12.29

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Hohes Haus! Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Loacker: Sie tun mir ja leid! Sie müssen den Herrn Kanzler vertreten, der sich nicht traut!) Zuerst entschuldige ich mich für meine Verspätung. (Die Abgeordneten der SPÖ halten runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60 in die Höhe. – Abg. Höbart: Die kennen wir schon, die Taferl! – Ruf bei der FPÖ: Griff in die Mottenkiste! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich darf heute den Herrn Bundeskanzler vertreten, der sich in Brüssel befindet. In die Verhandlungen bezüglich des Themas Brexit ist ja in den letzten Tagen Schwung hineingekommen, und es ist wichtig, dass unser Herr Bundeskanzler heute - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung. – Darf ich Sie ersuchen, die Taferl wieder herunterzunehmen? Wir haben sie gesehen. – Danke. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist Usus.

Frau Bundesminister, Sie sind wieder am Wort.

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck (fortsetzend): Herzlichen Dank.

Also unser Herr Bundeskanzler ist heute zu Gesprächen zum Thema Brexit in Brüssel, er trifft dort den Chefverhandler Barnier, den Kommissionspräsidenten Juncker und auch den Präsidenten des Europäischen Rates Tusk. Gerade im Zusammenhang mit unserer Ratspräsidentschaft ist es wichtig, dass er in Vorbereitung auf den Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 25.11. dort präsent ist, und ich darf ihn heute hier in dieser zentralen Frage vertreten.

Nun zum Thema, meine Damen und Herren: Es ist in den vergangenen Tagen in vielen Reden rund um die 100-Jahr-Feier unserer Republik – es ist ja gerade auch ange­sprochen worden – viel vom Gemeinsamen, das man über das Trennende stellen will, die Rede gewesen. Ich kann mich dem nur vollkommen anschließen, und ich lade Sie wirklich ein, die heutige Sitzung genau dafür auch als Lackmustest zu sehen, wenn es darum geht, den Nutzen des österreichischen Standortes, österreichischer Mitarbei­terin­nen und Mitarbeiter in den Betrieben in den Vordergrund zu stellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Stellen wir also den Erfolg unseres Standortes von morgen über die parteipolitischen Kleingeldwechslereien von gestern, denn genau ein solches Politikverständnis kostet uns die Zukunft (Abg. Leichtfried: Wer hat denn diese Rede geschrieben, bitte?), und das dürfen wir uns in dem internationalen Wettbewerb, in dem wir uns befinden, vor allem im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Unternehmen nicht mehr leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass wir gemeinsam mehr erreichen, ist für mich eine absolute Selbstverständlichkeit. In Österreichs Unternehmen ist es übrigens auch so; auch dort arbeiten die Arbeit­geber und die Arbeitnehmer gemeinsam an den Zielen und nicht gegeneinander. Tagtäglich tun sie das und bauen in Österreich eine Zukunft auf, aber nicht nur für sich selbst, sondern auch für die nächste Generation. Sie arbeiten gemeinsam am Wohl­stand und an der sozialen Sicherheit unseres Landes – und das tun sie tagtäglich nicht gegeneinander, sie tun es miteinander. Jeder, der je in einem privatwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet hat und das nicht nur vom Hörensagen kennt, weiß das auch. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Tatsächlich haben sich auch die Bedingungen geändert. Ja, es ist richtig, es gibt Internationalisierung, es gibt Digitalisierung, es gibt neue Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Österreich, und die machen das auch sehr gut, aber sie brauchen zeitgemäße Rahmenbedingungen. Sie brauchen mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, das ist ein ganz wichtiger Faktor für die Unternehmen und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort arbeiten.

Die Flexibilität bei der Arbeitszeit war interessanterweise in den vergangenen Jahren auch immer Common Sense, auch in der SPÖ und bei den SPÖ-Gewerkschaftern. Ich muss Ihnen die Zitate nicht einzeln vorlesen, Sie kennen sie alle.

Es ändert sich aber auch unser Verständnis von Arbeit und Arbeitswelt. Wir erleben keine standardisierten Biografien mehr von der Wiege bis zur Bahre, die Verläufe än­dern sich. Wir wollen auch rund um den Beruf veränderte Möglichkeiten haben, die Freizeit anders, flexibler gestalten können. Wir wollen einmal mehr arbeiten, einmal weniger arbeiten. Das soll kein Problem sein und ist auch der Wunsch vieler Men­schen.

Um das zu fundieren, möchte ich Ihnen einige Zahlen bringen, weil immer wieder ge­sagt wird, alle sind dagegen, alle möchten das nicht. Laut einer Market-Umfrage – die ist übrigens von diesem Jahr und nicht von vergangenen Jahren – schätzen Öster­reichs Arbeitnehmer flexible Arbeitszeiten als eindeutig positiv ein. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Es geben 73 Prozent der heimischen Arbeitnehmer an, dass sie flexibel und bereit sind, phasenweise länger zu arbeiten. 78 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich sind davon überzeugt, dass die flexiblen Arbeitszeiten ihre Jobs sichern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Faktum ist ganz klar, dass unsere Flexibilisierung der Arbeitszeit den Erfordernissen der Unternehmen auf der einen Seite und den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der anderen Seite entspricht. Das zeigt auch ganz eindeutig eine erst jetzt durchgeführte Studie der WKO unter Arbeitnehmern: Die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz ist unverändert hoch, sie sind genauso zufrieden wie vorher, vor allem auch mit dem Ausmaß und der Lage der Arbeitszeit. Es hat sich da also seit September nichts verändert. (Abg. Erasim: Von wann ist die Studie, Frau Minister?)

Die Studie zeigt auch ganz klar die Vorteile der Flexibilisierung der Überstundenpolster und der Arbeitsplatzsicherheit.

Daher ist meine Bitte: Bleiben Sie bei den Fakten! Bleiben Sie in der Realität des Wirtschafts- und Arbeitslebens und leben Sie nicht irgendwo in Ihren Ideen, in Ihren Vorstellungen, wie die Arbeitswelt in den Unternehmen ausschaut! Und hören Sie bitte auch auf, die Arbeitswelt so zu zeichnen, als hätten wir auf der einen Seite den Arbeitgeber als skrupellosen Ausbeuter und auf der anderen Seite den Arbeitnehmer als Zeitsklaven! In Zeiten des Fachkräftemangels und der heutigen erfolgreichen Unternehmen ist das definitiv nicht mehr so. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Welt, die Sie da zeichnen, ist eine Welt der Vergangenheit. Sie ist eine Welt der Geschichte. Und ich möchte Ihnen sagen: Wer sich hier nicht rausbewegt und immer noch an diesen alten Themen festhält, wird wohl selbst bald Geschichte sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravoruf bei der ÖVP.)

Unsere Aufgabe ist es, den österreichischen Standort zu sichern und nach vorne zu bringen. Unsere Aufgabe ist es, Österreich stark zu machen und die Arbeitneh­merin­nen und die Arbeitnehmer der nächsten Generationen abzusichern, und dafür tun wir alles. Da braucht es keine Panikmache und auch keine Verunsicherung, so wie Sie es betreiben. Fundierte Aufklärung und Information sowohl für die Arbeitnehmer als auch in den Betrieben, das ist gefragt. Dazu sollten Sie beitragen – im Sinne eines Konsenses und eines Miteinanders und nicht Gegeneinanders. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Tatsache ist: Die Freiwilligkeit ist keine Mär, wie Sie es uns immer erzählen wollten, nein, sie ist vielmehr gestärkt worden. (Abg. Schieder: Ist das ein Kabarett oder - -?) Und ja, es gibt zum ersten Mal ein generelles Ablehnungsrecht der Arbeitnehmer, und zwar ohne Interessenabwägung. Das gab es vorher nicht, und das wird von Ihnen immer wieder verschwiegen. Die 11. und die 12. Stunde sind freiwillig! (Abg. Schieder: Lesen Sie keine Zeitungen? – Abg. Rosenkranz: Die „AZ“ kann man Gott sei Dank nicht mehr lesen!) Wie war es vorher? – Die 10. und die 11. Stunde sind nicht vollkommen freiwillig gewesen. Wir sind jene, die das eingeführt haben. Und ja, es ist nicht mehr eine Frage der Funktionäre, die das entscheiden, sondern des einzelnen Mitarbeiters, der einzelnen Mitarbeiterin, die nun in ihrer Möglichkeit gestärkt sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Da klatscht die Beamtenpartei!)

Tatsache ist auch, meine Damen und Herren: Es gibt immer wieder schwarze Schafe, ja, es gibt immer welche, die die Gesetze nicht einhalten (Abg. Meinl-Reisinger: Zum Beispiel die ÖVP bei den Wahlkampfkosten!), aber das gab es auch vorher. Das gab es vorher bei der Möglichkeit, bis zu 10 Stunden zu arbeiten, genauso wie jetzt bei der Möglichkeit, bis zu 12 Stunden zu arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Und: Bitte hören Sie auf, den Menschen zu erzählen, es gäbe einen 12-Stunden-Tag, denn diesen gibt es nicht! Es gibt eine Arbeitszeitflexibilisierung, und das ist das We­sent­liche. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Österreich ist ein Rechtsstaat, in dem es Organisationen wie das Arbeitsinspektorat und die Arbeitsgerichte gibt, die dafür sorgen sollen und auch dafür sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden. Jedes Gesetz, das hier beschlossen wird, wird mit der festen Absicht beschlossen, dass es eingehalten wird, und nicht mit der Absicht, dass es missbraucht wird. Genau das trifft auf dieses Gesetz zu, so wie es für andere Gesetze auch zutrifft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Scherak: Ist für eine ÖVP-Ministerin schwierig!)

Die Einzelfälle, die Sie nennen und die Sie auch aufzeigen, sind zu verfolgen – Einzel­fällen muss man nachgehen –, aber sie sind kein Grund, das ganze Gesetz infrage zu stellen, sie sind kein Grund, eine 180-Grad-Wende zu machen, sie sind kein Grund, parteitaktische Spielchen zu machen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Bei diesen Spielchen, meine Damen und Herren, gibt es nämlich keine Gewinner. Es gibt nur scheinbare Gewinner. Sie glauben, Sie sind Gewinner, wenn Sie das tun, aber es gibt nur tatsächliche Verlierer – und das sind der österreichische Wirtschaftsstandort, die Unter­nehmen und die MitarbeiterInnen. Für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Unterneh­men ist es schlecht, wenn hier blockiert wird, für die ist es schlecht, wenn hier falsch informiert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben ein schon seit vielen Jahren diskutiertes – und da waren alle eingebunden –Anliegen umgesetzt. Und ja, das kann man uns vorwerfen: dass wir das im Vergleich zu anderen in vergangenen Jahren umsetzen. Ja, das lasse ich mir sehr gerne vorwerfen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Schauen wir einmal über unsere Grenzen hinaus, blicken wir in den Norden, auf Schweden und auf andere Länder, schauen wir uns an, was die tun und welche Erfahrungen die gemacht haben! Schweden ist sicher ein Vorzeigeland für einen Sozialstaat. (Abg. Krainer: Wohlfahrtsstaat!) Schweden hat keine gesetzliche Höchst­arbeitszeit. Durch die Ruhepausen ist die tägliche Arbeitszeit mit 13 Stunden begrenzt, was auch den EU-Arbeitszeitrichtlinien entspricht. Und die Gesundheit und die Lebens­erwartung in Schweden zeigen noch deutlich höhere Werte als bei uns. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage Ihnen, wir gehen in die Normalität Europas, und dort sind wir auch sehr gut aufgehoben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP.)

12.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.