12.14

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Kanzleramtsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte EU-Parlamentarier, Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Aufgrund des EU-Ratsvorsitzes wird Österreich beim anstehenden Welt­klimagipfel der Vereinten Nationen in Kattowitz, Polen, als Verhandlungsführer der Eu­ropäischen Union die klimapolitischen Interessen Europas vertreten. Das ist eine eh­renvolle, eine große Aufgabe, und das Verhalten Österreichs an der Spitze dieses mul­tilateralen völkerverbindenden Gipfels kann eine neue Welle des Vertrauens und der Zuversicht – international – in die österreichische Regierung auslösen; könnte, käme das Wort Klimawandel im Wortschatz unseres Bundeskanzlers vor – tut es aber nicht! Ich habe ihm vorhin sehr aufmerksam zugehört. In seinen Ausführungen im Zuge die­ser Debatte – er ist jetzt nicht mehr hier – ist das Wort Klimawandel wieder kein einzi­ges Mal vorgekommen. Er könnte das Wort als Unwort des Jahres einreichen.

Wir in der Politik dürfen hier nicht Vogel Strauß spielen. Je länger wir warten, desto höher bäumt sich diese Welle über uns auf. Die Auswirkungen sind heute spürbar, die Klimakrise ist eine Bedrohung für globale Stabilität und Sicherheit. Das wissen wir alle mittlerweile, deshalb once again: Wo steht unser Herr Bundeskanzler bei diesem Thema? – Im Programm der EU-Ratspräsidentschaft steht sehr wohl geschrieben, dass aktiver Klimaschutz ein Schwerpunkt der Umweltpolitik während der österreichi­schen Ratspräsidentschaft ist.

Wir erleben eine umtriebige Nachhaltigkeitsministerin, die eine Klimastrategie verfasst hat, 100 Tage nach der Regierungsbildung, die ihre Sektionen mit Topexperten aus den Bereichen Klimawandel und Energiewende besetzt hat, die einen viel beachteten informellen EU-Umweltgipfel in Graz gehostet hat und die auch Verhandlungen be­treffend eine europaweit 35-prozentige Treibhausgasreduktion bei Pkws geführt hat. Sie, unsere Bundesministerin, und auch die Bevölkerung sehen die Welle auf uns zu­kommen. Allerdings: Wo ist das Mittel der Wahl, der stärkste Klimaschutzhebel über­haupt, die ökosoziale Steuerreform? Sie kann die Welle noch abschwächen. Es ist aber während der Ratspräsidentschaft keine Rede von ihr; nicht hier in Österreich, nicht auf EU-Ebene. Irgendwann im Jahr 2020 soll dann irgendetwas mit ökologischen Aspekten im Zuge der allgemeinen Steuerreform erfolgen. Wie wichtig die Ökosteuer­reform für die Umwelt, für die Menschen und nicht zuletzt für die Innovations- und Wachstumskraft unserer Wirtschaft ist, zeigen viele Studien, zeigen Vorreiterländer; wir gehören nicht dazu.

Im Zuge der Ökologisierung unseres Abgabensystems kommt die steuerliche Belas­tung weg vom Faktor Arbeit hin zum CO2-Ausstoß, und damit haben Verbraucherinnen und Verbraucher keine Mehrbelastung. – Das ist ein Mythos. Bundesministerin Köstin­ger setzt sich während der EU-Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene für einen CO2-Min­destpreis ein. – Das ist zu begrüßen, allerdings soll uns das hier in Österreich nicht da­von abhalten, Vorreiter zu sein; ganz im Sinne unseres Ex-Vizekanzlers von der ÖVP, Josef Riegler, der den Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft seinerzeit geprägt hat. Es ist uns allen bewusst, dass Steuern politisch-kommunikativ ein hoch anspruchs­volles Thema sind, klar formuliert versteht aber jeder Mensch in diesem Land, dass ein Leben ohne Ökosteuern teurer sein wird als ein Leben mit Ökosteuern.

Geschätzte ÖVP, von Politikmarketing verstehen Sie ja so einiges, das konnten wir alle im Wahlkampf sehen. Warum setzen Sie Ihre Expertise nicht dafür ein, ein politisch-kommunikativ anspruchsvolleres Thema wie die Ökosteuern sinnvoll und richtig an den Mann, an die Frau in Österreich und auf EU-Ebene zu bringen? Es ist ja nicht schwer, hohe Umfragewerte zu erreichen und zu behalten, wenn man auf den großen Themen der Zeit surft – Stichwort Migration, Flüchtlinge –, aber nutzen Sie doch Ihre Fähigkei­ten auch dazu, den Menschen im Land Mut zu machen! Muten Sie ihnen die Einfüh­rung von Ökosteuern zu, sorgen Sie dafür, dass die Menschen verstehen, dass sie für sie keine Zusatzbelastung bringen und dass sie der Wirtschaft und der Umwelt guttun werden!

Sie können das, Sie müssen sich nur trauen und aus Ihrer bewährten Strategie des Agendasurfings von bestehenden Wellen ausbrechen. Reiten Sie doch die Wellen, die sich gerade erst aufbauen, denn der Klimawandel ist genau so eine Welle! The early surfer catches the wave. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

12.19

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.