11.19

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Abgeordnete des Euro­päischen Parlaments! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herr Kollege Vilimsky, Sie haben hier schon etwas Bemerkenswertes ge­sagt, und zwar, es wäre bedauerlich – ich glaube, Sie haben es etwas schärfer, in Richtung eines Angriffs ausgedrückt –, dass man einen rot-weiß-roten Konsens verlas­sen würde, indem man sachliche Kritik an der Ratspräsidentschaft üben würde. Sie ha­ben damit eigentlich jedem, der Kritik sachlicher Natur an dieser Ratspräsidentschaft, an der Ausrichtung der Ratspräsidentschaft übt (Abg. Lopatka: Eine faire Bewertung wollte er!) – lassen Sie mich vielleicht ausführen, Herr Kollege, bevor Sie wieder hi­neinschreien –, unterstellt, er würde antipatriotisch agieren. Ich fordere Sie auf, das zu­rückzunehmen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Lugar.) Das ist eine Missachtung des Parlamentarismus! Das ist eine Missachtung der Opposition, und das lasse ich mir von Ihnen sicherlich nicht unterstellen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Abg. Gudenus: Sie beweisen es ja jeden Tag!)

Es zeigt aber den Geist, der da vorherrscht, weil ja auch der Herr Bundeskanzler in seiner ersten Stellungnahme erklärt hat, er wurde hier angepatzt. (Ruf bei der ÖVP: Na sicher!) Verzeihen Sie, Herr Kanzler, aber wenn Sie so ein Glaskinn haben, dass Sie sachliche Argumente der Opposition als Anpatzen bezeichnen, dann verstehe ich, dass Sie nicht öfters herkommen, weil Sie es offensichtlich nicht aushalten. Sie müs­sen es aber aushalten, es ist das Recht der Opposition, sachlich Kritik zu üben. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Man kann jetzt darüber diskutieren, welchen Einfluss eine Ratspräsidentschaft über­haupt insgesamt auf die Entwicklung in Europa hat. Darüber kann man wirklich trefflich diskutieren: Kann man sozusagen Wunder erwarten oder was ist überhaupt die Rolle einer Ratspräsidentschaft?

Ich finde es übrigens auch ganz bemerkenswert, was immer auf Ebene der Beamtin­nen und Beamten geleistet wird. Die sind ja schon Jahre und Monate davor in der Vor­bereitung und arbeiten wirklich sehr fleißig und sauber ein Programm ab. Die Beam­tenebene, die ja wirklich hervorragend funktioniert, ist aber unabhängig von der politi­schen Ebene zu sehen. Die politische Bilanz der Ratspräsidentschaft darin zu sehen, wie viele Ratsarbeitsgruppen und wie viele Treffen auf Beamtenebene stattgefunden haben – quasi Ihr Leistungsausweis –, erschließt sich mir halt noch nicht ganz.

Davon unabhängig gibt es aber eine politische Ebene, auf der es für ein Vorsitzland schon die Möglichkeit gibt, indem man zum Beispiel ein Motto ausruft, klare Leitlinien auszurufen, klare Richtungen vorzugeben, zu sagen: Ja, in diesem Bereich wollen wir gestalten und wollen eigentlich auch ganz bewusst Zeichen setzen! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wenn man sich diese politische Ebene anschaut, dann muss man sagen, es ist defensiv, wie die Ratspräsidentschaft gelaufen ist, es ist unambitioniert, wie die österreichische Ratspräsidentschaft gelaufen ist, sie ist meiner Meinung nach in einer gewissen Weise auch überfordert gewesen. Es gab ja auch ein Interview mit Herrn Minister Blümel, der gesagt hat: Gott sei Dank ist es bald zu Ende, denn wir sind eigentlich so gefordert.

Und es ist nationalistisch! Herr Vilimsky, Sie haben das gesagt, Sie haben das hier ei­gentlich ganz gut entlarvt. Sie haben gesagt, Sie sind froh, dass die österreichische Ratspräsidentschaft ein Katalysator einer neuen politischen Entwicklung, einer Neuord­nung der kontinentalen Politik ist, sozusagen nach dieser Ära Merkel. Sie sehen ja jetzt schon den Abgesang von Emmanuel Macron. – Ich finde, das ist sehr entlarvend. Das zeigt nämlich, was eigentlich die Geisteshaltung dahinter ist, auch hinter dem Europa, das schützt, und hinter einer Subsidiaritätskonferenz, die – ich bin sicher, meine Kolle­gin Claudia Gamon wird darauf eingehen –, ehrlich gesagt, nichts gebracht hat – und sie hat gezeigt, dass man eben besser nichts mehr auf der nationalen Ebene zurück­lässt –, nämlich dass man ganz klar sagt: Wir verabschieden uns eigentlich vom euro­päischen Gedanken.

Ich würde sagen, es gibt in Europa nationale Politiker, die man in zwei Kategorien tei­len kann (Abg. Deimek: Das ist Peinlichkeitspolitik, was Sie betreiben!): Die einen sa­gen: Europapolitik ist für mich auch Innenpolitik!, und die anderen sagen: Ich mache In­nenpolitik sozusagen auf europäischer Ebene! – Ich glaube, man kann dieser Ratsprä­sidentschaft tatsächlich konstatieren – in den ganzen Shows, in den Hochglanzinsze­nierungen, aber vor allem auch in diesem Türaufmachen für die Nationalisten und Po­pulisten –, dass Sie vor allem eines gemacht hat: Sie haben nationale Wahlkämpfe, Ihre nationale Politik auf europäische Ebene gehoben. – Das ist schade und sehr be­dauerlich. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Ruf bei der ÖVP: Was hat der Herr Bundeskanzler gemacht? Peinlich!)

Ein Letztes, weil Sie sich gerne vergleichen: 2006 hat Österreich die Ratspräsident­schaft unter das Motto gestellt: Europa neuen Schwung geben. Das ist aktiv, nicht de­fensiv. Das wäre die Möglichkeit gewesen, zu fragen, was neben Migration – wo be­dauerlicherweise nichts weitergegangen ist, auch bei Frontex nicht – die großen Fra­gen sind.

Was sind die weiteren großen Fragen? – Klimawandel, Steuergerechtigkeit, Wettbe­werbsfähigkeit, Sicherheit und Verteidigung, das sind wesentliche Fragen für unseren Kontinent, Schicksalsfragen für die nächste Generation, bei denen man aktiv in die Gestaltung hätte gehen können. Da habe ich nichts, aber gar nichts gesehen, und das ist sehr schade. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.25

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Bru­no Rossmann. – Bitte.