9.56

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Die­se Bundesregierung bekennt sich ganz offen zum Multilatera - - (Abg. Leichtfried: Ein Freud’scher Versprecher!), zum Multilateralismus, zu internationalen Verträgen, ja.

Es wurde aber auch gesagt, der Inhalt muss stimmen, und der Inhalt in dem Migra­tionspakt stimmt nicht, auch das ständige Wiederholen macht ihn nicht richtiger. Weil gesagt wurde, wir sollen uns inhaltlich damit auseinandersetzen: Ich lade Sie ein, das auch zu tun! Wenn davon gesprochen wird, dass es ja kein verbindlicher Pakt sei, so ist das nun formal vordergründig richtig. Es gibt aber genug Völkerrechtler, die sagen, es gibt auch Völkergewohnheitsrecht, das dann sehr wohl bindend werden kann.

Der Pakt sagt selbst: „Wir verpflichten uns, den multilateralen Dialog im Rahmen der Vereinten Nationen durch einen periodischen und wirksamen Folge- und Überprü­fungsmechanismus fortzusetzen, der sicherstellt, dass die in diesem Dokument enthal­tenen Worte in konkrete Taten zum Nutzen [...] umgesetzt werden“ müssen. „Wir ver­pflichten uns, die im Globalen Pakt niedergelegten Ziele und Verpflichtungen [...] zu er­füllen.“ – Das Wort Verpflichtung kommt 80 Mal in diesem Pakt vor.

Es geht dann ja noch weiter – wir haben hier zu Recht kritisiert, dass es eine Vermi­schung von legaler Migration, illegaler Migration und Asyl gibt –: „Wir werden [...] zu­gängliche und zweckdienliche Verfahren entwickeln, die den Übergang von einem Sta­tus zum anderen erleichtern“. – Das steht in diesem Pakt. Reden wir über Inhalte!

Eingriff in die souveräne Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik der Staaten: „Wir wer­den [...] Prozesse [...] entwickeln und verstärken, die es Migranten ermöglichen, mit mi­nimalem Verwaltungsaufwand den Arbeitgeber zu wechseln“, „kurz-, mittel- und lang­fristige Politikziele zur gesellschaftlichen Inklusion von Migranten entwickeln“ und vie­les mehr.

Eingriff in die souveräne Sozialpolitik der Staaten: „Wir verpflichten uns, Arbeitsmigran­ten [...] Zugang zu Sozialschutz“ schnell und einfach zu ermöglichen. „Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Men­schenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können.“ (Abg. Scherak: Und da sind Sie dagegen, oder wie? – Abg. Hauser: Das sind Ver­pflichtungen! Was Sie immer bestreiten!)

Druck auf einen weiteren Ausbau legaler Migration - - Nein, Kollege Scherak, das Ent­scheidende ist, dass wir in Österreich in der Hand haben sollten, wer zu uns kommt (Beifall bei ÖVP und FPÖ), dass Maßnahmen wie die Rot-Weiß-Rot-Karte dazu ge­eignet sind, geordnete Zuwanderung zu ermöglichen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Daran wird gearbeitet, aber mit so einer Verpflichtung in so einem Pakt schafft man mehr Verwirrung als Lösung.

Und dann gibt es schon noch einige seltsame Passagen wie: Druck auf Medien, mi­grationsfreundlich zu berichten. – Das kann es nicht sein. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Meinl-Reisinger und Deimek.) Man muss immer in der Lage sein, objektiv zu berichten, über alle Migrationsbewegungen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ja, diese Bundesregierung hat die Interessen Österreichs im Fokus und kann nicht ein­fach einen Pakt unterzeichnen, in dem steht – undifferenziert –, Migration sei eine Quelle des Wohlstands. Ich glaube nicht, dass das die österreichische Bevölkerung einfach eins zu eins übernehmen würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass wir nicht allein sind, zeigt der Prozess, der gerade stattfindet. Der Bundeskanzler hat die Länder schon aufgezählt: Australien, Israel, Bulgarien, Tschechien, Estland – weitere folgen. In der Bundesrepublik Deutschland beginnt die Diskussion gerade erst.

Gestatten Sie mir, Folgendes zu sagen: So wie diese Aktuelle Stunde gerade abläuft, von den NEOS initiiert, so drängt sich mir schon der Gedanke auf, dass die Opposition auf einer permanenten Sinnsuche, auf der Suche nach ihrer Legitimation ist. (Ruf: Nichts anderes! – Abg. Meinl-Reisinger: Machen Sie sich keine Sorgen!) Mir fällt die Schubertmesse ein – ich weiß, da tun sich die NEOS dann wieder schwer, weil es ein religiöser Bezug ist –, da heißt es: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?“ (Abg. Loacker: „Wem künd ich mein Entzücken, wenn freu­dig pocht mein Herz?“ – Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.)

Da wird verzweifelt versucht, Themen zu inszenieren, die keine sind. Die SPÖ hat noch vor Kurzem ein Positionspapier erarbeitet, in dem ganz klar dokumentiert worden ist, dass eine Trennung zwischen Asyl und Migration wichtig ist, und die Liste Pilz, die jetzt heißt, hat überhaupt erst eine moralische Legitimation, sich moralisch zu em­pören, wie Kollege Rossmann (Abg. Meinl-Reisinger: Warum sachlich, wenn’s auch persönlich geht?!), wenn Kollege Pilz nicht mehr Mitglied der Liste Jetzt ist. Das ist aus meiner Sicht das Thema dieser Stunde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Abschließend, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, ein offenes Wort: Ich bin dank­bar, dass Sie Verantwortung für diese Republik tragen. Ich bin dankbar, dass Sie auch bei einer kritischen Frage Haltung zeigen und nicht tagespolitisches Kleingeld auf dem Rücken der Interessen der Österreicherinnen und Österreicher (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wie es die Opposition heute tut, wechseln. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dönmez. – Zwischenruf des Abg. Loacker. – Ruf: Sehr schwach, sehr schwach!)

10.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.