14.44

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diesen Appell zur Gemeinsamkeit kenne ich: Den kenne ich aus den Schlag­zeilen, den kenne ich aus den Ausschüssen, nur endet er immer dann, wenn es konkret wird, und wenn es konkret wird, wird verschoben, vertagt, und dann ist es vorbei mit der Gemeinsamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Die Wahrheit ist, ich habe Gernot Blümel, als er sein Amt angetreten hat, angeboten, ihn in sinnvollen Fragen zu unterstützen. Er hat ein einziges Mal das Gespräch in Medienangelegenheiten gesucht – in Kulturangelegenheiten übrigens überhaupt nicht; da weiß er offensichtlich alles. Ansonsten, muss ich sagen, gab es keine weitere Diskussion.

Er hat eine teure Medienenquete veranstaltet, die interessant war – da war das Who’s who der europäischen Medienlandschaft hier –, aber seit einem Jahr herrscht Still­stand, und das in einer Zeit, in der die Digitalisierung diesen Markt – wie alle anderen Märkte – radikal verändert. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Insofern muss man sagen, dass die Frage, wofür es überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, in Zeiten von Video on Demand, Netflix, Amazon Prime und so weiter natürlich zu stellen ist. Die Frage müssen wir uns als Vertreter der Öster­reicherinnen und Österreicher, als jene, die deren Interessen wahrzunehmen haben, stellen. Um die Frage vernünftig und nach vorn zu beantworten, müssen wir wohl auch die Lehren aus der vergangenen Entwicklung ziehen.

Warum gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? – Weil sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das britische Modell der Radio- und TV-Anstalten, die sich selbst und damit allen Bewohnerinnen und Bewohnern eines Landes gehören, durchgesetzt hat. Das war die Antwort auf den Staatsfunk und auf die Volksempfänger, und es war die Antwort auf Propaganda und Verhetzung.

Wer nicht sicher war, ob das so gut, richtig und gescheit ist, der hat es spätestens beim Prager Frühling gewusst. Es war die Stimme des Österreichischen Rundfunks, der sich widersetzt hat: eine Stimme gegen die Tyrannei und gegen den Staatsfunk, und es ist sozusagen Legende, wie gut der ORF damals gearbeitet hat und wie wichtig es ist, einen unabhängigen Rundfunk zu haben. (Beifall bei der SPÖ.) Alle VertreterInnen der politischen Grundhaltung und der Idee der liberalen Demokratie werden diese Idee unterstützen.

Dass das Internet die Märkte radikal verändert, dass die Digitalisierung alles verändert, ist keine Frage, und wir müssen genauso zur Kenntnis nehmen, dass sich das Medien­verhalten ändert. Während die Altersgruppe der über 60-Jährigen zu 97 Prozent ihre Inhalte über lineares Fernsehen konsumiert, wenn wir von Bewegtbild sprechen, sind es bei den 14- bis 29-Jährigen nur mehr 66 Prozent, und beim laufenden TV-Pro­gramm ist das Verhältnis 92 zu 48 Prozent.

Weniger als die Hälfte des Bewegtbildcontents kommt bei den Jungen über das laufende TV-Programm, bereits 10 Prozent über YouTube. Und während man in den Achtzigerjahren am Samstagabend noch in trauter Runde vor dem TV-Gerät saß, heißt Fernsehen für junge Menschen heute, auf öffentlichen Plätzen, in ihren Zimmern, in der U-Bahn am Handy zu streamen.

Wenn wir also wollen, dass unsere Werte die mediale Revolution nicht nur überdauern, sondern auch mitgestalten, müssen wir uns zu diesem System bekennen, und das bedeutet, an die Grundsätze der Gründung zu erinnern, die da wären:

Erstens, die Unabhängigkeit bei der Finanzierung ist sicherzustellen. Die Finanzierung aus dem Budget ist ebenso abzulehnen wie eine reine Contentförderung von Public-Value-Inhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens, nur eine Finanzierung über Gebühren sichert die Unabhängigkeit des ORF bestmöglich. Nach dem Vorbild Großbritanniens ist nach meiner Überzeugung jeden­falls die Streaminglücke zu schließen. Selbstverständlich – da teile ich die Ansicht von Karl Nehammer, was an sich selten der Fall ist; man wird es ihm vielleicht ausrichten, wenn er wiederkommt (Zwischenrufe bei der ÖVP) – muss aber der öffentlich-rechtliche Auftrag neu definiert werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss täglich seine Legitimation unter Beweis stellen. Sport und qualitätsvolle Unterhaltung gehören ebenso dazu wie Kunst, Kultur und Information.

Wir brauchen, und das wissen wir ebenfalls alle, auch eine umfassende Digitalisie­rungsstrategie für den ORF. Er muss Anschluss betreffend die Bedürfnisse junger Menschen finden, muss auf allen Plattformen auffindbar sein. Gemeinsam mit Privat­anbietern ist eine Contentplattform zu entwickeln, und die 7-Tage-Catch-up-Regelung ist aufzuheben.

Die journalistische Qualität und Unabhängigkeit muss weiter einer effektiven Selbst­kontrolle, einer Kontrolle durch den Stiftungsrat, aber auch durch die Medienbehörde unterliegen.

Und – längst fällig aus meiner Sicht – es braucht einheitliche GIS-Beiträge für ganz Österreich. Es ist nicht einzusehen, dass in einem Land von der Größe Österreichs unterschiedlichste GIS-Gebühren bezahlt werden.

Ich möchte mit den Worten einer wichtigen Proponentin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und der liberalen Demokratie schließen, die ich vor zwei Tagen auf Ö1 gehört habe, kurz vor dem „Journal“. Es ist die mittlerweile 90 Jahre alte, aber ewig junge, intelligente und inspirierende Ágnes Heller, die ungarische Philosophin und Holocaustüberlebende. Sie hat in dieser Sendung gesagt – ich zitiere 

„Demokratie ist kein natürlicher Zustand, [...] Demokratie ist eine Erfindung der modernen Menschen, umso mehr muss sie gehütet werden. Denn Gefahren“ gibt „es genug.“ – Eine Budgetfinanzierung wie in Ungarn ist eine solche Gefahr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

14.50

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wendelin Mölzer. – Bitte.