10.30

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und zu Hause vor den Bild­schirmen! Kein Mensch dieser Welt kann sich ein Leben lang sicher sein, seine Heimat nicht zu verlieren. Die Feierlichkeiten dieser Tage erinnern uns Österreicherinnen und Österreicher daran, dass wir innerhalb der letzten 100 Jahre wiederholt gezwungen waren, unsere Heimat zu verlassen, zu migrieren und im besten Fall später traumati­siert in die alte Heimat zurückzukehren.

Geschätzter Herr Kanzler, in Zeiten des Wandels, im Übergang von der Monarchie zur Republik, von der Republik zur Diktatur, von der Diktatur zur Republik war der Migra­tionsdruck in Österreich immer besonders hoch. Heute ist es der Klimawandel, der die Menschen weltweit zur Migration zwingt. Der UN-Migrationspakt ist ein erster Schritt, oder besser gesagt, wäre ein erster Schritt gewesen, um notwendige Maßnahmen für das fast schon Unausweichliche einzuleiten. Herr Bundeskanzler, da stimme ich mit Ihnen überein: Es ist legitim, sich gegen einen derartigen Pakt zu entscheiden. Eine Sache allerdings: Bei internationalen Initiativen dieses Ausmaßes sollten Sie sich rechtzeitig überlegen, was spricht dafür, was spricht dagegen?! (Abg. Höbart: Das ha­ben wir getan!)

Sie hätten die Gegenargumente schon vor zwei Jahren geltend machen sollen und nicht heute ein fatales Signal in die Welt aussenden, das einen unkontrollierten Domi­noeffekt auslöst. Anstelle von Gemeinsamkeit – dem vielzitierten und absolut wichtigen Multilateralismus – haben wir nun nationale Alleingänge provoziert. Genau so ein Klima brauchen wir in einer globalisierten Welt, die sich im Wandel befindet, nicht.

Romana Sommerer aus meiner Heimatstadt Graz sieht das folgendermaßen: Ich bin glücklich, in einem Land leben zu dürfen, dessen demokratische Grundwerte mir Si­cherheit und Stabilität vermitteln – bis jetzt. Durch den Ausstieg aus dem UN-Migra­tionspakt verliert meine Heimat Österreich für mich an Ansehen, Glaubwürdigkeit und Mitgestaltungsmöglichkeit an Lösungen für das globale Migrationsproblem. Wir alle wissen, das Thema Migration wird nicht nur meine Zukunft und die meiner Familie be­treffen, sondern auch alle anderen Menschen auf unserem Planeten. – Zitatende.

Ja, jedes einzelne Land dieser Welt ist von Migrationsbewegungen und vom Klima­wandel betroffen. Zukünftig wird er die stärkste Ursache für Flucht und Krieg sein. Eine schwere Dürre und eine darauffolgende Hungersnot hat in Syrien ziemlich sicher zum Ausbruch des Krieges beigetragen. Am meisten Leid tragen von dieser Entwicklung Mädchen und Frauen davon, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wie etwa in Indien, wo der klimawandelbedingte Verlust von Nahrungsquellen, die Ver­schiebung der Regenzeiten oder längere Dürren es bäuerlichen Familien unmöglich machen, von ihrer Ernte zu leben. Er zwingt sie, in die Städte zu ziehen, wie etwa jene, deren Land in den Flussdeltas von Ganges und Brahmaputra untergeht.

An dieser Stelle möchte ich eine Wortmeldung aus Indien verlesen, die mich gestern erreicht hat: Women are the first sufferers in Asia of climate change. They are the ones who get water, and as it grows scarcer, they walk more. They are fed last. And if there is not enough food they get the least. They sow the seeds and harvest the crop. And they are the first to suffer when it rains too much out of season or doesn’t rain at all. Is it fair to women that we don’t do enough to stop climate chance? – Zitatende. Maneka Sanjay Gandhi, die amtierende Frauenministerin Indiens, hat mir dieses Zitat zur Ver­fügung gestellt.

Geschätzte Regierung! Wir alle sind gefordert, diese Themen nicht auszusitzen und auf kommende Generationen zu verschieben. Der Klimawandel betrifft alle. Es gibt aber noch Hoffnung, die Klimaziele sind noch erreichbar, sowohl finanzierbar als auch technisch machbar, wie ein kürzlich erschienener Bericht der Boston Consulting Group zeigt.

Darum lade ich Sie, geschätzte Regierung, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesminister, Hohes Haus, ein, dieses Problem gemeinsam zu lösen, denn nur gemeinsam sind wir stark. Ich appelliere eindringlichst an Sie, Herr Bundeskanzler dieser Republik: Neh­men Sie das Wort Klimawandel endlich in Ihren Wortschatz auf!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Ich bin überzeugt: Wä­ren Sie sich der Gefahren des Klimawandels und der Auswirkungen des Klimawandels auf den Migrationsdruck bewusst, würden Sie dieses Bewusstsein in Ihre Politik ein­fließen lassen; dann könnten Sie nicht mehr so leichtfertig aus einem UN-Pakt aus­steigen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Friedl.)

10.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Besuchergruppe aus Eferding, die auf Einladung von Frau Abgeordneter Plakolm da ist, recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.