12.06

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Nach dieser Dankes­euphorie des Herrn Mag. Gudenus ist es vielleicht ganz gut, das Bild ein bissel zurechtzurücken. Ich möchte mit einem Erlebnis beginnen, das ich einige Tage nach Amtsantritt der neuen Regierung gehabt habe. Da bin ich in Wien in der Innenstadt gegangen und es haben mich unabhängig voneinander zwei Damen auf der Straße angesprochen (Abg. Höbart: Den Schmäh kennen wir schon!), und beide haben das Gleiche gesagt. Sie haben gesagt: Wir sind so froh, dass wir jetzt eine Regierung haben, die nicht streitet. – Das war sicher eine Erwartung, die viele Österreicherinnen und Österreicher in diese neue Bundesregierung gesetzt haben. (Abg. Höbart: Und wir haben sie nicht enttäuscht!) Und die Erwartung wurde erfüllt, es wird nicht gestritten, jedenfalls nicht öffentlich.

Aber: Was ist die Kehrseite der Medaille? Die Kehrseite der Medaille ist, dass auch über große Vorhaben nicht diskutiert wird, dass Begutachtungsverfahren, wann immer es geht, vermieden werden. Das Ergebnis sind Gesetze, die man besser so nicht eingebracht und schon gar nicht beschlossen hätte. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Es ist daher ein hoher Preis, den wir für diese Art von Politik, für diesen neuen Stil zahlen. Das sieht man ganz besonders bei Gesetzen wie das zum 12-Stunden-Arbeitstag, das verschiedene Gruppen der Gesellschaft ganz unterschiedlich betrifft. Gerade da wäre eine Diskussion notwendig, da müssten die Menschen gehört werden und es müsste versucht werden, unter Einbindung der Opposition eine Lösung zu finden, mit der die Menschen leben können.

Doch das scheut diese Regierung, und sie ist sogar bereit, der Koalitionsharmonie die eigenen Grundsätze zu opfern. Ich kann mir vorstellen, dass es für manche von Ihnen, meine Damen und Herren der ÖVP, schon schwer war, als Sie dem Rauchverbot in der Gastronomie zustimmen mussten. (Ruf bei der FPÖ: Das ist wie in einer Ehe!) Und ich kann mir vorstellen, meine Damen und Herren der FPÖ, dass Sie geschluckt haben, als Sie aufgestanden sind, um der Arbeitszeitflexibilisierung zuzustimmen (Abg. Gudenus: Das nennt sich Koalition! – Abg. Haubner: Das werden Sie merken, wenn Sie in der Regierung sind! – Abg. Kitzmüller – in Richtung Abg. Haubner –: Die wird’s nie merken! – Abg. Wöginger: Das ist wie daheim, da ...!), denn die betrifft ja vor allem ihr Klientel.

Sie versuchen, Ihre Anhänger bei der Stange zu halten, indem Sie Flüchtlinge angrei­fen, Asylwerber angreifen, Migranten angreifen. (Ruf bei der FPÖ: Die greifen andere an!) Das ist etwas, von dem ich hoffe, dass die ÖVP schlucken muss (Abg. Rosenkranz: Diese Regierung hat keine Schluckimpfungen!), denn bisher war sie ja nicht als Partei bekannt, die diese Linie vertritt. Das war immer die FPÖ, die hat darauf immer eine Art Monopol gehabt.

Aber das ist nicht alles: Wir erleben dadurch eine Unkultur der Ausgrenzung und des Pauschalverdachts. Das ist auch ein Ergebnis von diesem einen Jahr Regierung. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Das richtet sich gegen Gruppen der Gesellschaft, die dableiben werden – die gehen nicht weg! (Abg. Rosenkranz: Ja!) Viele von ihnen sind österreichische Staatsbürger (Ruf: Dann sollen sie sich auch so benehmen!), unsere Kinder und Enkelkinder müssen mit ihnen hier leben. (Abg. Rosenkranz: Ja!)

Die große Herausforderung ist daher: Wie schaffen wir es, dass die Menschen in unserem Land friedlich zusammenleben? Wie schaffen wir es, dass Menschen ihr Leben selber in die Hand nehmen können und ihr Leben gestalten können? Wie schaffen wir es, dass ein jeder in diesem Land eine Chance hat? – Das sind die ganz großen Herausforderungen, und dazu hat diese Regierung in diesem Jahr nichts geliefert. Wir haben keine Vorschläge, wie den Herausforderungen im Bildungssystem begegnet wird. (Abg. Rosenkranz: Falsch!) Die Einführung der Ziffernnoten (Abg. Rosenkranz: Geh’ bitte! Das ist Schmerz! Schmerz!), das Sitzenbleiben in der Volksschule, ist ja doch wohl noch keine Antwort darauf. Das sind Probleme, die gelöst werden müssen. (Abg. Rosenkranz: Sehr gut als Ziffer!)

Stellt man daher dieser Regierung heute ein Zeugnis aus und berücksichtigt dabei die großen Herausforderungen (Abg. Wöginger: Was kriegen wir, einen Dreier?), dann ist es kein gutes Zeugnis. (Abg. Rosenkranz: Aber bitte keine Ziffernnote jetzt!) Für mich ist es ein Armutszeugnis, dass Österreich nach diesem einen Jahr im rechtsnationalen Eck steht. – Und das haben Sie verursacht! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

12.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße den Präsidenten der Ärztekammer recht herzlich im Parlament und erteile Abgeordnetem Noll das Wort. – Bitte.