10.37

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Ich schließe an und bedanke mich bei Kollegin Wagner für den kaba­rettistischen Beitrag (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ): Diese Regierung bringt etwas weiter, indem sie einen Beschluss fasst, den Kollektivvertragspartnern etwas auszu­richten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir führen hier eine Debatte, die zumindest vom gemeinsamen Ziel geprägt ist, den Pay Gap zwischen Männern und Frauen zu schließen. Allerdings sind die Wege, die manche hier zum Ziel gehen wollen, ziemlich ungeeignet. (Zwischenruf des Abg. Räd­ler.) Der Antrag, den FPÖ und ÖVP hier vorgelegt haben, nämlich in der Herbstlohn­runde eine Karenzzeitenanrechnung zu beschließen, ist aus zwei Gründen krasser Un­fug. (Abg. Leichtfried: „Krasser“ ist gut!)

Erstens ist es nicht der Job des Parlaments, den Kollektivvertragspartnern etwas aus­zurichten. Wir müssen hier unseren Job gut machen, die KV-Partner machen an ihrer Stelle ihren Job gut, und wenn jeder seinen Job richtig hinkriegt, dann ist das Beste für das Land erreicht.

Und zweitens – und das hätte man eigentlich wissen können – gibt es keine generelle Herbstlohnrunde, das hat Kollege Muchitsch ausgeführt. Unter anderem verhandeln die Papier-, die Textil-, die Elektronikindustrie und die Banken sowie viele andere auch im Frühjahr. Daher ist der Begriff Herbstlohnrunde in so einem Antrag von vornherein verfehlt, was nur belegt, dass sich das Parlament um die eigenen Angelegenheiten und nicht um die KV-Angelegenheiten kümmern sollte. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger – erheitert –: Da klatschen die Roten! I werd hin!)

Auch inhaltlich wird jeder zugeben müssen: Wenn wir mit denselben Rollenmustern wie in der Vergangenheit auf das Problem zugehen, dann wird sich nichts ändern. Wenn wir davon ausgehen, dass im Wesentlichen immer die Frauen die Erziehungs­arbeit erledigen und dass das so bleibt und bleiben soll, dann werden sich die beste­henden Strukturen auch im Gehaltsgefüge verfestigen.

Da kommt dann auch etwas heraus, was eine ähnlich nachteilige Wirkung wie das Se­nioritätsprinzip haben könnte. Wenn ich mehr Bezahlung für eine Arbeitserfahrung, für einen zusätzlichen Nutzen, der dann nicht da ist, weil diese Arbeitserfahrung nicht zu­sammenstimmt, festlege, verordne, dann wird das vor allem in den Sektoren, wo be­sonders nahe am Kollektivvertrag bezahlt wird, also in den Niedriglohnsektoren, zum Nachteil für die Betroffenen sein.

Was den Unterschied zwischen der Bezahlung von Männern und Frauen am meisten reduzieren würde, das wäre eine gleichmäßigere Aufteilung der Kindererziehungszei­ten, denn jeder Fachmann und jede Fachfrau weiß, der Pay Gap ist im Wesentlichen ein Child Care Pay Gap, also kein Gender Pay Gap, sondern ein Child Care Pay Gap.

Das sieht man, wenn man die Bezahlung von Frauen mit jener von Frauen ohne Erzie­hungsarbeit vergleicht, und um das zu ändern, muss man schauen, dass die Karenz­zeit zwischen Frauen und Männern aufgeteilt wird. (Beifall bei den NEOS.)

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „indivi­dueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesvorlage zuzuleiten, die individuelle Karenzansprüche für jeden Elternteil vorsieht, die zumindest zum Teil nicht übertragbar sind. Die Anrechnung dienstrechtlicher An­sprüche soll an eine möglichst gleiche Aufteilung der Karenz zwischen beiden Eltern­teilen geknüpft sein.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen be­treffend individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil

eingebracht im Zuge der Debatte in der 43. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen (284 d.B.) – TOP 1

Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern klafft in Österreich immer noch weit auseinander. Mit einem Gender Pay Gap von 20,1% (vgl. Eurostat 2016) liegt man deutlich über dem EU-Durchschnitt von 16,2%. Zwar werden die Unterschiede sukzes­sive kleiner, das Tempo reicht aber lange nicht aus. Seit Jahren weiß man, welche Faktoren das Lohnungleichgewicht zwischen Männern und Frauen beeinflussen. Zahl­reiche Studien zeigen eindrucksvoll, dass sich die Lohnschere vor allem mit Geburt des ersten Kindes signifikant vergrößert: Grund dafür ist, dass Familien- und Erzie­hungsarbeit immer noch mehrheitlich Frauensache ist. Gerade in diesem Bereich ist es die Aufgabe der Familienpolitik, tatsächliche gesellschaftliche Veränderungen zu er­möglichen.

Von einer gleichwertigen Aufteilung zwischen Vätern und Müttern sind wir in Österreich nämlich weit entfernt, vorherrschend ist nach wie vor das sogenannte 1,1/2 Modell, in dem Männer Vollzeit arbeiten und Frauen häufig zuerst eine Zeit lang zuhause bleiben und im Anschluss daran in Teilzeitbeschäftigung gehen. Zwar ist die Erwerbsbeteili­gung von Frauen in Österreich relativ hoch, die Teilzeitquote ist aber fast europa­meisterlich: Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit. Es gibt keine ausreichenden Kinder­betreuungsmöglichkeiten, vor allem für unter 3-Jährige und Anreize für Väter, sich mehr Zeit für ihre Familie zu nehmen, fehlen. Der Anteil der Väter, die in Karenz gehen und Kinderbetreuungsgeld beziehen, ist nämlich immer noch sehr gering. Nur knapp 4,3% der Kinderbetreuungsgeldbezieher_innen im September 2018 (für Geburten ab dem 01.03.2018) waren Männer. Das Bundeskanzleramt selbst verweist in der monat­lichen Statistik darauf, dass "aufgrund der im Durchschnitt kürzeren Bezugsdauer der Väter diese deutlich weniger Bezugstage aufweisen als Mütter", und zeigt damit das Problem auf, dass zwar immer mehr Männer Kinderbetreuungsgeld beziehen, wenn, dann aber deutlich kürzer als Frauen.

Jede familienpolitische Maßnahme muss daher einen Anspruch auf gerechtere Vertei­lung der Betreuungsarbeit zwischen den Elternteilen beinhalten, ansonsten wird sich eine geschlechtergerechte Gesellschaft nicht verwirklichen lassen. Eine bessere Auf­teilung der Verantwortung und Arbeit in der Kinderbetreuung zwischen Elternteilen trägt dazu bei, den Gender Pay Gap zu schließen, wie die skandinavischen Staaten er­folgreich vorgelebt haben.

Will man die Lohnschere schließen, kommt man nicht umhin, endlich ein System zu schaffen, das es auch Vätern erleichtert, sich intensiver der Kinderbetreuung zu wid­men. Indem man stärkere Anreize für Väter setzt, Verantwortung in der Kindererzie­hung zu übernehmen, die über das Bild des "Brot-Verdieners" hinausgehen, kann man endlich eine über reine Symptombekämpfungsmaßnahmen hinausgehende Wirkung erzielen.

Skandinavische Staaten haben vorgezeigt, wie ein System der gleichberechtigten Sor­ge- und Erziehungsarbeit aussehen kann: In Schweden kann man die volle Karenz im Ausmaß von 480 Tagen nur beanspruchen, wenn jeder Elternteil mindestens 90 Tage davon in Anspruch nimmt. Damit schafft man einen Anreiz für Väter und Mütter, sich eher zu gleichen Teilen der Betreuungsarbeit zu widmen. Eine wünschenswerte Auftei­lung der Karenzzeit im Verhältnis 1:1 kann auch erreicht werden, indem die Anrech­nung der Karenzzeit auf die dienstrechtlichen Ansprüche an eine möglichst gleiche Aufteilung geknüpft wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesvorlage zuzuleiten, die individuelle Karenzansprüche für jeden Elternteil vorsieht, die zumindest zum Teil nicht übertragbar sind. Die Anrechnung dienstrechtlicher An­sprüche soll an eine möglichst gleiche Aufteilung der Karenz zwischen beiden Eltern­teilen geknüpft sein.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.