14.38

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Hohes Präsidium! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Was sind die Merkmale eines Nationalstaates? – Es sind Sym­bole wie unsere Fahne, unser Adler, Institutionen, gewählte Volksvertreter wie wir, die Staatsbürger, die dann auch einen Reisepass haben (der Redner holt einen Reise­pass aus der Brusttasche seines Sakkos und hält ihn in die Höhe), und es sind die Staats­grenzen. Und es ist die Aufgabe und die Verpflichtung eines Staates und seiner Institu­tionen und Behörden, diese Staatsgrenzen auch zu schützen. Wenn wir Frontex damit beauftragen, die europäischen Außengrenzen zu schützen, und ein vollständiger Schutz erst in einigen Jahren absehbar ist, dann ist es für mich schon nachvollziehbar und verständlich, dass wir, solange die Außengrenzen nicht geschützt werden, unsere Grenzen auch kontrollieren und schützen. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt: Viele, fast alle Vorredner und Vorrednerinnen haben das Jahr 2015 zur Sprache gebracht – vollkommen zu Recht. Was ist 2015 passiert? Die „sprechende Raute“ hat, ohne sich mit den angrenzenden Ländern abzusprechen, ein Signal in die Welt gesetzt. Sie hat Selfies mit Flüchtlingen gemacht, und dann erst sind die Massen in Bewegung gekommen und Richtung Europa und Deutschland gegangen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Wenn man sich nämlich den Krieg, die kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien genauer ansieht, sehr geehrte Damen und Herren, dann erkennt man eines: 2014, 2015 war zweifelsohne der Höhepunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, aber nicht zeitgleich überall, an allen Orten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner und Yιlmaz.) Viele dieser Menschen aus Syrien, aus Libyen, die sich dann auf den Weg gemacht haben, waren zu diesem Zeitpunkt schon in türkischen Flüchtlings­camps. Erst als die deutsche Bundeskanzlerin diese Signale ausgesendet hat, hat sich das geändert.

Wenn man derartige Bilder einer Bundeskanzlerin in die Welt setzt – der Herr Innen­minister hat das vollkommen zu Recht gesagt, und das möchte ich hier auch unter­streichen, dass Migrationspolitik auch etwas mit Kommunikation zu tun hat –, braucht man sich nicht darüber zu wundern (Zwischenruf des Abg. Wittmann), dass sich Men­schen, selbst wenn sie in Flüchtlingslagern in der Türkei in Sicherheit sind, auf den Weg Richtung Europa machen, obwohl wir der Türkei für die Flüchtlingshilfe über 3 Mil­liarden Euro und noch mehr zugesagt haben. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Was war die Aussage der deutschen Bundeskanzlerin? – „Wir schaffen das!“, hat sie gesagt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was hat sie geschafft? Nicht: Wir schaffen das!“, sondern: Ihr schafft das! – Das ist die präzise Formulierung! Wer hat nämlich die Folgen zu tragen? – Es sind nicht die Eliten, die das zu verantworten haben, die im Berliner Regierungsviertel wohnen und ihre Kinder in die Privatkinder­gärten und in die Privatschulen schicken! (Bravoruf bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Was soll das?) Dort sind nicht die Flüchtlingskinder anzutreffen, sondern in den Stadt­teilen außerhalb und so weiter.

Die NGOs haben massiv dazu beigetragen, dass wir das alle gemeinsam im Jahr 2015 – gemeinsam mit unseren Behörden, die auch alle sehr engagiert waren – halbwegs gut über die Bühne gebracht haben. Es ist vollkommen richtig und wichtig zu betonen, dass sich 2015 nicht mehr wiederholen darf. Alleine die Diskussion heute und die Sondersitzung, die Sie zu Recht beantragt haben, das, worüber wir diskutiert haben, sind Folgeerscheinungen von 2015. Das hat, wenn wir einen Verantwortlichen in Europa suchen, einzig und allein die deutsche Bundeskanzlerin zu verantworten, und wir müssen jetzt Jahre danach über die Folgewirkungen diskutieren und auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte mit den Auswirkungen leben.

Ja, diese Menschen sind hier bei uns. Ich habe mit sehr vielen syrischen Flüchtlingen gesprochen. Viele von ihnen sind mittlerweile meine Freunde geworden, und ich möchte keinen von ihnen missen. Das sind wertvolle Bürger und Bürgerinnen dieses Landes. Sie sind froh – jene, die die Freiheiten der Demokratie und den Rechtsstaat zu schätzen wissen –, dass sie jetzt in Sicherheit sind und dass sie Teil dieser Gesell­schaft sein können. Diesen, die aufgeklärt sind, die eine säkulare Haltung haben, müssen wir die Hand reichen, die müssen wir Teil unserer Gesellschaft werden lassen. Sie werden aber zurzeit alleine gelassen. Darum ist es wichtig, dass wir eine Politik betreiben, die differenziert ist, die diese Menschen hereinholt, sie anhört, damit wir nicht die Fehler machen, die wir bei den Tschetschenen gemacht haben. Das ist für sich eine komplett isolierte Gruppe, die wir kaum erreichen, in der sich eigene Gesetze entwickelt haben. Heute wissen wir, dass es eine der schwierigsten Gruppen ist, was die Betreuung und auch das Zusammenleben betrifft.

Daher ist es wichtig, dass wir in der Politik nicht alle über einen Kamm scheren, son­dern dass wir differenzieren, dass wir den Menschen Hilfe und Unterstützung geben. Auch ich war einer der Kritiker davon und habe bis heute nicht verstanden, warum man Menschen, die arbeitswillig sind, die ihren Beitrag leisten und in einem laufenden Asylverfahren sind, dennoch abschiebt und da Härte an den Tag legt (Abg. Scherak: Sie haben aber mitgestimmt damals!), während sich Straftäter hier frei bewegen können. Leistung durch Integration ist wichtig, ist richtig, aber in diesem Punkt wurden meiner Meinung nach Fehler begangen, denn die österreichische Wirtschaft, unsere Gastronomen brauchen diese Leute, und vor allem ist es eine überschaubare Anzahl. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) 850 Leuten, die hier als Asylwerber eine Lehre machen, die volle Härte zu zeigen – da wäre ich einen anderen Weg gegangen.

Wenn andererseits am Brunnenmarkt eine Putzfrau auf dem Weg zur Arbeit ist und diese Leute, obwohl sie schon mehrmals verhaftet worden sind, sie zusammen­schlagen und sie dann verstirbt, dann ist das nicht verantwortbar. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darum ist es wichtig, dass wir differenzieren: Leuten, die Teil unserer Ge­sell­schaft werden wollen, sollten wir die Hand reichen. Bei denen aber, die unseren Rechtsstaat missbrauchen, die unsere Gutmütigkeit missbrauchen, die diese Toleranz missbrauchen, die wir ihnen entgegenbringen, müssen wir volle Härte zeigen, und da darf es auch kein Pardon geben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Ab­ge­ord­neten von ÖVP und FPÖ.)

14.45

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Leichtfried hat sich zur Ge­schäfts­behandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

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