14.32

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Herr Gudenus, Sie kennen aber schon das Ergebnis der letzten Nationalratswahl, der vom Oktober 2017? Da war nämlich die SPÖ vor der FPÖ, und da kann von Abwählen keine Rede sein, aber keine Rede! – So viel dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Grenzkontrollen sollen uns also laut dieser Bundesregierung in Sicherheit wiegen, aber was ist Sicherheit? Für die FPÖ und die ÖVP scheint es ausschließlich der Schutz vor Flüchtlingen, vor Terror und vor Menschen, die sie hier nicht wollen, zu sein, sowie die Schließung von teils gar nicht existierenden Routen. Aber, wissen Sie, Sicherheit ist sehr viel mehr.

Wie steht es zum Beispiel um Arbeitsplatzsicherheit in diesem Land? Wie steht es um Frauen, die Arbeit haben und auch im Sommer einen Kinderbetreuungsplatz haben möchten? Wie steht es mit dem Schutz vor Kinderarmut? Wie steht es eben auch um die Sicherheit des Patienten, zeitgerecht notwendige Behandlungen zu erhalten? Wie steht es etwa um die Sicherheit, dass wir im Alter einen Pflegeplatz zur Verfügung haben? Wie steht es um den globalen Kampf gegen Cyberkriminalität? Da kennt man nämlich keine räumlichen Grenzen. – Das alles wird von Ihrer Politik der Ausgrenzung und Hetze überlagert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Wer war bis vor einem Jahr Bundeskanzler?)

Hören Sie zu und passen Sie gut auf! – Es ist eine Politik, die fern jeden Anstands und jeder Logik agiert. (Abg. Hauser: Selbstanklage!) Das sieht man auch daran, dass Sie Asylwerber, die hier in Beschäftigung sind, die für sich selbst sorgen, abschieben möchten. Sie möchten keine Gesetze ändern, denn das wäre wirklich ein Leichtes, und das kritisieren eben auch viele Unternehmen, vor allem in Oberösterreich. Die werfen der Wirtschaftskammer, ihrer Vertretung, zu Recht Interessenpolitik und Parteipolitik vor. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Als Unternehmerin frage ich mich auch, wie es angesichts solch wirtschaftlicher Un­fähigk­eit und Absurdität darum steht, dass ich geeignete Arbeitskräfte bekomme – wir hören immer wieder vom Fachkräftemangel –, dass meine Investitionen in Österreich gut angelegt sind und auch alles dafür getan wird, dass wir nicht wieder eine Finanz- und Wirtschaftskrise, die ich als eine der größten Krisen in Österreich bezeichnen möchte, bekommen.

Wir müssen doch alle Aspekte von Sicherheit sehen. (Ruf bei der FPÖ: Wollen Sie nicht vielleicht zum Thema was sagen?) Sie sind in vielen Bereichen offenbar blind, nämlich vor allem dann, wenn es um Steuerflüchtlinge geht. Davon wollen Sie nichts hören, aber da braucht es Grenzen, damit es auch einen fairen Wettbewerb der Unternehmen gibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

Während wir hier im Parlament etwa über Freihandelsabkommen sprechen und Sie den grenzenlosen und ungezügelten Handel fordern, möglichst ohne jedwede Ein­schrän­kung, während wir all das tun und diskutieren, müssen wir auch feststellen, dass die Wiedereinführung der Grenzkontrollen – und wir haben es heute schon mehrfach gehört – den Betrieben viele Millionen Euro kostet. (Abg. Hauser: Selbstanklage!)

So hat zum Beispiel der Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKO gemeint, es geht um eine immense Vernichtung von Kapital und Zeit und damit tag­täglich um einen enormen Produktivitätsverlust. (Abg. Gudenus: Denken Sie einmal an die Vergewaltigungsopfer, bitte!) Die Erfolge im Kampf gegen die organi­sierte Schlepperkriminalität waren im Gegenzug dazu allerdings bescheiden, würde ich sagen, und der Kampf gegen Schlepper, und das wissen Sie auch, wäre ganz woan­ders zu führen. Sie als schwarz-blaue Bundesregierung diskreditieren vielmehr zahl­reiche NGOs, wie zum Beispiel die Organisation Ärzte ohne Grenzen, denen Sie Zu­sam­menarbeit mit Schleppern vorwerfen (Abg. Hauser: Wir sind gegen Schlepper!), und das ist meines Erachtens wirklich unglaublich und unpackbar! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mit einer solchen Abschottungspolitik die europäische Idee nicht aufs Spiel setzen. Ich bin nicht bereit, für ein paar billige Schlagzeilen Nachteile, wie ich sie vorhin erwähnt habe, hinzunehmen. Wir vertrauen nämlich auf Europa, und deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Untätigkeit der Bundesregierung bei der Wiederherstellung von Reise­frei­heit in Europa“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Inneres bzw. der/die jeweils zustän­dige BundesministerIn werden aufgefordert, insbesondere die folgenden Maßnahmen ent­schlossen voranzutreiben und dadurch die Grundlage für die rasche Wiederherstel­lung der Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union zu schaffen:

·         Bekämpfung der Fluchtursachen;

·         Erhöhung der EZA-Mittel auf 0,7 Prozent des BNE;

·         Schaffung sicherer Lebensräume in der Nähe von Konfliktregionen in Zusam­menarbeit mit internationalen Organisationen;

·         Europäischer ,Marshallplan‘ für Afrika sowie LLDC-Länder und gerechte Han­delspolitik gegenüber den Partnerländern;

·         Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems mit einheitlichen Asylverfahren, fairer Verteilung und standardisierten Leistungen;

·         Gründung einer gemeinsamen europäischen Mission zur Kontrolle der Außen­grenzen (Europäische Grenz- und Küstenwache);

·         Verstärkte Anstrengungen bei der Aushandlung von Rückführungsabkommen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

14.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Mag. Jörg Leichtfried, Angela Lueger, Ge­nossInnen

betreffend Untätigkeit der Bundesregierung bei der Wiederherstellung von Reisefreiheit in Europa

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Mit Europa spielt man nicht: Das heimliche Verlängern der Grenzkontrollen durch die Bundesregierung Kurz kostet Freiheit und Zukunft für alle Bürger_innen“ in der 42. Sitzung des Nationalrates an 19.10.2018

Begründung

Österreich hat vor rund einer Woche bei der Europäischen Kommission um Verlän­gerung der Ausnahmegenehmigung zur Durchführung von Grenzkontrollen an den österreichischen Binnengrenzen zu Slowenien und Ungarn ersucht. Kontrollen an den Binnengrenzen der EU widersprechen dem Gedanken eines geeinten Europas und lassen eine der offensichtlichsten Errungenschaften der europäischen Einigung in Luft aufgehen. Das Ziel verantwortungsvoller Politik müsste es daher sein, möglichst rasch die notwendigen Grundlagen zu schaffen, um Kontrollen an den Binnengrenzen wieder abzuschaffen.

Grenzkontrollen verursachen einen enormen wirtschaftlichen Schaden, kosten vor allem PendlerInnen viel Zeit und Nerven und die mit ihnen zusammenhängende Staubildung sorgt für eine deutliche Erhöhung der lokalen Umweltbelastung und gleichzeitig für enorme Belastung von AnrainerInnen auf Ausweichrouten. Schätzungen besagen, dass allein durch die Grenzkontrollen ein Schaden in der Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr für Österreichs Wirtschaft entsteht.

Es ist unbestritten wichtig, staatliche Handlungsfähigkeit beim Grenzschutz sicherzu­stellen. Insbesondere sollten Maßnahmen in enger Abstimmung mit anderen betrof­fenen EU-Mitgliedstaaten erfolgen, da einseitige Maßnahmen fast ausschließlich zu negativen Folgen führen. Der EU-Rat wird sich - nachdem die Kommission eine Ein­schätzung abgegeben hat - mit dem österreichischen Antrag befassen. Die österreichi­sche Regierung sollte als Ratspräsidentschaft der gesamteuropäischen Dimension die­ser Entscheidungen entsprechende Bedeutung zumessen. Die Entscheidung über die Binnengrenzkontrollen ist untrennbar verbunden mit Fortschritten in anderen Bereichen der europäischen Migrationspolitik und kann auch nur gemeinsam gelöst werden.

Die Bundesregierung verabsäumt bislang jedoch, im Rahmen der EU-Ratspräsident­schaft die notwendigen Fortschritte zu erzielen, um die Handlungsfähigkeit an den europäischen Außengrenzen zu stärken. Beim Grenzschutz und dem Aufbau von Frontex werden nur zögerliche Fortschritte erzielt, die Zusammenarbeit mit den Part­ner­ländern stockt, neue Rückführungsabkommen sind nicht in Aussicht, die men­schen­rechtliche Situation in den griechischen Aufnahmezentren bleibt im Argen, eine ver­pflich­tende Verteilungsquote im Rahmen eines gemeinsamen europäischen Asylsys­tems wurde von der Bundesregierung aufgegeben, die Mittel zur Bekämpfung von Fluchtursachen deutlich gekürzt, die Zahl der Ertrunkenen im Mittelmeer erreicht neue Höchstwerte, u.v.m.

Innenminister Kickl begründet die Verlängerung der Grenzkontrollen mit der allge­meinen Sicherheitslage. Dies entspricht jedoch nicht den Fakten, sondern entspricht seiner Strategie der Verunsicherung und Angstmache, die in seiner Amtszeit allzu alltäglich geworden ist. Am anschaulichsten wird das dort, wo Kickl von „nach wie vor zu hoher Zahlen von Aufgriffen illegal eingereister“ Personen spricht: Während zum Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 mehrere tausend Personen pro Tag die Grenze zu Slowenien überquerten, wurden im gesamten Jahr 2017 laut Medien­berichten 24, im heurigen Jahr bis inkl. Juli lediglich 17 Personen nach Slowenien zurückgewiesen. Ähnlich niedrig sind die Zahlen des Bundesheeres: im Jahr 2018 wurden bislang im Burgenland 62, in Kärnten 64, in der Steiermark zehn Flüchtlinge aufgegriffen.

Von der Politik der Bundesregierung übrig bleibt somit schön verpackte Rhetorik und Kritik an NGOs, die Leben retten – aber keine sinnvollen Taten. Im Gegenteil nützt die Bundesregierung Ängste aus, um von ihrer Politik des Sozialabbaus abzulenken.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Inneres bzw. der/die jeweils zustän­dige BundesministerIn werden aufgefordert, insbesondere die folgenden Maßnahmen entschlossen voranzutreiben und dadurch die Grundlage für die rasche Wiederher­stel­lung der Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union zu schaffen:

·         Bekämpfung der Fluchtursachen;

·         Erhöhung der EZA-Mittel auf 0,7 Prozent des BNE;

·         Schaffung sicherer Lebensräume in der Nähe von Konfliktregionen in Zusam­menarbeit mit internationalen Organisationen;

·         Europäischer „Marshallplan“ für Afrika sowie LLDC-Länder und gerechte Han­delspolitik gegenüber den Partnerländern;

·         Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems mit einheitlichen Asyl­verfahren, fairer Verteilung und standardisierten Leistungen;

·         Gründung einer gemeinsamen europäischen Mission zur Kontrolle der Außen­grenzen (Europäische Grenz- und Küstenwache);

·         Verstärkte Anstrengungen bei der Aushandlung von Rückführungsabkommen.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte.