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Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Prä­sidentin! Geschätzte Damen und Herren! Bürgerinnen und Bürger! Auch von meiner Seite: Liebe Lena Jäger, deinem Team und allen Ehrenamtlichen herzliche Gratulation zu diesem Volksbegehren, das in der zweiten Auflage ein Riesenerfolg war! 282 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner stehen für den letzten Schritt in Richtung einer gleichberechtigten Gesellschaft, Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ein, was zum Ergebnis hat, dass es allen besser geht.

Ich möchte auf folgende Forderung eingehen: „schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei variablem Lohn- und Personalausgleich“. – Das ist eine zeitgemäße Forderung, die von der aktuellen Regierungspolitik konterkariert wird; mit der 60-Stunden-Woche haben wir Österreich ins vorige Jahrhundert zurückkatapultiert. Im Zuge der Digitalisierung erleben wir, dass die Märkte nicht wachsen, sondern effizienter werden. Wir können davon ausgehen, dass in zehn bis 20 Jahren sehr viele Berufe durch Roboter, künstliche Intelligenz, Automatisierung und Computerpro­gram­me ersetzt werden. Die Zukunftsforschung spricht von 40 bis 60 Prozent Verlust an Arbeitsplätzen aufgrund dieser Entwicklung.

Dazu kommt, dass Frauen heute immer noch zwei Drittel der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit stemmen, und daher werden sie sehr oft in zeitlich befristete und niedrig entlohnte Teilzeitarbeit gedrängt. Rund ein Drittel dieser Frauen sind heute armuts­gefährdet. Fair und familienfreundlich sind solche Arbeitsverhältnisse für niemanden und auch sind sie volkswirtschaftlich kaum mehr zu argumentieren. Wir müssen diese Entwicklungen ernst nehmen – Digitalisierung, Automatisierung – und eine progressive Arbeitspolitik und zukunftsorientierte Arbeitsmodelle in Symbiose mit der Digitalisierung entwickeln. Das bedingungslose Grundeinkommen ist daher keine Frage von Prä­ferenzen und Optionen, sondern eine zwangsläufige Konsequenz.

Was hat das mit Frauen zu tun? – Viel. Dazu ein passendes Zitat von Herrn Mathis Hampel (Abg. Lasar: Wer ist das?), Wissenschaftsforscher aus Wien: Wenn in einer Gesellschaft mit Grundeinkommen alle mehr Möglichkeiten haben, dann haben die, die heute am wenigsten Möglichkeiten haben, am meisten davon, und das sind eben sehr oft Frauen. – Zitatende. Außerdem, und das ist ein sehr stark unterschätzter Aspekt: Wenn wir die Teilhabe an Wohlstand und Macht zwischen Frauen und Männern gleich verteilen, dann kommen wir in den wichtigen, essenziellen Zukunftsfragen wie soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz viel schneller voran.

Dass es beim Klimawandel nicht bloß um den CO2-Fußabdruck geht, hat Papst Franziskus in seiner Klimaenzyklika genannten Enzyklika „Laudato si“ erkannt. Auf 200 Seiten erwähnt er CO2 fünf Mal, Klima zwölf Mal, Würde 25 Mal und Armut 59 Mal. Der Papst stellt die Verteilungsfrage und verknüpft den Klimawandel mit sozialer Gleichstellung – und damit sind wir wieder bei der 30-Stunden-Woche und dem Frauenvolksbegehren.

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wäre finanziell abgegoltene Arbeit abge­schafft und ein Arbeiten und Leben in Würde für alle ermöglicht. Wer schlecht behan­delt wird, wer keinen Sinn in seiner Erwerbstätigkeit findet, der arbeitet ungern, und daraus leiten sich die meisten sozialen Probleme ab. Das Grundeinkommen befreit zugleich die Politik von der Doktrin, der Geiselhaft der Vollbeschäftigung um jeden Preis, denn der Zwang der Vollbeschäftigung bringt uns Titel wie Fossil of the Day in Kattowitz ein. Dieser Negativpreis wird während der Weltklimakonferenz täglich an Länder verliehen, die sich in den Verhandlungen kontraproduktiv verhalten.

Wenn wir es schaffen, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten, dann fragen wir uns nicht, wie wir den Klimawandel am besten bekämpfen können, sondern wir fragen uns: Was kann der Klimawandel für uns tun? Er kann nämlich nicht weniger als den positiven Wandel zu unser aller Gunsten auf allen Ebenen ermöglichen.

Die Angst um das Erwerbseinkommen behindert einen effektiven Klimaschutz, die Angst um das Erwerbseinkommen bedroht sozialen Frieden und behindert jede Art von Entwicklung in einer Gesellschaft. Eine Regierung, die ihrer Bevölkerung kein existenz­sicherndes Einkommen sichern kann, bekommt Gelbwesten als Antwort. Damit Österreich nicht Frankreich wird, brauchen wir mittelfristig das bedingungslose Grund­ein­kommen und auf dem Weg dorthin die Arbeitszeitverkürzung und die 30-Stunden-Woche (Zwischenruf bei der ÖVP); davon profitieren nämlich alle im Land (Zwischenruf der Abg. Steinacker), nicht nur die Frauen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

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