9.29
Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eigentlich sehr froh, dass wir heute über das Thema Migration, über den Migrationspakt sprechen. Ich hoffe auch, dass es in der weiteren Diskussion ebenso sachlich weitergehen kann. (Abg. Schieder: Was war denn sachlich?) Ich muss vorwegschicken: Ich gebe zu, dass vieles, was wir im Internet lesen, gerade in diversen Foren oder Ähnlichem, reine Verschwörungstheorien sind (Abg. Meinl-Reisinger: Schade, dass Sie da mitmachen!), dass viele da auch bewusst Angst schüren, in verschiedensten Richtungen. Nichtsdestotrotz gibt es aber, wenn wir über diesen UN-Migrationspakt reden, viele Bedenken, die auch in die Entscheidung der Bundesregierung eingeflossen sind und am Ende auch die Enthaltung bewirkt haben.
Einige der Punkte im Pakt selbst sind eigentlich gute Punkte: Es geht um die Erhebung und Nutzung von Daten als Grundlage für politische Entscheidungen – absolut zustimmungswürdig. Es geht darin auch um die Bekämpfung von Armut, um fehlende Gesundheitsvorsorge, fehlende Berufsaussichten und fehlende Bildungsmöglichkeiten und auch darum, diese Faktoren für jene Menschen, die aufgrund dieser Situation ihre Heimat verlassen, zu bekämpfen.
Es geht um ein sicheres und koordiniertes Grenzmanagement und auch um die Bekämpfung von Menschenhandel und Schleppern. All diese genannten Punkte sind absolut unterstützenswerte Ziele und sicherlich von der Intention her auch durchaus richtig. Wieso stimmt also die Bundesregierung diesem Pakt nicht zu, wieso enthält sie sich? – Weil diese genannten Überschriften nur einige wenige von insgesamt 23 sind. Wenn wir uns alleine die Einleitung anschauen, sehen wir, dass da zwar festgelegt wird, dass es nicht um Asyl geht, sondern rein um Migration, wer sich den Text aber weiter durchliest, merkt, dass sich da Asyl und Migration oft vermischen, dass keine genaue Trennung zwischen illegaler und legaler Migration gemacht wird, dass verwässert wird und dass den unterzeichnenden Ländern Maßnahmen auferlegt werden, die auch über die derzeit in Österreich geltende Rechtslage hinausgehen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr kriegt ja alle die gleichen Informationen!)
Gehen wir nur von der legalen Migration aus: Österreich hat mit der Rot-Weiß-Rot-Karte ein Zuwanderungssystem, das klare Kriterien und klare Bedingungen vorgibt, wie man nach Österreich einwandern kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber das hat nicht funktioniert!) Klar ist, dass wir Migration brauchen; das bestreite ich keineswegs. Gerade Fachkräfte in unterschiedlichen Bereichen und Branchen werden händeringend gesucht, und wir stehen da immer auch in einem Wettbewerb mit anderen Ländern. Nehmen wir nur die Gastronomie, den Tourismus, die Informatik her: Überall da brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Wir sind da auch gefordert, unser Zuwanderungssystem immer wieder anzupassen, an die Nachfrage, an regionale Spezifika.
Nichtsdestotrotz entscheidet Österreich selbst, entscheidet Österreich souverän, nach welchen Kriterien und unter welchen Bedingungen man nach Österreich einwandern darf. (Abg. Meinl-Reisinger: Lesen Sie doch bitte den Pakt! Lesen Sie doch einmal den Pakt!) Da geht es um die Souveränität Österreichs in der Migrationspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
In den letzten Wochen wurde auch sehr intensiv darüber diskutiert, inwieweit dieser Pakt Verbindlichkeit hat. Eine Unterzeichnung bedeutet auch eine Bindung (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), absolut, ja. Es wird über 80 Mal in diesem Dokument von Verpflichtung gesprochen, davon, dass man sich zu etwas verpflichtet, und es gibt auch einen Überprüfungsmechanismus, der festgeschrieben ist, um sicherzustellen, dass die geschriebenen Worte auch in die Tat umgesetzt werden. Das ist in meinen Augen bereits eine sehr weitgehende Formulierung.
Auch einige Experten sind der Ansicht, dass dieser Pakt in zukünftige Gerichtsurteile einfließen kann, dass der Pakt zu Völkergewohnheitsrecht werden kann oder im Wege von Soft Law rechtliche Wirkung entfalten kann.
Österreich ist keineswegs das einzige Land, das diese Bedenken zum Migrationspakt hat. Wir haben schon gehört, dies gilt auch für die USA, Israel, Tschechien, Estland und, wie vor Kurzem auch angeklungen, Australien. Andere Länder überprüfen den Migrationspakt auch, weil sie ähnliche Bedenken haben.
Ich möchte noch festhalten, dass das keineswegs eine Rechts-Links-Debatte ist. Das sieht man in den vielen Diskussionen und aktuellen Debatten in anderen Ländern, beispielsweise in Deutschland. Oberbürgermeister Boris Palmer, selbst Grünpolitiker, hat auf Facebook eine sehr umfangreiche Stellungnahme abgegeben, hat die angesprochenen Bedenken ebenso geäußert und davon abgeraten, diesen Pakt allein mit: Augen zu und durch!, zu unterschreiben. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie meinen eher: Augen auf und lesen!)
Die Intention des Pakts ist sicherlich eine gut gemeinte, aber der Pakt ist in der Endfassung noch mit vielen Unklarheiten behaftet.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!
Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (fortsetzend): Wir müssen zwischen jenen, die Schutz suchen, und jenen, die einfach auf ein besseres Leben hoffen, unterscheiden. Unsere Aufgabe, unsere Pflicht ist es, die Kriterien und Bedingungen souverän festzulegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
9.34
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf recht herzlich die Lehrlinge der Berufsschule für Rauchfangkehrer in Wien begrüßen. – Herzlich willkommen im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächster ist Herr Abgeordneter Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.