12.42

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Wirtschaftsministerin! Frau Sozialministerin! Von der Theorie, von Statistiken, vom Appell an die Wirtschaft, dieses Arbeitszeitgesetz nicht auszunutzen, kommen wir zur Praxis (Rufe bei der ÖVP: Nach Schweden!), die klar erkennbar ist: Zwei Jahre, nachdem dieses Gesetz das erste Mal diskutiert worden ist, ist es – am 5. Juli dieses Jahres – im Parlament ohne Begutachtung durchgepeitscht worden, und schon zwei Monate, nachdem es mit 1. September in Kraft getreten ist, sehen wir ganz klar, wo die Gewinner und wo die Verlierer sind.

Fakt ist, und das haben Sie in Presseaussendungen und in Kommentaren auch be­stätigt (Abg. Rosenkranz: Wer? Wann? Wo?), dass Ihr Arbeitszeitgesetz nicht funk­tioniert. (Abg. Rosenkranz: Was?) Fakt ist, dass zwei Monate nach dem Inkrafttreten ganz klar sichtbar wird, dass Arbeitnehmer zu 12 Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche gezwungen werden. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Fakt ist, dass schon zwei Monate nach Inkrafttreten sichtbar wird, dass eine Steuerberatungskanzlei in Tirol oder auch ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern in Salzburg Mitarbeiter zu Blanko­unterschriften zwingen, damit sie auf die Freiwilligkeit hinsichtlich der 11. und der 12. Stunde verzichten. (Abg. Lausch: Sie behaupten da etwas und wissen genau, dass es nicht stimmt!)

Das sind die Fakten, und diese negativen Auswirkungen Ihres Husch-Pfusch-Arbeits­zeitgesetzes auf die Beschäftigten sind in der Praxis leider wesentlich schneller auf­getaucht als befürchtet. Die SPÖ hat immer davor gewarnt, dass dieses Arbeits­zeit­gesetz so, wie Sie es eingebracht haben, in der Praxis nicht funktionieren wird, dass diese Freiwilligkeit ein Schmarrn und für den Hugo ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rossmann.) Sie haben uns vorgeworfen, wir betreiben Angstmache (Ja-Rufe bei der ÖVP), wir machen Gräuelpropaganda, nur weil wir gesagt haben, dass dieses Gesetz nicht funktionieren wird.

Sie haben in Wirklichkeit unter dem Deckmantel, es werde nur bei Bedarf angewandt, ein Arbeitszeitgesetz geschaffen, mit dem Sie bisherige illegale Arbeitszeit­über­schreitungen legalisiert haben – einfach von 10 auf 12 Stunden pro Tag, von 50 auf 60 Stunden pro Woche erhöht. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) Und Sie stellen sich jetzt hin – und das ist ganz besonders schlimm – und feiern, dass es jetzt weniger Arbeits­zeitüberschreitungen gibt – jetzt, nachdem Sie die illegalen Arbeitszeitüberschreitun­gen legalisiert haben! (Ruf bei der SPÖ: Skandal!) Das ist das Gleiche, wie wenn man die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 auf 180 km/h raufsetzt und sich danach feiern lässt, weil es auf den Autobahnen keine Raser mehr gibt. – Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Ich muss Sie wirklich fragen, sehr geehrte Damen und Herren von FPÖ und ÖVP: Was ist mit dem Versprechen, dass es gemäß Arbeitszeitgesetz einen Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche gibt? (Ruf bei der SPÖ: Wo ist es?) Was ist mit dem Versprechen, dass es durch dieses Arbeitszeitgesetz zu längeren Freizeitblöcken kommt? Wo sind die versprochenen schärferen Sanktionen bei Übertretungen, die angekündigt wurden? Wo sind entsprechende Vorschläge für längere gesetzliche Kündigungsfristen, damit die Opfer geschützt werden? Wo ist Bundeskanzler Kurz heute (Abg. Belakowitsch: In Brüssel!), der noch im ORF-Sommergespräch gesagt hat - - (Abg. Belakowitsch: In Brüssel! Er ist in Brüssel!) – In Brüssel, richtig, unter dem Vorwand Brexit, richtig (Ruf bei der ÖVP: Vorwand?), oder Orbán. (Abg. Rädler – die ausgestreckten Arme auf- und abbewegend –: Hallo! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Also ich muss mich wirklich wundern: Angelika Merkel ist heute in Brüssel (Abg. Zarits: Angela!), Emmanuel Macron ist in Paris (Abg. Nehammer: Angela! So viel Zeit muss sein!) – Angela –, Theresa May ist in London, und der Herr Kurz ist in Brüssel – weil ihm dieses nicht funktionierende Arbeitszeitgesetz wurscht ist! Das sind die Fakten. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Martin Graf: Die anderen sind ja auslaufende Modelle!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle waren bei der Festveranstaltung 100 Jahre Republik; auch Sie, Herr Graf. Der Bundeskanzler und der Vizekanzler haben dort ganz groß verkündet: das Gemeinsame vor das Trennende stellen, sich auf Augenhöhe begegnen und die Gespräche führen. Genau deshalb haben wir heute diesen Dringlichen Antrag eingebracht, genau deshalb laden wir Sie ein, ein funktionierendes Arbeitszeitgesetz zu schaffen – ein Arbeitszeitgesetz, von dem sich auch die Arbeitgeber – die Arbeitgeber, die das Gesetz bei Ihnen bestellt haben –wün­schen, dass es Rechtssicherheit schafft, denn jetzt ist das nicht der Fall; ein Arbeits­zeitgesetz, von dem sich die Arbeitnehmer, die bereit sind, flexibel zu arbeiten, Fair­ness beim Einkommen und auch einen entsprechenden Ausgleich in Form von Freizeit erwarten.

Deshalb: Bauen wir gemeinsam ein neues, funktionierendes Arbeitszeitgesetz – das, was Sie auf den Tisch gelegt haben, ist nicht mehr reparabel! Es ist oft gescheiter, man baut ein neues Haus, bevor man ein altes saniert. Wir laden Sie dazu ein, dieses Arbeitszeitgesetz neu zu bauen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.