12.03

Mitglied des Europäischen Parlaments Karin Ingeborg Kadenbach (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ein Europa, das schützt – diesen ersten Teil des Satzes haben wir 2016 schon im dritten Programm von Kommissar Juncker ge­hört –, „ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“: Auf das Stärken und Verteidigen hat diese Ratspräsidentschaft offenbar verzichtet, denn im Verständnis der Kommis­sion war mit dem Stärken die innere und äußere Sicherheit gemeint, der Ausbau der sozialen Säule, aber das alles sind Themen, die dieser Regierung offenbar kein Anlie­gen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch in der Antrittsrede von Bundeskanzler Kurz zu Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft recht deutlich geworden, wie man zu diesen beiden Begriffen, die die Grundwerte der Europäischen Union ansprechen, nämlich Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte, steht: Das kam in seiner Rede nicht vor – aber das ist eigentlich nur schlüssig, denn wenn ich mir die Politik anschaue, die in diesem Hohen Haus von dieser Regierung gemacht wird – und ich denke an Menschenwürde und gleichzeitig an Mindestsicherung, ich denke an Menschenrechte und gleichzeitig an Asylrecht –, dann, muss ich sagen, kann das in einer Antrittsrede auch nicht vorkom­men. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Hier in diesem Haus, das haben wir in den ersten Statements gehört, ist diese Rats­präsidentschaft im Vorfeld wie etwas behandelt worden, was es in der Europäischen Union noch nie gegeben hat: Jetzt haben wir Ratspräsidentschaft! Österreich hat Ratspräsidentschaft! – In Wirklichkeit ist das eine Routinetätigkeit. Man wechselt sich im gleichberechtigten Turnus darin ab, die Tagung des Rates zu organisieren und zu leiten, den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen zu vertreten und bei Proble­men zwischen den Mitgliedstaaten und den Institutionen zu vermitteln. Ein Teil dieser Aufgaben ist hervorragend gelöst worden, ein Teil – und auf den wird sich der Rest meiner Ausführungen in erster Linie beziehen – lässt mehr als nur zu wünschen übrig.

Übrigens, wir hatten (in Richtung Präsidium) auch einen Vorsitzwechsel während die­ser Debatte hier im Hohen Haus, nämlich den Wechsel von Präsident Sobotka zu unserer Präsidentin Bures, und auch das ist eigentlich ohne ganz große Bewegungen vonstattengegangen. Ganz ähnlich war es im Rat. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Dank gilt jenen Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Ministerien, der Ständigen Vertretung, die in ehrlicher, harter Arbeit diese Ratspräsidentschaft nicht nur vorbereitet haben, sondern sie auch jetzt begleiten und sehr intensiv arbeiten, ein starkes Engagement auf sachlicher und auf technischer Ebene zeigen. – Ein herzliches Dankeschön an all diese für diese gute Zusammenarbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung versteht den Ratsvorsitz offenbar ganz anders. Folgende Defi­nition stammt nicht von mir, aber ich will sie Ihnen nicht vorenthalten. Ein Kollege hat gemeint, er habe den Eindruck, er sei bei einem Eiskunstlaufevent. Im Paarlauf, das Scheinwerferlicht suchend, wird im türkis-blauen Glitzerkostüm ein Achter nach dem anderen auf das Eis gezeichnet. Und auch wenn der Herr Bundeskanzler meint, bei diesem Paarlauf die führende Rolle innezuhaben – das Publikum weiß schon längst, dass er in der Rolle des Folgenden ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ratspräsidentschaft sollte aber als Teamaufgabe gesehen werden, bei der nach klaren Regeln die Kapitänsbinde wechselt, und diese Binde darf ruhig die Farben der Mit­gliedstaaten tragen, darf in diesem Fall ruhig rot-weiß-rot sein. (Ruf bei der FPÖ: Der Parteitag findet erst statt!) Man muss nur wissen, dass man in der Mannschaft mit den zwölf goldenen Sternen spielt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorredner Andreas Schieder und Jörg Leichtfried haben schon alles, was diese Ratspräsidentschaft eigentlich hätte tun sollen, ausgeführt. Digitalsteuer, Frontex, Steuergerechtigkeit – nichts davon passiert. Mich wundert es nicht, dass Kollege Vi­limsky diese Ratspräsidentschaft rühmt, denn wenn jemand dieses Europa nicht wei­terführen will, wenn dieses Friedensprojekt von einer Partei infrage gestellt wird, dann ist das die ENF, dann ist das Kollege Vilimsky. Er muss diese Ratspräsidentschaft be­grüßen, das verstehe ich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Auch wenn wir noch nicht am Ende sind (Abg. Neubauer: Sie sind schon am Ende!) – Kollege Karas hat versucht, das Ganze damit ein bisschen zu entschuldigen –, möchte ich sagen: Lichtprojektionen zaubern wunderschöne Bilder, nur haben sie keine Subs­tanz. Für die Ratspräsidentschaft wird in den nächsten Wochen die Musik verstummen, die Mozartkugeln werden gegessen sein, und es ist eine Schande, wenn von einer Ratspräsidentschaft außer einer grauen Filztasche nichts übrig bleibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Wöginger: Da freuen wir uns schon auf den Schieder!)

12.08

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lugar. – Bitte.