14.12

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Prä­sidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bürgerinnen und Bürger! Herr Bundes­minister! Danke an die NEOS, dass sie dieses Thema aufgreifen und wir es in dieser Sondersitzung gemeinsam behandeln können. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, überraschenderweise sind Sie nicht hier; deshalb: Sehr geehrter Herr Bundesminister Blümel! Kollege Schellhorn hat ja vorhin davon gesprochen, dass sich ein Großteil der Anwesenden im Raum für EU-Außengrenzschutz ausspricht. Ja, auch ich bekenne mich dazu. Heute aber geht es um den völlig nutzlosen, teuren und EU-rechtswidrigen Grenzschutz im Schengenraum.

Europa stehen schwere Zeiten bevor. Der Klimawandel, Brexit, die soziale Ungleichheit und nicht zuletzt die massive Spaltung der Bevölkerung bezüglich des Umgangs mit Neue-Heimat-Suchenden, all das sind Themen, die in den nächsten Jahren zur Zufriedenheit aller behandelt werden müssen, um das Projekt Europa in eine stabile, friedliche und erfolgreiche Zukunft führen zu können. Nur gemeinsam schaffen wir es, all diese Herausforderungen zu meistern.

Unsere Regierung sollte danach streben, Europa zu einen – vereint in seiner Vielfalt – und den Geist der Kooperation zu stärken. Stattdessen werden weiter Ängste geschürt, wird die unsägliche und gefährliche Spaltung unserer Gesellschaft verschärft und be­wusst vorangetrieben. Es werden Hilfsorganisationen, deren Mitarbeiter Menschen­leben im Mittelmeer retten, kriminalisiert und die Grenzen innerhalb der Europäischen Union kontrolliert – und das auch noch europarechtswidrig. All das geschieht laut Regierung aus Gründen der Sicherheit, in Wirklichkeit aber ist es Symbolpolitik, die hier betrieben wird.

Welche Sicherheit soll hier verkauft werden? Was tun Sie gegen die realen Bedro­hun­gen, geschätzte Regierung? – Weder der Klimawandel noch die daraus resultierenden zukünftigen Flüchtlingswellen wird man mit Grenzschutz und Überwachung aufhalten können. Es werden weiterhin Symptome bekämpft und nicht die Ursachen. Es wird kurzsichtig und populistisch agiert. Wen interessiert ein Nulldefizit, wenn der soziale Friede im Land gefährdet ist? (Abg. Neubauer: Na geh!)

Laut dem Leiter des EU-Büros der Wirtschaftskammer Markus Stock kostet uns die Abschottungstendenz der Regierung geschätzt 1 Milliarde Euro pro Jahr. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Diese Milliarde wäre doch in den Bereichen Bildung, Klima­schutz, Arbeitslosigkeit besser investiert.

Doch was sagt eigentlich die Bevölkerung dazu? – Zu Wort gemeldet hat sich Bürger Rafael B. Bohlen, Soziologe aus Wien: Sehr geehrter Herr Blümel! Der Grenzschutz des souveränen Nationalstaats Österreich ist klarerweise jedem Staatsbürger ein Anlie­gen. Grenzkontrollen im Schengenraum und nationalstaatliche Alleingänge behin­dern den Weg einer geeinten und handlungsfähigen EU. Aber genau diese Europä­ische Union, welche zugegebenermaßen auch ihre Schwächen hat, ist der einzige friedliche Weg durch das 21. Jahrhundert. Seit Jahrzehnten schützt uns diese EU vor dem Terror des Krieges. Diese EU kann unter der österreichischen Ratspräsident­schaft entweder Wege finden, gemeinsam neue Herausforderungen zu meistern, oder sie zurück ins alte, zum Scheitern verurteilte Muster Europas führen. Angst führt zu Gewalt, Gewalt zu Hass und Hass zu Krieg. Im Sinne aller ÖsterreicherInnen, welchen das höchste Anliegen Frieden ist und Sicherheit im Staat, ersuche ich Sie, von den Verlockungen einfacher Antworten auf komplexe Situationen Abstand zu nehmen und anstatt über Pullfaktoren von Schleppern endlich über die Pushfaktoren von globalen Migrationsbewegungen zu sprechen. Eine geeinte EU kann diese Themen in Angriff nehmen. Gerade weil ich diese Republik so liebe, behandeln Sie sie bitte gut, solange Sie den Auftrag dazu haben! – Zitatende.

Ja, Herr Kollege Riemer, Heimatliebe ist nicht nur der FPÖ und ihren Anhängern vor­behalten. Einfache Antworten auf komplexe Situationen zu geben ist in der Politik leider in Mode gekommen. Diese soeben zitierte, beeindruckende Bürgerstimme steht stellvertretend für einen großen Teil der Bevölkerung, der keine einfachen Antworten mehr hören möchte, weil sie keinen nachhaltigen Nutzen mit sich bringen, sondern sinnvolle und nachhaltige Lösungen verlangt.

Eine derart kostenintensive, europarechtswidrige und unnötige Verlängerung von Grenz­kontrollen innerhalb der Europäischen Union stellt aber wohl in keinster Weise eine sinnvolle und nachhaltige Lösung dar. Ich beschließe meinen Redebeitrag mit einer Frage von Timo Lehmann, KFZ-Elektronikmeister aus Innsbruck: Geschätzte Regie­rung! Ist Schengen jetzt tot? – Danke schön. (Rufe bei der FPÖ: Kein Applaus!)

14.18

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Griss zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.