Fragestunde

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen. Die Fragestellung hat maximal 1 Minute zu dauern, die Beantwortung der Anfragen durch die Frau Ministerin 2 Minu­ten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute. Ich darf Sie kurz vor Ende der Redezeit darauf aufmerksam machen.

Europa, Integration und Äußeres

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Lopatka.

Frau Minister, ich darf dich darum ersuchen, die Antworten vom Rednerpult der Abge­ordneten aus zu geben. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Guten Morgen! Ich darf beginnen. Frau Bun­desministerin, meine Frage lautet:

53/M

„Was sind die außenpolitischen Schwerpunkte des österreichischen EU-Vorsitzes?“ (Uh-Rufe bei der SPÖ. Ruf: Das ist eine Grundsatzfrage!) – Ich warte noch auf Parteivorsitzenden Kern für die entscheidende Frage. (Abg. Leichtfried: Wie lange hast du für das überlegt? Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Frau Bundesminister ist nun am Wort. – Bitte.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank und einen schönen guten Morgen! Ich darf um Verzeihung bitten, dass ich mich verspätet habe, und die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Lopatka wie folgt beant­worten:

Sie kennen das wesentliche Motto: ein Europa, das schützt. Besonderes Augenmerk liegt da außenpolitisch auf Südosteuropa.

Ich habe in den letzten zehn Monaten vom Begriff Westbalkan Abstand genommen, um diesen Staaten einfach auch zu vermitteln, sie sind ein Teil Europas – eine glaubwürdige Perspektive, um die Region auch mit den EU-Strukturen vertraut zu machen.

Ich habe dies zuletzt bei meinen Arbeitsbesuchen in Albanien und Montenegro Anfang Oktober bestätigen können. Gemeinsam mit meinem albanischen Kollegen habe ich auch eine Konferenz ausgerichtet, um eine stärkere regionale Kooperation unter die­sen Staaten in einer Art gemeinsames Vorgehen in Richtung EU-Integration voranzu­treiben.

Es geht uns vor allem um ein gemeinsames Auftreten und Handeln in multilateralen Gremien. Gerade in Zeiten, in denen dieses multilaterale Handeln unter starken Druck geraten ist, versuchen wir, die EU-Globalstrategie zu unterstützen. Dabei geht es vor allem um ein regelbasiertes internationales Werk. Das habe ich auch bei dem Gymnich-Treffen vermittelt, das wir Ende August hier in der Hofburg ausgerichtet haben, unter Teilnahme nicht nur der EU-Mitglieder, sondern auch der Beitrittskandidaten – eine Arbeitssitzung zum effektiven Multilateralismus.

Weiterer Fokus ist das Thema Europäische Union und Asien. Wir hatten im Juli einen EU-China-Gipfel, einen EU-Japan-Gipfel, und es geht auch im Rat für Allgemeine Angelegenheiten am 15. Oktober um diese Asienstrategie.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fort­setzend): Als Ratsvorsitz haben wir uns auch für eine aktive EZA-Politik einzusetzen – wir hatten bislang zwei Räte zu diesem Thema –, und wir werden uns auch für die Um­setzung der Post-Cotonou-Instrumente einsetzen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lopatka, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Außenministerin! Sie waren natürlich bei den letzten Ratsvorsitzen nicht in dieser Funktion, aber eine Beobachterin. Worin sehen Sie den großen Unterschied zwischen der jetzigen Präsidentschaft und den beiden vorangegangenen? Gibt es da einen großen Unterschied?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die wesentliche Zäsur war und ist der Vertrag von Lissabon, der im Vergleich zur letzten Präsidentschaft von 2006 einfach andere Strukturen, eine andere Methodik geschaffen hat, und diese Methodik liegt vor allem darin, dass sich die Vorsitzführung im Euro­pä­ischen Rat verändert hat.

Die Erstellung der Tagesordnung, die Festlegung von Themen, all das wird im Trilog mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission erarbeitet. Wir haben aber weiterhin die Möglichkeit, da und dort Akzente zu setzen. Das ist mir bei unserem Gymnich-Treffen und dem Post-Gymnich gelungen beziehungsweise habe ich versucht, auch einen Syrienschwerpunkt hereinzubringen, was wir dann auch bei der UNO-Generalversammlung in der Form, wie ich es vorgeschlagen hatte, umsetzen konnten. Dieses Treffen hat sich in New York als relativ erfolgreich erwiesen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bißmann, bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Guten Morgen, Frau Ministerin! Österreich wurde ja in den UN-Menschenrechtsrat aufgenom­men. Der Schutz der Minderheiten ist da einer der Schwerpunkte. Während wir sehen, dass sich Russland für die Rechte der russischen Minderheit im Osten der Ukraine starkmacht, gibt es im Westen eine österreichische Minderheit, die sogenannten Kar­pa­tendeutschen, die keine ideellen Fürsprecher haben.

Welche Maßnahmen werden Sie im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft und danach treffen, um die altösterreichische Minderheit in der Westukraine zu schützen und vor allem zu unterstützen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank. – Ich hatte Anfang März die Gelegenheit, den Bundespräsidenten bei seiner Reise in die Ukraine zu begleiten. Wir waren nicht nur in der Hauptstadt, wir waren auch in Lemberg, also Lwiw. Dort spürt man eben noch sehr stark diese Präsenz. Es geht da vor allem auch um den Ausbau kultureller Kooperationen. Wir haben ein sehr gutes Honorarkonsulatsnetz, wollen das aber stärker ausbauen, eben auch auf kul­tureller Ebene und nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene.

Ich habe das ganz klar bei meinem Wirtschaftsforum in Lemberg gesagt: Es geht uns nicht nur um die Betrachtung unserer Beziehungen ausschließlich aus der wirtschaft­lichen Perspektive, sondern sehr wohl auch aus der kulturellen; gerade die West­ukraine, altes Galizien, das ist für mich auch die Wiege einer ganz besonderen Erzähl­kultur, siehe Joseph Roth, der genau aus dieser Region in seinen Werken inspiriert und auch gespeist wurde.

Dieser weitere Ausbau und diese weitere Kooperation liegt uns sehr am Herzen. Da wird es auch auf konsularischer Ebene einen Ausbau geben. – Danke.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße recht herzlich die Berufsschule für Handel und Reisen aus Wien auf der Galerie. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte sehr.

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Schönen guten Mor­gen, Frau Ministerin! Vor dem Hintergrund der bestialischen Ermordung des Regime­kritikers Khashoggi, welche im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul am 2. Oktober stattgefunden hat, und auch vor dem Hintergrund der anderen negativen politischen und menschenrechtsbezogenen Entwicklungen in Saudi-Arabien stellt sich die Frage das König-Abdullah-Zentrum betreffend, das auch als Kaiciid bekannt ist.

Meine Frage lautet:

59/M

„Ist vor dem Hintergrund der Ermordung des Regimekritikers Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi Arabiens in Istanbul und der politischen Entwicklung in Saudi Arabien das weitere Bestehen des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkul­turellen Dialog in Wien aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mag. Schieder. Ich habe bereits am 8. Oktober meine Be­sorgnis zu diesem damals noch unklaren Fall – es hieß Ermordung, Verschwinden – kundgetan und habe bereits am 8. Oktober zu einer umfassenden und unabhängigen Untersuchung aufgefordert. Eine Woche später kamen auch einige andere Deklara­tio­nen dazu.

Losgelöst von dieser Ermordung, losgelöst von diesem Fall muss man den Gesamt­kontext, in dem sich das Kaiciid befindet, betrachten. Ich darf kurz daran erinnern: Es gab im Jänner 2015 einen Zwischenbericht des Außenministeriums vor dem Hin­ter­grund der vor allem im Herbst 2014 sehr intensiv geführten Debatte: Was tut dieses Zentrum eigentlich? Wie ist die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien? – Sie erinnern sich: Damals ist durch die österreichische Öffentlichkeit vor allem der Fall des Bloggers Raif Badawi gegangen. Raif Badawi ist damals der wohl bekannteste politische Häftling gewesen. Er steht aber, würde ich sagen, symbolmäßig für sehr viele andere, die ver­schwunden sind.

Vor dem Hintergrund dieses ganz konkreten Falles gab es damals eine große Debatte rund um das Kaiciid. Vorwurf war damals: Was tun die überhaupt? Der Zwischen­be­richt von 2015 sagt: Wir fordern eine umfassende Reform. Dazu gehört unter anderem auch ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten, auch in der Region, und dazu gehört auch eine Erweiterung des Mitgliederkreises. Es sind – unter Anführungs­zeichen – „nur“ drei Mitglieder, Vollmitglieder, nämlich Saudi-Arabien, das auch die gesamten Finanzierungen trägt, Österreich und Spanien – und wir haben noch den Vatikan als Beobachter.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fort­set­zend): Ich habe in den letzten Tagen mit sämtlichen Akteuren, sprich auch mit Spanien, mit dem Vatikan und mit dem Generalsekretär des Kaiciid, Kontakt aufge­nommen und eben gesagt, wir fordern eine volle Umsetzung der Reformen, die wir 2015 vorgeschlagen haben. Das ist die letzte wesentliche Aufforderung. Sollte es nicht dazu kommen, werden wir uns weitere Schritte vorbehalten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schieder, bitte.

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Ministerin! Wie Sie ja auch selbst gerade gesagt haben: Seit 2015 ist dieses Zentrum in starker Diskussion, weil Saudi-Arabien laufend Menschenrechtsverbrechen begeht. Der Gipfel ist eben jetzt die Ermordung von Khashoggi. Wäre es da nicht sinnvoll, jetzt den Schlussstrich zu ziehen und als Republik Österreich aus diesem Zentrum auszutreten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich habe mit meinen Kollegen und auch innerhalb der Bundesregierung in den letzten Tagen sämtliche Optionen durchgedacht. Mein Vorschlag ist, einen allerletzten Ver­such im Sinne von: Ihr müsst euch reformieren!, zu machen. Ich habe dazu auch über­morgen Gespräche in Marokko mit meinem spanischen Kollegen, den ich bereits über unsere Bedenken informiert habe. Wir werden das, was immer wir tun, im Gleichklang mit den anderen machen.

Es ist mir und es ist, würde ich sagen, weiten Teilen der Bundesregierung aber sehr, sehr wohl bewusst, dass diesbezüglich in den letzten Jahren sehr wenig weitergegan­gen ist. Man kann das Ganze nicht nur mit weiteren Seminaren und Publikationen zudecken, sondern da geht es um wesentliche, grundlegende Fragen des Menschen­rechtsschutzes.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Krisper, bitte.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Das eine ist, was das Zentrum macht, das andere sind die Außenpolitik und die interne Politik von Saudi-Arabien.

Was muss bezüglich dieser Politik noch passieren, dass Sie die Schließung andenken und konkret angehen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Schließen können wir eine internationale Organisation nicht einfach so. Da müsste man das ge­samte Amtssitzabkommen et cetera überdenken. Das ist, würde ich sagen, ein Schritt, den wir, die wir seit Jahrzehnten eine große Tradition als Amtssitz von inter­nationalen Organisationen haben, uns für eine Stadt wie Wien und für die Republik Österreich mehrfach sehr, sehr gut überlegen müssen. Das heißt, eine internationale Organisation zu schließen, die man nicht unmittelbar mit diesem allerletzten Fall in Verbindung bringen kann, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg.

Ich habe aber – und da, glaube ich, bin ich auch eine von sehr wenigen, die das tun – immer wieder auf die Entwicklungen in Saudi-Arabien hingewiesen, ganz konkret auch auf die Verhaftungen von Frauen Anfang des Sommers, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie mit internationalen Institutionen in Kontakt standen. Das habe ich auch dem saudischen Botschafter, den ich vor zwei Tagen zum Gespräch ins Außenministerium geholt habe, klar kundgetan.

Also wir dürfen nicht nur diesen einen ganz konkreten Fall Khashoggi anschauen, sondern es geht um eine weiter gefasste Entwicklung in Saudi-Arabien, und die – darauf habe ich immer wieder hingewiesen – ist mit Vorsicht zu betrachten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 3. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Haider. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesminister! Meine Frage bezieht sich auf die EU-Sanktionen gegen Russland. Die Freiheitliche Partei war ja von Anfang an gegen diese Sanktionen, aber auch andere politisch maßgebliche Parteien waren da zumindest sehr, sehr kritisch und skeptisch.

Darum meine Frage:

56/M

„Wie sieht es mit dem Vorhaben im Regierungsprogramm aus, die ‚entstandenen Spannungen und damit verbundenen Sanktionen im europäischen Einklang‘ im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen Russland abzubauen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank. – Wir haben uns auch während des EU-Vorsitzes bislang für eine Verbesserung des Dialogs zwischen Russland und der Europäischen Union eingesetzt. Es geht in vielen Regionalkonflikten nur gemeinsam mit Russland. Ich denke da vor allem an den Nahen Osten. Wir unterstützen den sogenannten dualen Ansatz der Europäischen Union gegenüber Russland, das heißt, die Umsetzung der fünf Leitlinien. Das haben wir auch zuletzt beim Rat für Auswärtige Angelegenheiten im April bestätigt.

Da geht es darum, dass zum einen die Sanktionen als Eintreten für die Erhaltung des Völkerrechts etwas ganz Wesentliches sind. Wir haben das Sanktionenregime mit Blick auf die Krimannexion und die Destabilisierung in der Ostukraine mitgetragen. Mangels Fortschritten in der Region mussten diese Verlängerungen entsprechend entschieden werden.

Wenn es um Wirtschaftssanktionen geht, hat sich Österreich stets für mehr Flexibilität unter der Voraussetzung eingesetzt, dass das Minsker Übereinkommen auch ent­sprechende Fortschritte zeigt.

Die Sanktionen wurden erstmals am 31. Juli 2014 verhängt, seither im Sechsmonats­rhythmus verlängert. Gegenwärtig sehen wir bedauerlicherweise keine wesentlichen Fortschritte beim Minsker Abkommen, um auf eine Aufhebung der Wirtschaftssank­tionen auch im Rahmen der Europäischen Union hinzuarbeiten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haider, bitte.

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Ich kenne ja selbst einige Unternehmer, die durch die Sanktionen schwere wirtschaftliche Einbußen erlitten haben.

Meine Frage: Was sind die Auswirkungen der Sanktionen auf die österreichische Wirtschaft?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die sind heftig, würde ich sagen. Beim Rückgang der österreichischen Exporte in Richtung Russische Föderation ist circa ein Drittel auf die Sanktionen und auf russische Gegensanktionen zurückzuführen. Sie erinnern sich, im August 2014 kamen dann die Sanktionen vor allem im landwirtschaftlichen Bereich. Zwei Drittel des Rückgangs sind aber auf den Verfall der russischen Währung zurückzuführen. Zwischen 2014 und 2017 war auch der Erdölpreis sehr, sehr niedrig. Das hat auch zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation Russlands geführt; also es gab mehrere Faktoren, aber ein Drittel ist jedenfalls auf die Sanktionen und auf russische Gegensanktionen zurückzuführen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Wir haben 2017 eine gewisse Trendumkehr gesehen. Die österreichischen Ex­porte nach Russland stiegen 2017 erstmals wieder um rund 16 Prozent. Wie es mit diesem Trend weitergeht, ist eine Frage von vielerlei Entwicklungen. Beim gegen­wär­tigen Erdölpreis sind die Einnahmen Russlands eben auch wieder höher.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Das gemeinsame Vorgehen der Europäischen Union gegenüber Russland ist hier ganz entscheidend. Wir müssen da quasi als Tandem gemeinsam wirken.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Haben Sie konkrete und systematische Verbesserungen der Menschenrechtslage in Russland beobachten oder feststellen können, die es rechtfertigen würden, dass sich Österreich weiterhin für einen Abbau der Spannungen und der damit verbundenen Sanktionen einsetzt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die Menschenrechtssituation in Russland habe ich bei meinem Besuch in Moskau mit Außenminister Sergej Lawrow besprochen. Wir haben diesbezüglich auch unsere Sorgen in bestimmten Fällen kundgetan. Wir haben auch Vereine wie Memorial getrof­fen, die sich traditionell mit der Menschenrechtsentwicklung in Russland auseinander­setzen, nicht nur mit ganz konkreten Fällen von Menschenrechtsverletzungen, sondern mit der Thematik als solcher.

Die Situation von Regierungskritikern ist uns vollkommen bewusst, und die Frage einer unabhängigen Presse ist meiner Beobachtung nach, egal, wo auf der Welt, nicht immer nur eine der rein politischen Gegebenheiten, sondern auch eine der wirtschaftlichen Mög­lichkeiten.

Diese unterschiedlichen Generationen von Menschenrechten, also liberale versus so­ziale, die wir auch in den beiden UNO-Pakten als solche festgeschrieben haben, sind natürlich etwas, das auch immer wieder in solchen Debatten hochkommt, also libe­rales Menschenrechtsgut oder der Staat als Versorger und der Staat, der das Menschenrecht, beispielsweise auf Wohnung und Unterkunft und so weiter, schützt.

Das Thema ist uns jedenfalls wichtig. Ich habe überhaupt kein Problem, das in diver­sen Gesprächen entsprechend vorzubringen und eine solche Debatte auch durchzu­argumentieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Troch, bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin, einen schönen guten Morgen! In den Achtzigerjahren haben die USA und die Sowjetunion durch den INF-Vertrag über die Begrenzung atomarer Mittelstreckensysteme ihr Wett­rüsten in den Griff bekommen – beendet, könnte man eigentlich sagen.

US-Präsident Trump hat vor einigen Tagen angekündigt, diesen Vertrag zu beenden, aus ihm auszusteigen. Das löst natürlich große Sorgen aus. Österreich ist ein tradi­tioneller Mittler, aber auch jemand, der sich immer wieder bei Friedensbemühungen, auch, was das Abrüsten betrifft, engagiert.

Was sind Ihre Schritte? Was sind Ihre Initiativen, um da doch einen positiven Beitrag zu leisten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Also ich habe gleich nach Bekanntwerden eine Aussendung gemacht, in der wir noch einmal unser Bedauern, dass dieser Vertrag von US-Seite bis hin zum Austritt infrage gestellt wird, zum Ausdruck gebracht haben.

Ich selbst erinnere mich ganz genau an 1986, als dieses erste Treffen von Ronald Reagan und Gorbatschow in Island stattfand. Das war für mich in meiner persönlichen politischen Sozialisierung ein ganz wesentlicher Meilenstein, und das ist dieser Vertrag auch für die europäische Sicherheitsarchitektur, das heißt, er betrifft uns alle. Er war auch die Antwort, würde ich sagen, auf die diversen Friedensbewegungen, Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss zu Beginn der Achtzigerjahre.

Wir haben als ein Staat, in dem auch die OSZE ihr Zuhause hat und in dem genau über solche Themen jeden Donnerstagvormittag im Ständigen Rat debattiert wird, klar gesagt, dass wir das mit großer Sorge betrachten, weil es einfach ein wesentlicher Grundstein für das ist, was die Entspannungspolitik eingeleitet hat, von der wir alle zehren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Fragestellerin mit der 4. Anfrage ist Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Ministerin! Nach Angaben der britischen und der niederländischen Regierung steckt der russische Militärgeheim­dienst hinter einer Reihe von Cyberangriffen auf westliche Staaten und internationale Institutionen wie zum Beispiel auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen und auch auf Institutionen, die sich mit der Aufklärung des Giftanschlags auf Sergej und Julija Skripal beschäftigen.

Die offizielle österreichische Position war bisher immer, dass wir auf Beweise warten. Es hat seitdem einige Entwicklungen in der Aufklärung dieser Cyberangriffe, aber auch des Giftanschlags gegeben.

Meine Frage lautet:

62/M

„Ist es angesichts der russischen Cyberattacke auf die OPCW Zeit zuzugeben, dass Österreich sich in Sachen Vertrauenswürdigkeit Russlands verschätzt hat und die österreichische Charmeoffensive gegenüber Russland nichts bewirkt hat, als eine Schwächung der EU-Position gegenüber der Föderation?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, sehen Sie Österreich als einen Einzelakteur. Ich darf sagen, dass innerhalb der Europäischen Union, weil Sie etwa auch auf den Fall Skripal anspielen, was die Ausweisung von Diplomaten anbelangt, folgender­maßen vorgegangen wurde: 17 Staaten haben russische Diplomaten ausgewiesen, zehn Staaten nicht. Also Österreich ist kein einzelner, isolierter Akteur, der eine Char­meoffensive macht, sondern jeder dieser zehn Staaten – was ein gutes Drittel inner­halb der Europäischen Union ausmacht – hat sich eben dazu entschlossen, jenseits der Rückberufung des EU-Botschafters nicht bilateral Diplomaten auszuweisen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gamon, bitte.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Auf einen Teil meiner Frage sind Sie nicht eingegangen, denn es ging ja auch um das Thema Cyberangriffe. Seitdem hat es wirklich einige Entwicklungen gegeben.

Glauben Sie, dass die Europäische Union ihre gemeinsame Position auch in diesem Fall schärfen müsste, gerade auch, was das Thema Cyberangriffe des russischen Militär­geheimdienstes betrifft, und würden Sie das auch unterstützen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ja, das unterstützen wir auch. Sie haben sicherlich die gemeinsame Erklärung gesehen, die vor drei Wochen, glaube ich, herausgekommen ist, die Österreich mitgetragen hat. Also da sehe ich nicht, dass Österreich nicht mit der Europäischen Union gemeinsam handelt. Das war eine gemeinsame Erklärung, dass wir diese Cyberangriffe verurteilen.

Ich hatte auch wenige Tage später meinen niederländischen Amtskollegen zu Gast; was Cyberkriminalität anbelangt, handeln wir da im Gleichklang. Es gab seitens des Innenministeriums und des Verteidigungsministeriums in früheren Jahren – das ist mittlerweile eine Tradition – bereits eine enge Zusammenarbeit mit EU-Partnern, was diese neue Phase der asymmetrischen Kriegsführung anbelangt, und gerade auch, was Cyberattacken auf internationale Organisationen anbelangt, wie eben jetzt auf die OPCW in Den Haag.

Da sind wir sensibilisiert. Wir haben uns unter anderem auch mit einem Mitarbeiter bei dem in Helsinki stationierten Institut beteiligt, das sich mit Cyberkriegsführung be­schäftigt. Also das sind Aktionen, die wir gemeinsam – manchmal vielleicht auch durch Ideen und auf Ratschlag von anderen EU-Kollegen – unternehmen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fort­set­zend): Aber wir sind uns der Bedeutung und der Gefahr, die davon herrührt, sehr wohl bewusst. Die ist, glaube ich, nicht nur dieser Bundesregierung sehr wohl bewusst, sondern das galt auch für frühere Regierungen. Da handelt man eben entsprechend. Wir tun das. Was die Verurteilung und auch die Möglichkeit weiterer Sanktionen anbe­langt: Das wird gerade beraten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage des Abgeordneten Gudenus. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Guten Mor­gen, Frau Außenministerin! Vor dem Hintergrund dieser seit einigen Jahren beste­henden Sanktionen gegen Russland, die ich persönlich als Irrweg bezeichne, ist es besonders wichtig, die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland, die, glaube ich, sehr stabil und gut sind, zu stärken.

Ich darf mich an dieser Stelle auch bedanken, Frau Außenministerin, dass Sie damals beim Fall Skripal eben keine Diplomaten ausgewiesen und die Brücken somit nicht abgerissen haben. – Das war ein sehr wichtiger Schritt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Frage, Frau Außenministerin, lautet: Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Aspekte für eine erfolgreiche Beziehung zwischen Österreich und Russland?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die wesentlichen Aspekte sind, dass es gelungen ist – wie in den vorhin ausgeführten Leitlinien oder Prinzipien, also dieser People-to-People-Kontakt beispielsweise –, die Beziehungen auf kultureller Ebene, auf wirtschaftlicher Ebene weiterhin aufrechtzu­erhalten.

Geografie als Konstante prägt die Geschichte, und da ist einfach die geografische Nähe, da ist die Verbundenheit auch über die Geschichte vorhanden. Wir haben, gerade was auch die kulturelle Ebene anbelangt, mehrere Kulturjahre veranstaltet, die sich als sehr erfolgreich erwiesen haben.

Auch was die Tätigkeit österreichischer Unternehmer in Russland anbelangt, versucht man einfach, weiterhin im Rahmen der fünf Leitlinien bilateral tätig zu sein und auch einen bilateralen Dialog weiter auszubauen. Das unterhalten viele Staaten, Frankreich tut das, Deutschland tut das im Rahmen des Petersburger Dialoges.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fort­setzend): Die beiden Präsidenten Van der Bellen und Putin haben beim Besuch am 6. Juni in Wien auch ganz konkret die beiden Außenminister, also Sergej Lawrow und mich, mit der Organisation des Sotschi-Dialogs beauftragt, und diesen Sotschi-Dialog werden wir im österreichischen Außenministerium – ich habe dafür eine Sonderbe­auftragte – auch gemeinsam mit Russland fortführen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 5. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Herr Präsident! Die Migration ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Staatengemeinschaft derzeit steht, und alleine können sich die einzelnen Staaten dieser Herausforderung nicht stellen. 191 Staaten haben es geschafft, einen gemeinsamen, unverbindlichen Pakt auszu­ver­handeln: den UN-Migrationspakt. Nur zwei Staaten sind ausgefallen, nämlich die USA und Ungarn. Österreich war bei den Verhandlungen die ganze Zeit dabei. Jetzt haben wir aber den Medien entnehmen müssen, dass die Regierung dem Pakt dennoch kritisch gegenübersteht, und meine konkrete Frage lautet:

64/M

„Welche konkreten Punkte im UN-Migrationspakt sind so kritisch, dass jetzt die Nicht-Annahme des Paktes diskutiert wird?“ (Abg. Leichtfried: Sehr gute Frage! Eine sehr gute Frage!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ja, eine Frage, die viele beschäftigt – vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Zadić. Vielen Dank auch, Herr Mag. Leichtfried; wenn Sie noch eine Zusatzfrage haben, stehe ich dann gerne bereit, das noch zu vertiefen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Als Völkerrechtlerin habe ich mich auch viel mit dem Phänomen Völkergewohnheitsrecht beschäftigt, und die Möglichkeit, dass da Völkerge­wohnheitsrecht entsteht, wird gegenwärtig geprüft. Wir brauchen dafür zwei Elemente, das ist einerseits die Opinio iuris, also das Bewusstsein, dass da Völkerrecht entsteht, und andererseits eine Staatenpraxis.

Die Judikatur des Internationalen Gerichtshofes und viele andere Instanzen bezie­hungs­weise auch die Literatur haben sich in weitem Umfang mit Völkergewohn­heits­recht beschäftigt, und genau das prüfen wir jetzt dahin gehend, inwieweit es dazu kommen könnte, beziehungsweise schauen wir uns auch Votumserklärungen an, wie sie beispielsweise der Schweizer Bundesrat gemacht hat, der bereits eine Debatte dazu hatte.

Wir wissen, dass in weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung auch eine Debatte geführt wird, auch eine Besorgnis da ist, dass es zur Einschränkung der Souveränität Österreichs und zu internationalen Verpflichtungen – da bin ich wieder beim Völkergewohnheitsrecht – wie auch zur Verpflichtung für weitere Sozialleistungen für Migranten kommen könnte. Das alles ist derzeit in Prüfung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Völkergewohnheitsrecht entsteht ja, wenn man ein Recht mit der Überzeugung anwendet, dass es verbindlich ist. (Bun­desministerin Kneissl: Genau!) Jetzt ist ja in der Präambel dieses Paktes ausdrücklich festgehalten, dass er eben nicht verbindlich ist. Daher ist die Frage, warum davon ausgegangen wird, dass er verbindlich sein könnte, und wer die Verantwortung dafür trägt, wenn dieser Pakt nicht unterzeichnet wird – schließlich haben wir ja eineinhalb Jahre verhandelt, ohne kundzutun, dass wir damit nicht einverstanden sind.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die beiden Fragen darf ich wie folgt beantworten: Wenn wir an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte denken, auch – unter Anführungszeichen – „nur“ eine Deklaration, hat diese aber bereits vieles zusammengefasst und zu Papier gebracht, was in ge­wisser Weise Prinzipien des Völkerrechtes waren. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat sich dann – und ich möchte die beiden jetzt in keiner Weise gleichsetzen, nur als Illustration – immer stärker in eine Verpflichtung entwickelt. Daraus können wir auch Ius cogens, also verpflichtendes Völkerrecht, ableiten.

Wenn wir jetzt den Migration-Compact, den Pakt für Migration, lesen, dann kann man sehr vieles hereinlesen, man kann vieles herauslesen. Es finden sich Staaten wieder, es finden sich Staaten nicht wieder, und diese Debatte findet nicht nur in Österreich statt. Wir hatten genauso eine sehr intensive Debatte in Bern in den letzten Monaten, wir haben eine Debatte in Warschau, es wird auch in Australien heftig darüber de­bat­tiert. Das heißt, es ist nichts Österreichspezifisches, dass hier nicht nur eine öffentliche Debatte, sondern auch eine politische Debatte, wie wir sie gerade hier im Plenum führen dürfen, stattfindet.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Das ist nützlich, gerade um hier alle Aspekte aufzugreifen.

Am 10. Dezember findet in Marrakesch die Einberufung statt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Der Schlusssatz kommt jetzt. – Die Einladung ging an die Staats- und Regie­rungschefs durch den UNO-Generalsekretär, und für diese Konferenz besteht eben jetzt noch die Entscheidungsfindung dahin gehend, wie wir damit umgehen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Zusatzfrage des Abgeordneten Unterrainer. – Bitte.

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minis­terin! Zunächst freut es mich, Ihnen die steirischen Guten-Morgen-Grüße meines Kolle­gen Jörg Leichtfried persönlich übermitteln zu dürfen.

Ein wichtiger Punkt im UN-Migrationspakt ist die Bekämpfung der Fluchtursachen als solche. 60 Millionen Menschen sind laut UNHCR zurzeit auf der Flucht, und zwar vor Krieg, vor Konflikten und vor Verfolgung. Jene Millionen, die aufgrund von ökologi­schen Krisen oder Armut migrieren müssen, sind da gar nicht mitgerechnet. Kürzlich haben auch die Hilfsorganisationen in Österreich – Caritas, Diakonie, Licht für die Welt, Rotes Kreuz – die österreichische Bundesregierung aufgefordert, ihrer Ankündigung für mehr Hilfe vor Ort auch entsprechende Taten folgen zu lassen.

Meine Frage an Sie, Frau Ministerin, lautet: Wann und wie werden Sie seitens des österreichischen Außenamtes der Ankündigung für mehr Hilfe vor Ort nachkommen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Diese Hilfe vor Ort ist eine mindestens zweispurige, wenn nicht mehr. Wir haben zum einen die langfristige Hilfe über die Entwicklungs­zusam­men­arbeit. Ich habe vor einigen Wochen – das war, glaube ich, der 17. September; es ist, glaube ich, mittlerweile auch Ihnen zugebracht worden – die Dreijahresvorschau für unsere Entwicklungszusammenarbeit vorgestellt.

Wesentliches Grundthema ist die Bekämpfung von absoluter Armut, genauso wie es die UN-Konferenz von Monterrey vor vielen Jahren schon geprägt hat. In meinen Gesprächen mit Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ging es auch immer wieder in die Richtung: Wenn die Menschen ein Minimum an Strom, an Wasserversorgung haben – und ich habe selbst in Ländern gelebt, in denen wir nur 3 bis 4 Stunden Strom am Tag hatten, aber man orientiert sich halt danach –, solange ein bisschen Strom, solange ein bisschen Trinkwasserversorgung gegeben ist, bleiben die Menschen in ihren Herkunftsorten. Das ist eine Form von Migration.

Wir haben aber natürlich auch eine andere Form von Migration: dass man dann, wenn man sich ein gewisses Minimum an Wohlstand geschaffen hat, weiterzieht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Wie kann man für diese Gruppe Wirtschaftsperspektiven schaffen? Das betrifft auch handelspolitische Fragen, und ich habe beispielsweise für eine Konferenz genau zu diesem Thema nicht nur den EU-Kommissar für Entwicklung Mimica eingeladen, sondern auch die EU-Handelskommissarin, weil mir sehr klar ist, dass ich EZA nicht ohne Handelspolitik machen kann.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Die zweite Spur ist natürlich der Auslandskatastrophenfonds, wenn es um Katastrophen geht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben ein enges Zeitkorsett. Ich weiß, viele Informationen lassen sich in einer Minute in einer Antwort nicht geben, aber trotzdem müssen wir schauen, dass wir dieses Zeitkorsett einhalten.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Frau Bundesministerin! In den letzten Wochen wurden die Verhandlungen, die bisher auf Beamtenebene abge­laufen sind, in der Breite und sehr emotional diskutiert. Vielleicht können wir wieder auf den rechtlichen Boden der Tatsachen zurückkommen. Vor allem der Zeitplan und die Rechtsfolgen für die Staaten sind ja sehr umstritten. Es ist auch die Befürchtung geäußert worden, dass da aufgrund der Annahme dieses Paktes ganz konkrete Rechtsfolgen entstehen. Was genau ist wirklich die Rechtsgrundlage dieses Migra­tions­paktes?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die Grundlage ist das New Yorker Rahmenübereinkommen, das 2016 geschaffen wurde, und die Grundlage ist einfach die Debatte, die dazu stattgefunden hat, und der Wunsch und die Notwendigkeit, dass man sich mit dem Thema Migration, das unterschiedliche Regionen unserer Welt unterschiedlich betrifft – wir sind ab 2011, 2015 so richtig betroffen gewesen, aber wir haben in Südasien Migrationsbewegungen, wir haben in Lateinamerika Migrationsbewegungen –, auf universaler Ebene auseinandersetzt. Das war das New Yorker Rahmenübereinkommen, aus dem dann die Arbeiten für den Migration-Compact hervorgegangen sind.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage von Frau Abgeord­neter Krisper. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Laut Präambel ist der ganze Pakt in seinen Verpflichtungen eben nicht verbindlich; aber wenn es so wäre: Was sind die drei Hauptpunkte, mit denen Sie inhaltlich Prob­leme haben? Die drei Bestimmungen? Die drei „Verpflichtungen“ – unter Anführungs­zeichen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Das ist die Entstehung eines Rechts auf Migration. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, und das ist auch die Verpflichtung eines Menschenrechts auf Migration. Das ist ein Punkt, aber natürlich auch das Erfordernis von Sozialleistungen, das entsteht.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf recht herzlich das Goethe-Gymnasium aus Bischofswerda in Deutschland herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Die 6. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Im April dieses Jahres hat ja eine große, hochkarätige und hochrangige österreichische Dele­gation China besucht. Sie waren dabei, aber auch Herr Bundeskanzler Kurz und der Herr Bundespräsident.

Jetzt lautet meine Frage: Wie wird das Parlament bei der Ausarbeitung der Asien­strategie eingebunden, die jetzt im Außenministerium erarbeitet wird?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 54/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie wird das Parlament in die Ausarbeitung der geplanten Asienstrategie eingebun­den, die nach der hochkarätigen Chinareise des Bundespräsidenten, des Bundeskanz­lers sowie einigen Mitgliedern der Bundesregierung, im Außenministerium erarbeitet wird?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank. – Die Asienstrategie hat mehrere Aspekte, einer davon war die von Ihnen erwähnte Reise. Die Asienstrategie wird sich aber in keiner Weise auf die Volks­republik China reduzieren, ich sehe es eher unter der Erweiterung des Asian-Pacific-Rim, wo eben auch Australien, Neuseeland et cetera hineinfallen – als ein wesentlicher Wirtschaftsmarkt für die österreichische Exportwirtschaft.

Ich werde bei allen Aspekten das Parlament immer wieder informieren, sei es im Außenpolitischen Ausschuss, sei es auch andernorts, beziehungsweise stehen selbst­verständlich auch die Kollegen und Kolleginnen des Außenministeriums für Anfragen von Ihnen und Ihren Kollegen unter den Abgeordneten zur Verfügung.

Die Asienstrategie wird uns weiter begleiten, und was das Außenpolitische anbelangt, ist es mir ganz wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen: Die Volksrepublik China handelt nicht nur als Investor, sondern wird zunehmend auch zum geopolitischen Akteur, vor allem in Südosteuropa. Das ist etwas, was ich gerade in meiner außen­politischen Arbeit, auch bei meinen bilateralen Besuchen zuletzt in Albanien, in Montenegro – gerade in Montenegro gibt es sehr, sehr starke Investitionen, die auch zu einer steigenden Verschuldung dieses Landes führen könnten –, mit meinen Kollegen diskutiere, und ich versuche, auch auf EU-Ebene eine stärkere Sensibilität für dieses Thema zu gewinnen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Jachs, bitte.

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Eine ganz kurze: Wer ist an der Erarbei­tung der Asienstrategie beteiligt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich habe es beim Antritt meiner Funktion als ein wesentliches Thema genannt. Natürlich unterliegt so etwas nicht der Exklusivität des Außenministeriums. Es wird interminis­teriell gehandelt, das heißt, da sind natürlich das Wirtschaftsministerium, die Wirt­schafts­kammer Österreich wie auch das Bundeskanzleramt und das Infrastruktur­minis­terium dabei. Wenn wir uns die Delegation der Minister ansehen, die mit waren, so war auch die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger mit, weil auch die Tourismusförderung ein wesentliches Thema ist, aber auch der Ausbau landwirtschaftlicher Exporte, in dem Fall eben in Bezug auf die Volksrepublik China.

Es ist ein interministerielles Vorhaben, bei dem aber auch Interessenverbände wie beispielsweise die Wirtschaftskammer ihren Anteil haben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Mir geht es um den Brexit, der, ob hart oder nicht hart, wahrscheinlich doch massive Auswirkungen haben und viele Nachteile bringen wird. In diesem Fall interessieren mich aber, sollte es zu einem harten Brexit kommen, insbesondere Ihre Ansichten zu den Nachteilen, was die militärische und vor allem nachrichtendienstliche Zusam­men­arbeit mit einerseits Österreichs und andererseits der Europäischen Union insgesamt betrifft.

Welche Auswirkungen würden Sie da sehen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 60/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie schätzen Sie die sicherheitspolitischen Auswirkungen eines harten Brexit insbe­sondere im Hinblick auf die militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der Europäischen Union bzw. Österreich ein?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – The Brexit changes by the day – wir haben theoretisch 90 Prozent fertig. Wir werden sehen, wie sich die harten letzten 10 Prozent rund um Irland noch ausgehen.

Im Falle des von Ihnen angesprochenen harten Brexits fiele Großbritannien vor allem als Truppensteller in EU-Missionen und – was auch ganz brisant ist – als wichtiger Lieferant für nachrichtendienstliche Daten weg. Es würde eben nicht von dieser Übergangsphase profitieren, und das wäre zum Schaden für alle Beteiligten. Es erleichterte aber andererseits die Erarbeitung einer neuen Partnerschaft. Eine fortge­setzte Zusammenarbeit basierend auf Ad-hoc-Arrangements würde einfach die Zusam­menarbeit beschränken. Wir sind uns dessen bewusst, dass durch den Austritt Groß­britanniens – ob jetzt mit einem Hard Brexit, bei dem es eben besonders schwierig wird, oder auch nicht – eine Lücke entstehen wird, die wir mittelfristig sicherlich nicht so schnell schließen können.

Ab 30. März, ob jetzt mit oder ohne Austrittsvertrag, ist das Vereinigte Königreich jedenfalls ein Drittstaat, und die Zusammenarbeit muss dann einfach auf völlig neue Beine gestellt werden und wird bestmöglich von den verbliebenen 27 geschlossen werden. Es wird zweifellos auch zu geopolitischen Veränderungen kommen, gerade was das Verhältnis Paris/Berlin anbelangt, weil Paris dann in weiten Teilen das übernimmt, was London bislang geleistet hat.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Leichtfried, bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Zu der nachrichtendienstlichen Zusam­menarbeit zwischen Österreich und Großbritannien: Sind die Sorgen, die wir uns jetzt aufgrund des Brexits machen, nicht an sich überholt, weil durch diese Razzia im BVT – so habe ich gehört – die britischen Geheimdienste die Zusammenarbeit mit uns so­wieso eingestellt haben? Sehen Sie da noch große Probleme für die Zukunft oder ist das ohnehin schon egal? (Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Neubauer: Ha, ha! Scherzerl am Tag! Scherzerl am Morgen! – Ruf bei der ÖVP: ... MI6!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich kann dazu nichts sagen, weil ich im Außenministerium keinen Nachrichtendienst habe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage des Abgeordneten Berlakovich. – Bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desminis­terin! Unter die österreichische Ratspräsidentschaft fallen auch die Verhand­lungen zum Brexit, einer sehr komplexen und schwierigen Materie mit weitreichenden Konsequenzen für die Europäische Union. Es ist sehr erfreulich, dass die Mitglied­staaten der Europäischen Union geeint sind und dass Barnier als Speerspitze die Ver­handlungen führt.

Eine der zentralen Fragen ist die Frage der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. Wie ist der aktuelle Stand zum Thema Backstop-Regelung?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Wie ich gerade gesagt habe, es ändert sich wirklich fast im Tagesrhythmus. Man liest dann einfach laufend mit, wie die Entwicklungen innerhalb der britischen Regierung sind, und das Allerletzte, was ich den Aussagen von Premierministerin May entnehmen kann, ist, dass man sich den Vorhaben, die von Kommissar Barnier vorgeschlagen wur­den, wieder stärker annähert.

Also es ändert sich wirklich im Tages-, im Halbtagesrhythmus, aber ich teile die Zuversicht von Barnier und einiger anderer wesentlicher Unterhändler, dass man sich der Frage der Aufrechterhaltung eines ganz, ganz wesentlichen Friedensvertrages, des Karfreitagsabkommens, geschlossen zu Beginn der Neunzigerjahre, das den Nordirlandkonflikt beendete, bewusst ist. Da sind Tausende Menschen ums Leben gekommen. Es war ein Konflikt, der Generationen von Iren und Briten mitgeprägt hat. Die Fiktion um diesen Friedensvertrag, die Europäische Union werde für Irland und Großbritannien weiterhin gleichermaßen gelten, daher keine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland, ist nun mit dem Austritt Großbritanniens zu Ende. Dafür muss man eine andere Lösung finden, weil dieser Friedensvertrag jedenfalls aufrechtzu­erhal­ten ist. Daran arbeitet Kommissar Barnier, und ich hatte auch viele Gespräche mit mei­nen irischen und britischen Kollegen, um einfach zu sagen: Das ist uns allen sehr, sehr wichtig, dieser Friedensvertrag darf nicht kippen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Eugen Bösch. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Allgemein wird beklagt, dass die Europäische Union in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht imstande ist, ausreichend Effizienz zu entwickeln, vor allem in den Konfliktfeldern der Welt; ich nenne jetzt nur die Ukraine und Syrien, Konflikte, die uns am nächsten sind.

Sie, Frau Bundesminister, sind da unermüdlich und kompetent tätig.

Können Sie uns sagen, welchen Beitrag Sie bisher im Rahmen unserer Präsident­schafts­zeit zu einer Verbesserung und zu einer Effizienzsteigerung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik leisten konnten?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 57/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welchen Beitrag leistete Österreichs EU-Vorsitz im Bereich der GASP bisher?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Dieser Ansatz der Gemeinsamkeit ist immer ein hehrer, aber die Umsetzung ist eben wieder etwas anderes. Da wir als mittelgroßer EU-Staat historisch, menschlich et cetera der Region Südosteuropa und dem von Ihnen ange­sprochenen Ukraine-Konflikt sehr nahe sind, versuche ich, unter anderem nicht nur durch Besuchsdiplomatie, in die Region hinein zu vermitteln.

Es geht nicht um das Helfen. Ich sage immer: Helfen ist keine diplomatische Kategorie. Es geht darum, Interessen zu einer Konvergenz zu bringen, und da muss man einfach Reformfortschritte setzen, damit man in anderen EU-Hauptstädten auch das Wohlwol­len gewinnt.

Andererseits muss ich genauso meinen Kollegen, wenn ich so sagen darf, in der nordwestlichen Hemisphäre der Europäischen Union immer wieder vermitteln – das ist nicht ganz einfach –, warum diese Region wichtig ist, warum in Südosteuropa kein weiteres vertieftes Vakuum entstehen darf. Da sind wir wieder bei der Geografie: Man ist halt in Nordwesteuropa von der Region Südosteuropa, oder von Konflikten, die sich an den sogenannten Rändern, an den östlichen und an den südlichen Rändern, abspielen, viel, viel weiter weg als ein Staat, der geografisch woanders liegt; aber ich bemühe mich da um Besuchsdiplomatie.

Wir hatten bei unserem Gymnich-Treffen Ende August auch ein Post-Gymnich, wobei wir uns vor allem mit Digitalisierung und anderen Formen der technischen Innovation in der Region beschäftigt haben. Dabei ging es vor allem um den ländlichen Raum, damit es zu keiner weiterer Landflucht kommt, oder dass die Leute sogar wieder zurück­kehren und stärker in ihre angestammten Regionen investieren.

Wir haben eine ganze Reihe von Veranstaltungen abgehalten, das geht von Alpbach bis hin zu den Veranstaltungen, die wir eben am Rande unserer diversen Konferenzen machen, um der Debatte ein bisschen mehr Substanz zu geben, und dabei helfen oftmals inoffizielle, informelle Treffen. Gymnich war ein solches Treffen, und man spürt dann doch wieder, dass, wenn man nicht unter dem Druck steht, Entscheidungen treffen zu müssen, manches ein bisschen weitergeht. In Alpbach war der Bundesprä­sident der Gastgeber einiger Treffen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bösch, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Durch eine verantwortungslose Politik auf europäischer Ebene ist der Schengenraum, das heißt, die Freizügigkeit und die Grenzenlosigkeit innerhalb Europas, zusammengebrochen. Unsere EU-Ratspräsi­dentschaft steht unter dem Motto: ein Europa, das schützt, und wir machen auch klar, dass die Sicherung der Außengrenzen ein wesentliches Ziel der europäischen Politik sein muss.

Wie beurteilen die anderen Außenminister dieses Ziel Österreichs?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die Sen­sibilisierung dafür ist gewachsen, wir sehen das auch an der Aufstockung von Frontex, die grundsätzlich vereinbart war, aber beim Zeitraum ist es uns – im Tandem mit einigen anderen Partnern – gelungen, diesen nach vorne zu verschieben.

Wir werden die Aufstockung bei Frontex auf 10 000 Personen früher erreichen, als das ursprünglich geplant war, nämlich bis Ende 2020, dass dieses Mandat entsprechend umgesetzt werden kann. Diese Sensibilisierung ist vorhanden und da haben wir schon einiges erreicht, nämlich dass man die Frage der Migrationspolitik nicht auf Quoten reduzieren darf, sondern ein anderer Weg eingeschlagen werden muss. Die Außen­grenzen schützen ist ein Weg, aber auch ein Umdenken in den Instrumenten, die geschaffen wurden. Sie haben Schengen angesprochen, in den Achtzigerjahren die Antiglobalisierung – alle Instrumente, die wir heute in der Migrationsfrage haben, datie­ren vor Globalisierungszeiten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Wir haben heute – mitten in der Globalisierung – eine ganz andere Form von Migration, bei der wir mit Rechtsfiktionen wie Dublin III, wovon man vielleicht gedacht hat, es stehen 100 Leute vor einer Außenschengengrenze, nicht mehr arbeiten kön­nen. Man wird im Rahmen des Resettlement die Rechtsformen an die Realität anpas­sen müssen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Außenministerin!

Meine Frage lautet:

63/M

„Welche konkreten Integrationsmaßnahmen außer den unzulänglichen Deutschförder­klas­sen und der Symbolaktion des Kopftuchverbotes sind geplant bzw. bereits in Um­set­zung?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Wir haben seit 2017 den gesetzlichen Auftrag, eben auf Basis des Integrationsgesetzes, und dabei geht es mir nicht um eine rein politische Vermittlung, sondern es geht mir vor allem um ganz reale, konkrete Maßnahmen in der Wirklichkeit. Es ist jetzt keine Untätigkeit, wenn ich nicht immer alles und jedes medial kommuniziere, das ist nicht mein Stil. Wir arbeiten ganz konkret an Projekten.

Ich zitiere dazu kurz die Leistungsbilanz des Jahres 2018:

Es gab im Zeitraum Jänner bis September 113 584 Integrationsberatungen, und die sind ganz, ganz wichtig, um den Menschen zu vermitteln, wie der Stand ihres jewei­ligen Verfahrens ist.

Wir hatten über 15 000 Teilnehmer an den Werte- und Orientierungskursen, die ich mehrfach besucht habe, zuletzt letzte Woche mit Vertretern des Büros der UNO-Menschenrechts-Hochkommissarin. In den Deutschkursen sind derzeit fast 15 000 Menschen.

Aktuell der größte Durchgang geschieht beim Mentoring für MigrantenInnen. Da habe ich einfach den Schwerpunkt auf Frauen gesetzt, Wertekurse für Frauen eingeführt, weil die Frauen die Motoren in der Familie sind, eine Vorbildrolle spielen müssen, auch wie man im Geschlechterverhältnis nicht nur in der Familie ist, sondern auch nach außen auftritt.

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass das auch die Gäste aus Genf, die Vertreter des Büros der UNO-Menschenrechts-Hochkommissarin, entsprechend gewürdigt haben, was da passiert.

Setzt man sich in die Wertekurse hinein, dann kann man das eine oder andere kritisieren, aber man kann auch sehen, was vermittelt wird, wenn man es mit einem sehr, sehr breit gefächerten Publikum zu tun hat, das von Filmregisseuren aus Damaskus bis hin zu sehr, sehr einfachen Menschen aus dem ländlichen Raum in Afghanistan reicht. Dafür müssen sie Methoden entwickeln, von denen alle in diesem beschränkten Zeitraum profitieren.

Ich sage aber auch immer wieder: Es geht letztendlich auch um das, was der Einzelne mitbringt, die Neugier, den Wunsch, sich in der Gesellschaft einzufinden, und das ist etwas ganz Wesentliches. Wir bieten an und die anderen müssen sozusagen auch etwas tun.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Die Kurse sollen vermitteln, dass man sich in die Gesellschaft einbringen kann und soll, darum gibt es dann auch konkrete Maßnahmen zur weiteren Integration nach den Kursen.

Wie kompensieren Sie den Wegfall des Integrationstopfes ab 2019? (Bundesministerin Kneissl: Welchen Integrationstopf meinen Sie da?) – Im AMS.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Da wird es zu Lösungen mit anderen Ministerien kommen; was das AMS anbelangt, sind Gespräche mit anderen Ressorts im Gange. Ich bin jedoch dafür zuständig – und Sie stellen mir jetzt die Frage als österreichischer Außenministerin, die auch für Integration zuständig ist, laut Gesetz für die Asylberechtigten –, diesen asylberechtigten Personen die Kurse und so weiter zu vermitteln.

Was ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt anbelangt, das ist etwas anderes, und dafür sind mehrere Ressorts zuständig. Integration ist eine Querschnittmaterie, das ist kein Monopol unseres Ressorts. Da wirken einfach sehr viele andere Akteure mit, auch die Länder.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Ich gebe Ihnen schon recht, Integration ist eine Querschnittmaterie, und um die Wichtigkeit dieses Themas zu betonen, wäre es durchaus wichtig gewesen, ein eigenes Integrationsministerium zu schaffen. Ich möchte mich aber dennoch auf Ihren Integrationsbericht 2018 beziehen. Darin steht, dass Frauen mit Migrationshintergrund im Jahr 2017 mit 59 Prozent eine weit geringere Erwerbstätigenquote hatten als Frauen ohne Migrationshintergrund, da liegt sie nämlich bei 71 Prozent.

Was konkret gedenken Sie auch in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien und angesichts der Tatsache, dass gerade in diesem Bereich immer stärker gekürzt wird, zu tun, damit sich diese Erwerbsquote verbessert?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank für diese wirklich relevante Frage, genau das ist der Grund, das ist mir ein Anliegen. Wenn man jungen Frauen vermittelt, ihr habt sehr wohl das Recht, die Möglichkeit, ihr müsst nicht auf den väterlichen, brüderlichen oder sonst irgendeinen Vormund Rücksicht nehmen – dann ist das leichter gesagt als getan.

Ich habe dazu, genau zu diesem Thema – noch bevor ich in dieses Amt kam –, bereits viele Debatten geführt. Es liegt oftmals nicht an der betroffenen Frau, es ist der innerfamiliäre Druck, und wenn es nicht der Vater ist, dann ist es vielleicht der Bruder, der genau diese Erwerbstätigkeit vielleicht da und dort hintanhält. Das heißt, die Ursachen sind äußerst vielfältig; was wir als Staat institutionell leisten können, ist das, was wir erbringen.

Die letztendliche Entscheidung aber, dass eine Frau sagt, ich gehe auf den Arbeits­markt, vielleicht auch gegen den Widerstand meiner Familie, das ist eine höchstper­sön­liche Entscheidung.

Das, was wir leisten können, ist – deswegen habe ich genau aus den von Ihnen zitierten Gründen den Schwerpunkt auf Werte- und Orientierungskurse für Frauen gelegt –, dass es beispielsweise keine Schande für die Familie ist, wenn die Frau arbeiten geht, denn das ist doch in einigen Kulturen noch da und dort verhaftet. Muss meine Frau arbeiten gehen? Wen trifft sie am Arbeitsplatz et cetera?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fort­setzend): Das sind letztendlich sehr persönliche, sehr spezifische Fragen, für die der Staat nicht immer Antworten finden kann, aber dort, wo wir sie anbieten können, in den Kursen, in den Gesprächen, in den Beratungen, dort tun wir das.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage ist von Frau Abgeord­neter Nurten Yılmaz. – Bitte.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! (Bundesminis­terin Kneissl: Guten Morgen!) Frau Ministerin, das Integrationsgesetz regelt unter ande­rem, dass Drittstaatsangehörige zwei Module, nämlich Deutschkurs und Werte­kurs, zu besuchen haben und diese dann mit einer Prüfung abschließen.

Jetzt ist es so: Wenn jemand den Deutschkurs positiv abschließt, der Wertekurs aber negativ beschieden wird, muss diese Person beide Prüfungen wiederholen, und diese Wiederholung ist beliebig oft möglich.

Meine Frage ist: Könnten Sie sich vorstellen, dass man das so regelt wie beim Füh­rerschein? – Dort ist es ja so: Hat man den theoretischen Teil bestanden, aber den technischen Teil nicht, dann muss man nur den technischen Teil wiederholen.

Könnten Sie sich vorstellen, dass man das auch so regelt, denn das sind ja von­einander unabhängige Module, und es kostet Geld, Zeit et cetera?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ihre Antwort bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich erinnere mich an eine sehr intensive Debatte genau zu dem Thema, das Sie an­sprechen. Darf man in den Deutschprüfungen überhaupt grundsätzliche Weltbildfragen et cetera stellen? – Ich würde meinerseits – und das sage ich nicht nur als Ministerin – ein klares Ja sagen, denn es muss einem für die Deutschprüfung klar sein, dass man, wenn man zum Beispiel Fragen über die Trennung von Politik und Religion, über die Unabhängigkeit der Richter, über Frauen im öffentlichen Raum bekommt, diese auch mit den Deutschkenntnissen sozusagen beantworten kann.

Ich erinnere mich sehr wohl auch aus meiner eigenen Schulzeit daran, dass, egal, welche Sprache Sie lernen, Sie über diese Sprache auch ein Weltbild in der jeweiligen Sprachkultur mitlernen, daher ist meines Erachtens die Verquickung etwas höchst Natürliches. Ihr Vorschlag, dass man so das eine vom anderen trennt – ich habe es jetzt in dieser Minute nicht für mich durchgedacht, aber auch das würde zusätzliche administrative Bedingungen bedeuten, egal, wie man es dreht und wendet.

Durchfallen und nochmals lernen: Ich glaube, das haben wir alle einmal erlebt, manchmal hat es uns weitergebracht, manchmal hat es uns geärgert, aber ich halte es für notwendig, dass es keine Garantie gibt. Man muss sich engagieren und man muss das auch für sich internalisieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Hinsichtlich dessen können Sie mir den Vorwurf machen, dass man das nicht abprüfen kann, denn in einer Prüfung kann man vieles sagen, aber es ist ein Versuch einer der Institutionen, etwas voranzubringen, was man ohne all das vielleicht gar nicht erst in die Debatte hineinbringt und die Leute sensibilisiert.

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Schade.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Schimanek. – Bitte.

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Sie haben heuer bei einem Expertengespräch davon gesprochen, dass eine weitere wichtige Inte­grationsmaßnahme, besonders für Frauen, die Diskussion über Genitalverstümmelung ist. Weltweit wird ja die Zahl der Frauen, die von FGM betroffen sind, auf 200 Millionen geschätzt, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich höher. In Österreich dürften auch 8 000 Frau­en davon betroffen sein.

Meine Frage ist: Welche Maßnahmen planen Sie, um Genitalverstümmelungen bei uns in Österreich zu unterbinden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Ja, das ist ein Projekt, das ich am 8. März vorgestellt habe. Es ist in gewisser Weise ein Leitprojekt, das ich jedenfalls ausbauen möchte, weil es viel zu lange in der Tabuzone war.

Sie haben von der Dunkelziffer gesprochen: Dazu soll es eine Erhebung geben, ge­meinsam mit Medizinern. Das wird aber nicht ganz einfach sein, weil es ein Tabuthema ist: Wie viele Tausende Frauen sind in Österreich davon betroffen? Wie viele Mädchen werden in den Ferien nach Hause geschickt, damit eine Genitalverstümmelung – sprich eine schwere Körperverletzung – an ihnen vorgenommen wird, oftmals noch mehr auf Wunsch der Mütter als anderer Familienangehöriger?

Da finanzieren wir Maßnahmen in Österreich. Wir haben für ein Pilotprojekt von FEM Süd in Österreich – das wird mit der Rudolfstiftung gemacht – circa 50 000 Euro, wir haben für dieses Projekt, das ich am 8. März gestartet habe, insgesamt 1,2 Mil­lionen Euro zur Verfügung gestellt. Dabei geht es zum einen um ein Rückoperieren, das heißt, die Schamlippen wiederherzustellen, damit diese Frauen beim Geburts­vor­gang nicht unerträgliche Schmerzen haben, und dass sie auch ganz normal ihren Alltag, ohne Harnwegsinfekt beispielsweise, leben können.

Es geht uns dabei ums Operativ-Werden, aber auch ums Sensibilisieren im ländlichen Raum – Schwerpunktländer Burkina Faso, Äthiopien. Ich werde dieses Projekt sukzes­sive über die nächsten Jahre aufstocken.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 10. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Zadić. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Meine Frage an Sie:

65/M

„Angesichts der sich weiter verschlechternden Menschenrechtssituation in Saudi Arabien und der rücksichtslosen Ermordung von Kritikern im Ausland: planen Sie nun Sanktionen zu verhängen oder Exporte nach Saudi Arabien zu verbieten?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich meine, das ist vielleicht eine nicht sehr befriedigende Antwort, aber das Allererste, was ich gemacht habe, war, dass ich am 8. Oktober, als das bekannt wurde, sofort meine Reise nach Saudi-Arabien abgesagt habe.

Was Sanktionen anbelangt, kann das nur im Gesamthandeln mit der Bundesregierung passieren. Ich werde – da das jetzt auch in einigen anderen Staaten passiert –, was Sichtvermerke für Personen anbelangt, die eben in diesem Dunstkreis der Täter drinnen sind, prüfen lassen. Das liegt in der Kompetenz des Innenministeriums, aber gemeinsam mit dem Außenministerium.

Hinsichtlich unserer Zusammenarbeit: Ich habe das in meiner Aussendung am 20. Ok­tober gesagt: Meines Erachtens ist business as usual nicht möglich. Das wäre ein äußerst zynischer Umgang, aber Gesamtsanktionen können nur im Gleichklang mit der Europäischen Union erfolgen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zadić, bitte.

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Es hat in der Vergangenheit, also zu­mindest in den letzten zehn Jahren, sowohl Ausfuhrbewilligungen für Waffenexporte nach Saudi-Arabien als auch in die Vereinigten Arabischen Emirate gegeben, und diese Ausfuhrbewilligungen waren durchaus im zweistelligen Bereich.

Angesichts der sich verschlechternden Menschenrechtslage – wir haben ja auch im Ausschuss darüber gesprochen – und auch angesichts der militärischen Intervention im Jemen: Gedenken Sie, die Grundlage für diese Ausfuhrbewilligungen zu entziehen und Genehmigungen zu verweigern, denn es gäbe ja nach dem Kriegsmaterialgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz durchaus Anknüpfungen, nach denen man das ver­neinen könnte?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich habe gestern in einem Interview mit dem „Weltjournal“ – auch dort war die Frage ähnlich – darauf hingewiesen: Österreich hat mit dem Beginn des Jemenkrieges im März 2015 sämtliche Waffenexporte nach dem Kriegsmaterialgesetz gestoppt. Das heißt, wenn es um Kriegsmaterialien geht, haben wir hier nichts zu stoppen. Wir sind nicht in der Situation wie andere große europäische Staaten, die laufend Kriegs­mate­ri­alien, Kriegsgüter exportieren.

Das, was Frau Bundeskanzlerin Merkel vor ein paar Tagen angesprochen hat, nämlich einen vorläufigen Stopp von Waffenlieferungen, wäre ein starkes Signal. Dafür müssen jedenfalls Großbritannien und Frankreich auch an Bord geholt werden.

Aus Frankreich gab es unterschiedliche Signale, heute in der Früh das allerletzte Signal; was ich gehört habe, eher in Richtung positiv. Gestern war das alles noch sehr kritisch, skeptisch – aber Österreich exportiert keine Kriegsmaterialien.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 11. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Kaufmann. – Bitte.

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Als junger Mensch lebe ich zum größten Teil meiner Lebenszeit schon innerhalb der Europäischen Union, Großbritannien war bis dato immer ein großer Teil davon. Es ist kaum vorstellbar, dass die Briten künftig keinen so starken Anteil mehr in der Euro­päischen Union haben werden, deswegen darf ich auch meine Frage stellen, da Sie das auch im Rahmen der Ratspräsidentschaft beschäftigt:

55/M

„Welche Themenkreise betreffend Brexit sind jetzt aus ihrer Sicht noch offen und müs­sen daher im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft gelöst werden?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Also 90 Prozent dieses Austrittsvertrages sind unter Dach und Fach. Das erste Mal, als ich Kommissar Michel Barnier traf, war im Frühling, bevor wir in die Präsidentschaft gegan­gen sind; er hat damals von 80 Prozent gesprochen. Mittlerweile sind sozusagen weitere 10 Prozent gelöst. Wir hatten das berühmte Chequers-Papier Anfang Juli, das war die erste wirklich klare schriftliche Positionierung Großbritanniens. Wir hatten die innenpolitischen Veränderungen im Kabinett von Theresa May. Nach Boris Johnson ist mein Counterpart jetzt Jeremy Hunt, auch mit ihm bin ich in regelmäßigem Kontakt. Wir haben einander schon drei Mal zu dem Thema getroffen. Die Annäherung erfolgt, aber – wie vorhin auch gegenüber Abgeordnetem Leichtfried kundgetan – der we­sent­liche Punkt bleibt weiterhin die Frage des Verhältnisses der Provinz Nordirland des Vereinigten Königreiches gegenüber der Republik Irland. Das ist sozusagen ein Knack­punkt: Kommt es da zu einer harten Grenze oder einer nicht harten Grenze? – Aus britischer Sicht geht es hier auch um die territoriale Integritätsfrage.

Die Europäische Union ist in dieser Frage massiv geschlossen. Ich kenne sonst kein Thema, bei dem eine derartige Kohäsion da ist. Wir sind bei fast allen Themen zerstritten, aber in der Frage des Brexits gehen wir sehr, sehr kohärent vor. Da lässt sich jetzt auch nicht ein Keil da und dort hineintreiben, und ich würde sagen, das allein spricht für sich. Wir als Präsidentschaft unterstützen Kommissar Barnier.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Er hat das Mandat erhalten. Auch die bilateralen Gespräche, auch meine vielen Interviews mit der BBC gehen immer auf eine Unterstützung der Arbeit des Kommis­sars hin.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sie haben schon vieles vorweg­genommen. Wie möchten Sie der Tatsache Rechnung tragen, dass die Brexitver­hand­lungen jetzt im Herbst in ein entscheidendes Stadium eintreten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die sind absolut im entscheidenden Stadium! Im Halbtagesrhythmus entscheiden die sich in alle möglichen Richtungen, bis dorthin, dass sogar auch schon die Möglichkeit von vorgezogenen Wahlen in Großbritannien wieder aufgetaucht ist.

Wir tragen dem Ganzen Rechnung. Für diese Thematik ist mein Kollege Bundes­minis­ter Gernot Blümel, Vorsitzender im Rat für Allgemeine Angelegenheiten, zuständig, und ich beschäftige mich mit dem Thema im Rahmen des Rates für Auswärtige Ange­le­genheiten. Das heißt, wir sind in den Gremien entsprechend tätig, und wir unter­stützen den Kommissar – das ist unsere allererste Aufgabe –, er ist der Verhandler.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 12. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Her­mann Krist. Ich darf ihm das Wort erteilen.

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzte Frau Bundesministerin! Südtirol hat am Sonntag gewählt. All jene Parteien, die sich am lautesten für die Doppelstaats­bürgerschaft eingesetzt haben, haben am allermeisten verloren. Es war auch wenig überraschend, dass sich seit Sonntag namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wiederholt kritisch geäußert haben. Ich gehe gar nicht auf die Stellungnahmen ein, aber Politologe Günther Pallaver, Extrembergsteiger Reinhold Messner, Landes­hauptmann Günther Platter, ja sogar Harald Vilimsky, der FPÖ-Abgeordnete, haben sich kritisch gemeldet.

Daher meine Frage: Bleiben Sie dabei? Und nehmen Sie für dieses in der Zwischen­zeit doch fragwürdige Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtirolerinnen und Südtiroler eine insbesondere von den italienischen Parteien lautstark in den Raum gestellte Belastung der Beziehungen zwischen Österreich und Italien in Kauf?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 61/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wieso nehmen Sie für das fragwürdige Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtirolerinnen und Südtiroler eine Belastung der guten bilateralen Beziehungen zu unserem Nachbarland Italien in Kauf?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Wir arbeiten auf Basis des Regierungsübereinkommens. Die Möglichkeit der Einräumung einer Doppelstaatsbürgerschaft für die deutschsprachige Volksgruppe und für die Ladiner – beziehungsweise reduziert es sich ja nicht darauf, wir haben die Doppel­staats­bürgerschaft auch für die vom Brexit betroffenen Österreicher und andere vor­gesehen – steht auch im Regierungsübereinkommen. Dieses wiederum beruht auf einem Beschluss der Mehrheit des Südtiroler Landtages, der eben diesen Wunsch auf­gebracht hat.

Wie sich jetzt die Dinge verändern, dem möchte ich nicht vorgreifen, aber ich halte mich als Außenministern an das Regierungsübereinkommen, das die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft vorsieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Ich korrigiere Sie ungern, Frau Außenministerin, dazu schätze ich Sie viel zu sehr, aber es gibt keinen Landtagsbeschluss. Es gibt einen Brief von 19 Landtagsabgeordneten, auf dem kein einziges Regierungsmitglied unterschrieben hat – und auch die halbe SVP nicht. Aber wurscht, ich möchte gerne in eine positive Welle übergehen:

Gibt es Ihrerseits Maßnahmen und Ideen, wie wir den Südtirolern unterstützend helfen können, ihre Autonomie weiterhin zu festigen und auszubauen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Die Frage der Autonomie ist etwas, das die österreichische Außenpolitik seit den Vierzi­gerjahren beschäftigt. Wir hatten es ja dann auch als UNO-Thema, es war Sicherheits­ratsthema, es war für Bruno Kreisky ein ganz wesentliches Thema. Wir hatten letztlich in den Neunzigerjahren das Statut, und die österreichische Schutzpflicht war ent­sprechend detailliert normiert.

Ich habe mich als halbe Tirolerin auch viel mit dem Thema auseinandergesetzt und darf in dem Zusammenhang Landeshauptmann Arno Kompatscher zitieren, der mir in einem ersten Gespräch gesagt hat: Das Europa der Regionen hat nicht die aus­reichenden Antworten geliefert. Es gibt also noch etwas, was die Menschen zusätzlich suchen, und das, würde ich sagen, bestimmt auch in gewisser Weise die Atmosphäre dieser ganzen Debatte.

Ich hatte beim letzten Rat in Luxemburg die interessante Debatte rund um Venezuela miterlebt. Es hat dazu auch der spanische Außenminister entsprechend referiert. Warum komme ich jetzt hier auf Venezuela zu sprechen? – Doppelstaats­bürgerschaf­ten: Es gibt 300 000 venezolanische Staatsbürger, die auch die italienische Staatsbür­ger­schaft haben. Wir haben in Venezuela die größte Flüchtlingskrise unserer Zeit.

Das heißt, das Thema Doppelstaatsbürgerschaften ist nicht etwas Spezifisches, das die Österreicher fordern oder das das Regierungsprogramm für Südtirol fordert, son­dern es ist ein Thema, das uns auf vielen, vielen Ebenen bewegt. Da ist auch ein Blick nach Südamerika mit all den möglichen Auswirkungen europäischer Doppel­staats­bürger, vor allem auch, was Italiener betrifft, etwas ganz, ganz Wesentliches. Ich glau­be also, wir werden auf dieses Thema weiterhin unser Augenmerk legen, und zwar über die Südtirolfrage hinaus.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lopatka, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meinen Gesprächen mit dem italienischen Botschafter in Wien, aber auch mit Abgeordneten auf italienischer Seite merke ich nichts von dieser Be­lastung, die von der SPÖ hier immer in den Raum gestellt wird. Das Verhältnis ist sehr gut.

Meine Frage an Sie konkret: Wie ist das Verhältnis mit Italien in Ihren Gesprächen? Ist es belastet?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Nein. Ich habe meine zweite Reise nach meinem Amtsantritt nach Rom gemacht, gleich am 11. Jänner; damals war noch Angelino Alfano Außenminister. Jetzt ist ihm Enzo Moavero Milanesi nachgefolgt; auch ihn habe ich für Gespräche nach Österreich eingeladen. Ich habe Rom seither mehrmals besucht, auch im Zusammenhang mit anderen Konferenzen, und wir haben in ein paar Wochen den OSZE-Gipfel in Mailand.

Das heißt, die Zusammenarbeit mit Italien, ob innerhalb der EU, ob bilateral oder ob in anderen multilateralen Gremien wie der OSZE – da sind die Italiener unsere Nach­folger hinsichtlich des Vorsitzes –, ist eine, die völlig in Ordnung ist. Der italienische Botschafter findet bei uns immer offene Türen, und das geht vom Kabinettschef bis zum Generalsekretär. Hier wird auf vielen Ebenen miteinander gearbeitet, und ich kann dem Ganzen im Gegensatz zu Ihnen kein angekratztes Verhältnis entnehmen. – Vielen Dank.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Neubauer stellt die nächste Zusatzfrage.

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Bundes­minister! Die Europäische Union besteht derzeit noch aus 28 Mitgliedstaaten. In 26 von 28 Mitgliedstaaten wird das Prinzip der doppelten Staatsbürgerschaft jetzt schon praktiziert, auch in Italien. Meine Frage dazu:

Sind Ihnen aufgrund dieses gelebten Prinzips einer doppelten Staatsbürgerschaft Be­las­tungen in den bilateralen Beziehungen der dies praktizierenden Länder bekannt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank für die Frage. – Es ist richtig, dass nur noch zwei Mitgliedstaaten den Vertrags­staaten des sogenannten Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehr­facher Staatsangehörigkeit des Europarates angehören, darunter eben Österreich. Die Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten war gar nicht Teil dieses Europaratsüberein­kom­mens.

In der Regel sind mit der Zulassung der Doppelstaatsbürgerschaft bislang keine beson­deren bilateralen Probleme verbunden. Wir haben aber ein Beispiel, das ich Ihnen nennen kann, das die Ausnahme von der Regel ist: Einbürgerungen von ukrainischen Staatsangehörigen durch Ungarn haben in der Ukraine für Verärgerung gesorgt.

Also das ist das Thema und, wie gesagt, wir müssten zuallererst überhaupt aus dieser Konvention aussteigen. Wir sind Vertragspartei dieser Konvention.

In der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft, die ich für Italien gerade angesprochen habe, was Südamerika anbelangt, gab es aus historischen Gründen immer eine sehr großzügige Handhabung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 13. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Seit fast vier Monaten hat Österreich jetzt den Vorsitz im Rat der Europäischen Union und hat auch im Vorfeld ein ausgezeichnetes Sechsmonatsprogramm präsentiert, unter dem Haupt­motto: ein Europa, das schützt! Das ist ein Motto, das nicht nur eine klare und wichtige Botschaft sendet, sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas, sondern auch ein Motto, unter das viele Themenbereiche fallen.

Sie haben bereits einige Ihrer Schwerpunkte genannt, aber vielleicht können Sie diese noch einmal konkretisieren. Mich würde nämlich genau interessieren, was in Ihrem Be­reich innerhalb der letzten vier Monate bereits erreicht werden konnte, was Ihnen für die verbleibende Zeit des Vorsitzes noch ein Anliegen ist und welche konkreten Schritte noch folgen werden, um Ihre außenpolitischen Schwerpunkte auch umzusetzen.

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 58/M, hat folgenden Wortlaut:

Was sind die außenpolitischen Schwerpunkte des österreichischen EU-Ratsvor­sit­zes?

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Vielen Dank. – Ja, in vielen Themen sind wir diejenigen, die sozusagen als Honest Brokers, als ehrliche Makler, die Dossiers mitverwalten, aber ein wesentlicher Schwerpunkt ist und bleibt die Reduzierung der illegalen Migration und die Sicherstellung der Hand­lungsfähigkeit der Europäischen Union hierbei. Wir hatten diese Themen auch zuletzt beim Rat am 15. Oktober ganz oben auf der Tagesordnung.

Wir setzen uns weiter für Sicherheit und Stabilität in unserer unmittelbaren Nach­barschaft ein, also auch das vorhin schon zitierte Einstehen und Engagement für eine Annäherung der sechs südosteuropäischen Staaten an die Europäische Union. Da spürt man immer wieder die Skepsis in wesentlichen EU-Hauptstädten des Nordwes­tens, die einfach weiter weg sind, die das auch vor dem Hintergrund der Europawahlen nicht so gerne sehen.

Betreffend östliche Partnerschaft hatten wir erst vor zwei Wochen eine lange Debatte zu den sogenannten 20 Deliverables, also zur Rechtsstaatsforcierung, in Staaten von der Ukraine bis Moldawien. Rückschläge, Fortschritte – all das wird in den Räten dis­kutiert. Auch hier wird Anfang Dezember eine hochrangige Konferenz stattfinden, bei der es nicht nur um die Ausbildung in diesen Staaten gehen wird, sondern letztendlich auch um Employability, das heißt, die Arbeitsmarktvermittlung für Menschen aus der Region in ihren Heimatländern.

In Bezug auf Afrika liegt unsere außenpolitische Priorität auf der Bewältigung der Kri­sen­situationen. Ich habe im Rahmen des vorhin Zitierten – EZA und AKF – einige Maß­nahmen gesetzt. Am 18. Dezember findet auf Einladung des Bundeskanzlers ein EU-Afrika-Forum unter dem Titel Taking cooperation to the digital age statt; also: auf gleicher Augenhöhe in die Zukunft, nicht in der Vergangenheit stecken bleiben, nicht stagnieren.

Da hat natürlich die Europäische Union – und das habe ich auch mehrfach kritisch an­ge­merkt – das eine oder andere verschlafen!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl (fortset­zend): Man muss weg von dieser Haltung des Mercy Business hin in eine Haltung des Verhandelns, des Kooperierens auf Augenhöhe, wo auch die Handelspolitik EU/Afrika eine wesentliche Rolle spielt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Haben Sie noch eine Nachfrage?

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Das Vertrauen der Bürger in die EU wurde auf­grund der Asylkrise 2015 zutiefst erschüttert. Dieses Vertrauen gilt es jetzt, mit den richtigen Maßnahmen Schritt für Schritt wiederaufzubauen. Die zentrale und wichtigste Aufgabe der Europäischen Union ist es dabei, die Bürger der EU zu schützen. Unser Innenminister Herbert Kickl hat in diesem Bereich auf europäischer Ebene eine drin­gend notwendige Kehrtwende und einen Umdenkprozess zustande gebracht.

Mich würde Ihre Sichtweise dazu interessieren. Wie sehen Sie Österreichs Rolle als EU-Vorsitzland im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und dem Außengrenz­schutz?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Sie haben die Maßnahmen zitiert, die Innenminister Kickl im Rahmen seiner Ratstagungen setzt. Es war auch das wesentliche Thema beim Gipfel in Salzburg am 20. September, und auch der Europäische Rat letzte Woche hat sich damit befasst. Innere Sicherheit, nämlich auch im Sinne von vorhin schon angesprochenen Cyberwar-Attacken gegen Regierungsinstitutionen – auch Österreich, auch das Außenministerium war bereits Angriffsziel von Cyberwar-Attacken –, all das ist etwas, bei dem wir im Verbund mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ressorts – aber natürlich setzen wir auch auf Experten – genau diese Aspekte mitberücksichtigen.

Wie ich immer wieder sage, der Kern aller Staatlichkeit ist Folgendes: Der Staat hat das Gewaltmonopol, er leistet Sicherheit, und der Bürger zahlt dafür Steuern. Staaten sind in der Vergangenheit nicht auseinandergebrochen, weil das kulturelle Angebot nicht mehr gestimmt hat, sondern weil diese staatliche Sicherheit nicht mehr gegeben war – wenn man etwa an die Staatenimplosionen der Neunzigerjahre denkt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke der Frau Außenminister für die Be­antwortung der Anfragen. Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt. Daher darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

Ich darf auf der Galerie eine Abordnung aus Gleisdorf, Ilztal, des Abgeordneten Stark sowie eine Abordnung der Gruppe Eval der Abgeordneten Bißmann herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen in unserem Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)