13.43

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Was ist letzte Woche passiert? – Rechtskon­servative Minister in Österreich, Deutschland und Dänemark haben die Verlängerung der Binnengrenzkontrollen bekanntgegeben. (Abg. Gudenus: Sapperlot!) Der deut­sche Innenminister Seehofer von der ÖVP-Schwesterpartei CSU hat gemeint, die Voraus­set­zungen für eine Verlängerung des Grenzschutzes an den Binnengrenzen sind gegeben. Was sind denn die Voraussetzungen für die Verlängerung oder für die Kon­trollen an Binnengrenzen? Artikel 23 des Schengener Grenzkodex legt es ganz genau fest, da steht nämlich, wir brauchen „eine [...] schwerwiegende [...] Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“. Schauen wir uns doch die Zahlen an. Können wir denn tatsächlich von einer schwerwiegenden Bedrohung sprechen? Mein Klubkollege Peter Pilz hat die Zahlen heute ganz genau erklärt. (Abg. Deimek: Der Pilz ist eine schwerwiegende Bedrohung!)

An der Grenze zwischen Steiermark und Slowenien wurden dieses Jahr ganze zehn Per­sonen aufgegriffen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich nehme keine schwerwie­gende Bedrohung der inneren Sicherheit wahr.

Am Rande des Innenministerrates erklärte Bundesminister Kickl, dass er die Aufgabe habe, dem Sicherheitsgefühl der österreichischen Bevölkerung gerecht zu werden. (Abg. Leichtfried: Der Herr Kickl ist schon eine Bedrohung für das innere Sicher­heitsgefühl!) Dafür seien Grenzkontrollen ein gutes Mittel, meinte er. Ich finde das deswegen so interessant, weil es dem Innenminister offensichtlich nicht darum geht, seine Politik an Zahlen, Daten und Fakten zu orientieren, sondern er orientiert seine Politik an Gefühlen. Anstatt das Sicherheitsgefühl tatsächlich zu verbessern, setzt er auf Symbolpolitik. Er hetzt gegen alles, was fremd ist. Er hetzt gegen Minderheiten und spaltet die Gesellschaft in Österreich. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn hingegen das Sicherheitsgefühl in Österreich tatsächlich besser zu werden scheint – und das belegen die Zahlen eindeutig –, dann nimmt er Geld in die Hand, um die Menschen wieder zu verunsichern. An der Grenze zwischen Österreich und Slowenien werden teure Grenzschutzübungen durchgeführt, die über eine halbe Million Euro gekostet haben. (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört! – Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Er hat mit dieser halben Million Euro sicherlich einiges dazu beige­tragen, den zehn aufgegriffenen Personen einen ordentlichen Schrecken einzujagen. Des Weiteren hat unsere Bundesregierung 49 Millionen Euro investiert, um die Gren­zen Österreichs vor 600 Flüchtlingen zu schützen. Ist das Geld wirklich gut investiert? (Abg. Leichtfried: Ich glaube nicht! – Abg. Belakowitsch: Ich glaube schon! – Abg. Deimek: Die Mehrheit der Österreicher sagt Ja! Aber ihr seid ja nicht die Mehrheit!)

Wäre es nicht sinnvoller, dort zu investieren, wo die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich gefährdet ist? Wissen Sie, was das größte Sicher­heitsrisiko in Österreich ist? Das ist die häusliche Gewalt. Hier müsste der Innenminis­ter viel mehr tun, um gegen häusliche Gewalt anzutreten. (Abg. Gudenus: Was wollen Sie denn? Kameras zu Hause?) – Er müsste viel mehr Geld in die Hand nehmen, um Gewalt vorzubeugen, um in Opferschutz zu investieren. Stattdessen kürzt er wichtige Schulungen in der Polizeiausbildung, die von den Frauenhäusern zur Verfügung ge­stellt werden. (Abg. Leichtfried: Sehr gute Logik!)

Aber in einem Punkt gebe ich Ihnen allen recht: Der Grenzschutz ist wichtig. Es ist wichtig, einen ordentlichen und gut funktionierenden Grenzschutz zu haben, der dafür sorgt, dass Migration gelenkt und gesteuert wird (Beifall bei der Liste Pilz), der dafür sorgt, dass diejenigen, die flüchten, registriert und versorgt werden und auch rasch eine Entscheidung bekommen, ob sie hierbleiben dürfen oder nicht. Ja, das alles brauchen wir, aber wir brauchen das an der Außengrenze – an der europäischen Außengrenze! Da muss jeder einzelne EU-Staat die Solidarität leben und diesen Grenz­schutz ordentlich ausstatten. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch wenn vernünftige Maßnahmen nicht sofort sichtbar sind, sind sie dennoch richtig. Wenn wir endlich erkennen, dass wir in einer großen europäischen Familie leben, die gemeinsam ihr Haus – also die EU – absperrt (Abg. Gudenus: Tut sie das?), dann brauchen wir auch nicht jedes einzelne Zimmer der Wohnung abzusperren. Wir brauchen es auch nicht zu versiegeln und mit teuren Alarmanlagen auszustatten, denn das Haus ist ja abgesperrt.

Um es frei nach Churchill zu sagen: Wir können Europa nur dann vom endlosen Elend und von internen Konflikten und vom Nationalismus befreien, wenn wir auf die euro­päische Familie vertrauen. Und das ist heute aktueller denn je. (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Dieses gemeinsame Vertrauen brauchen wir, um uns globalen Herausforderungen erfolgreich zu stellen. Zu diesen Herausforderungen zählt aber nicht nur die Migration. Dazu gehört auch die nächste Finanzkrise, die Steuerflucht, aber auch die Heraus­forderung der Digitalisierung und generell der Globalisierung, denn jeder soll von der Digitalisierung und von der Globalisierung profitieren können. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Statt uns abzuschotten, unsere eigenen Grenzen hochzuziehen und den engen Horizont der nationalen Interessen zu verfolgen, ver­folgen wir doch wieder ein gemeinsames Projekt! Dieses Projekt hat bewiesen, dass es funktioniert. Es hat uns den Frieden und den Wohlstand gebracht. In den letzten Jahrzehnten haben wir gekämpft, damit wir alle, die europäische Familie, zusammen­wachsen. Wir haben eine Gemeinschaft der Werte aufgebaut. Wir haben eine Ge­meinschaft der Grundrechte, eine Gemeinschaft der Freiheit und der gemeinsamen Soli­darität. In diesem Europa haben wir gefeiert, wenn Grenzen abgebaut wurden. Wir haben gefeiert, als Mauern eingerissen wurden. Wir haben gefeiert, dass Brücken gebaut werden. Auf dieses Europa bin ich stolz, und dieses Europa werden wir uns nicht zerstören lassen. (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Wir können uns nun gemeinsam entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Aber für mich gibt es nur einen Weg, und der liegt in einer solidarischen Europäischen Union, in der es zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten keine Binnengrenzen gibt. Daher, liebe Regierung: Überwinden Sie Ihre eigenen inneren Grenzen, denn wir brauchen ein starkes und ein gemeinsames Europa! – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

13.50

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeordneter.