, Frau Kollegin Meinl-Reisinger und Herr Kollege Scherak! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Schieder.)
In einem gebe ich Ihnen recht: Mit Europa spielt man nicht! Da haben Sie recht, wir sehen das genauso. Aber, Kollege Schieder, man spielt auch nicht mit der Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher! Das ist für uns genauso wichtig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Das glauben ... euch nicht!)
Ja, wir wollen ein Europa, das schützt! Und wenn es die Europäische Union nicht schafft, die Außengrenzen entsprechend zu schützen, dann ist unsere Bundesregierung gefordert. Es wäre fatal, würde die Bundesregierung nichts machen. 2015, das darf es nie mehr geben in Österreich! Das ist unser Ansatz! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Diese Bundesregierung handelt im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher, davon bin ich fest überzeugt, wenn sie zurzeit auf Grenzkontrollen gegenüber Ungarn – gegenüber Ungarn ist es notwendig, meine Damen und Herren –, gegenüber Slowenien – das sage ich Ihnen als Steirer – nicht verzichtet (Zwischenruf des Abg. Wittmann), denn der, der das Lebensgefühl und die Sorgen der Menschen nicht ernst nimmt, der handelt nicht nur gegen die eigene Bevölkerung, sondern der richtet auch für die EU einen großen Schaden an. Das ist meine feste Überzeugung.
Ich bin ein überzeugter Europäer, das können Sie mir glauben, und nichts ist wichtiger als das Vertrauen der Menschen in dieses europäische Projekt. Das hat Minister Blümel sehr, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Uns geht es um eine positive Weiterentwicklung der Europäischen Union, nach schweren Krisen, die diese Union durchzumachen hatte. Natürlich war die Finanzkrise eine schwere Krise, danach kam die Flüchtlingskrise, eine schwere Krise, der Brexit ist auch eine krisenhafte Erscheinung. (Abg. Schieder: Und jetzt ...!) Wir wollen, dass sich dieses Projekt positiv weiterentwickeln kann. Das Wichtigste dabei ist das Vertrauen der Menschen. (Abg. Scherak: Das Wichtigste ist schon der Rechtsstaat auch, oder?)
Vielleicht sind Sie weiter weg von den Menschen als manche Landeshauptleute. Ich sage Ihnen, Kollege Schieder (Rufe bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger: Der Schieder hat noch gar nichts gesagt!), was vor wenigen Tagen Landeshauptmann Niessl zu diesem Thema gesagt hat: „Es geht nicht nur darum, der Bevölkerung ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten“, sagt Niessl, „sondern auch darum, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, das der realen Sicherheitslage deutlich hinterherhinkt, zu heben“. – Ich teile die Ansicht Ihres Landeshauptmannes. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Er ist ein erfahrener Politiker, der Grenzen kennt, denn lange hatte er eine tote Grenze zu Ungarn. Nehmen Sie seitens der SPÖ solche Worte ernst! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ja, natürlich ist es unser Ziel, dass wir keine Grenzkontrollen mehr haben, na selbstverständlich (Abg. Leichtfried: Das glaube ich nicht! Das ist nicht Ihr Ziel! Ihr wollt das auf Dauer! Ihr tut nichts dergleichen ...!), aber der Schlüssel ist ein effizienter Schutz der Außengrenzen, und diesen Schlüssel haben wir noch nicht gefunden. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Wir sind erst bei der Entwicklung, dabei, Frontex eben besser aufzubauen. Für uns war und ist Europa natürlich immer ein Herzstück, und daher kämpfen wir auch so dafür, dass diese einzigartige Errungenschaft, dieser grenzenfreie Schengenraum bald wieder Wirklichkeit wird; aber das kann erst dann passieren, wenn Frontex tatsächlich funktioniert.
Wir sind der Auffassung, dass wir gemeinsam alles tun müssen, damit das Vertrauen der Menschen in diese Europäische Union ja nicht durch einen Rückfall – Stichwort 2015 – geschwächt wird. Frau Kollegin Meinl-Reisinger, vielleicht wollten Sie heute einen bewussten Punkt setzen, um sich auch von Ihrem Vorgänger abzunabeln, wenn ich das so sagen darf. Ich darf Ihnen Matthias Strolz ins Gedächtnis rufen. Strolz erklärte am 29. August 2017 gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“: „Wenn die Kontrolle an den EU-Außengrenzen nicht funktioniert, bin ich für Kontrollen [...]“. Das hat er auch beim „Sommergespräch“ und auch in der Tageszeitung „Die Presse“ wiederholt. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ich gebe Ihnen gerne die Zitate.
Genauso interessant wäre für mich aber auch – nach mir kommt ja Kollege Schieder zu Wort –, ob für die SPÖ das, was ihr Klubobmann Kern vor nicht einmal zwei Monaten gesagt hat, noch gilt. (Abg. Belakowitsch: Nein, das gilt nicht mehr! Den Kern gibt’s ja nicht mehr! – Abg. Rosenkranz: Wer ist Kern? Wenn es wir nicht wissen, wie soll es die SPÖ wissen?) Kern hat am 20. August – ja, das tut Ihnen vielleicht weh – in einem „Profil“-Interview gesagt: „Ja, wir wollen die Kontrolle“ an Österreichs „Grenzen [...]“. – Gilt das zwei Monate später unter der neuen Klubobfrau noch? – Sie werden mir darauf hoffentlich Antwort geben. (Abg. Belakowitsch: Nein, das glaube ich nicht!) Wir werden sehen.
Schauen Sie, wir wollen offene Grenzen im Schengenraum, aber wir müssen die Realität sehen – diese aber haben Sie verschwiegen: In Griechenland sind heuer bis Oktober 38 597 Menschen neu angekommen, in Italien 21 313 Menschen und in Spanien 44 419. Wenn mehr als 100 000 neu in Europa ankommen, dann heißt es, wachsam zu bleiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir sehen den Schutz der EU-Außengrenzen als eine Grundvoraussetzung, um dieses Jahrhundertprojekt – da haben Sie hundertprozentig recht – eines grenzenfreien Schengenraums wieder mit Leben erfüllen zu können. Und wir sind nicht die Einzigen – das darf ich Ihnen auch noch sagen –, die das so sehen. Wir sind da auf einer Linie mit Frankreich – und Macron ist ja nicht so weit weg von Ihnen; die Franzosen waren am 2. Oktober die Ersten, vor uns, die das der Kommission bekannt gegeben haben (Abg. Scherak: Alles, was die Franzosen sagen, ist per se gut?); ich brauche das nicht zu wiederholen, Bundesminister Blümel hat es sehr deutlich gesagt –, mit Deutschland, mit den Dänen, den Schweden – die eine sozialdemokratisch geführte Regierung haben! (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist keine Begründung!) – Doch, das ist eine Begründung (Ruf: Wieso? – Abg. Meinl-Reisinger: ... die anderen auch?), weil wir, die Deutschen, die Schweden mehr Last zu tragen haben als alle anderen in der Europäischen Union (Beifall bei ÖVP und FPÖ) und weil wir genau wissen, dass uns niemand den Vorwurf machen kann, dass wir nicht solidarisch sind. Es sind genau jene Staaten, die die größte Last tragen, die zu diesem Schluss kommen, dass momentan die Binnengrenzen zu schützen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Warum kontrollieren wir nicht die italienische? Warum nicht die italienische?)
Meine Damen und Herren! Unsere Grundhaltung ist ganz eindeutig: Dort, wo ein Mehrwert gegeben ist, wollen wir europäische Lösungen und kämpfen dafür. Es gibt aber auch Bereiche, wo Nationalstaaten, wo Regionen zu besseren Ergebnissen kommen. – Das ist unser Verständnis von der Europäischen Union, so wie es die Gründerväter hatten. Ganz wichtig ist dabei das Subsidiaritätsprinzip. Ja, wir wollen eine starke Europäische Union dort, wo wir sie brauchen – und dazu gehört der Schutz der EU-Außengrenzen. Wir sind da ganz klar in unserer Haltung: klar proeuropäisch, aber auch klar für die österreichische Bevölkerung und deren Interessen! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)
12.52
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Andreas Schieder. (Abg. Wurm: Der Spitzenkandidat!) – Bitte.