16.22

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Wir sind uns doch alle einig, dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist. Ich glaube, wir sind uns auch alle einig, dass die leistbaren Wohnungen am Markt heute Mangelware geworden sind. Jahr für Jahr steigen die Preise, und sie steigen in einem Ausmaß, unverhältnismäßig zu den Steigerungen bei den Einkommen, unver­hältnismäßig im Zusammenhang mit der Teuerung aller anderen Waren.

Was bedeutet das im Endeffekt? (Abg. Neubauer: Dass der Pilz billig wohnen kann!) – Im Endeffekt bedeutet das, dass die Menschen immer mehr arbeiten müssen, damit sie sich das Wohnen überhaupt leisten können. Die Schere zwischen Einkommen und leistbaren Wohnungen geht immer weiter auseinander. 37 Prozent sind es in der Zwischenzeit, die die Menschen in Österreich an Arbeitszeit und an Mitteln aus ihrem Einkommen verwenden müssen, um sich überhaupt Wohnen leisten zu können. Wenn der Klubobmann der ÖVP, Kollege Wöginger, heute – jetzt ist er gerade nicht hier – gesagt hat, wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein, dann kann ich nur darauf hinweisen: Wenn manche Menschen drei Viertel ihrer Arbeitszeit benötigen, um sich die Wohnungen leisten zu können, dann sind sie zwar nicht dumm, aber dann wurden sie von der Politik einfach im Stich gelassen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, es ist Aufgabe jeder Regierung, sich um diesen Bereich intensiv zu kümmern. In diesem Sinne verstehe ich den Dringlichen Antrag der SPÖ: um jetzt auf die Dringlichkeit dieses Themas hinzuweisen. Ich glaube, dass die Abschaffung der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit den Mietverträgen nicht unbedingt das optimale Mittel dafür ist. Es gibt ja auch Fachleute wie Werner Doralt, die darauf hinweisen, dass sich das nicht tatsächlich auf die Mietkosten umschlagen lässt. Bruno Rossmann wird das später auch noch einmal erläutern. Vielleicht ist auch das eine Möglichkeit – ganz ehrlich, ich kenne mich da zu wenig aus –, es gibt ja auch andere Möglichkeiten, es besteht aber auf jeden Fall Handlungsbedarf. Ich kann nicht erkennen, dass die Regierung irgendetwas im Schilde führt, irgendetwas unternehmen möchte, um diesen Vorgängen sozusagen ein Stopp als Signal zu setzen. (Beifall bei JETZT.)

Im kommenden Jahr ist da jedenfalls nichts auf der Agenda – im Gegenteil. Wir behandeln ja morgen einen Antrag, demzufolge die Wohnungen für Studenten in den Wohnheimen teurer werden sollen. Das versteht die ÖVP unter Entlastung der Be­völkerung. Ich glaube, dass die ÖVP in der Regierung nicht nur in der Vergangenheit immer wieder auf der Bremse gestanden ist, wenn es um Mietrechtsreformen gegan­gen ist, sondern auch jetzt nicht wirklich etwas in der Richtung vorhat. Dass sich die Partei des kleinen Mannes von den sozialen Agenden verabschiedet hat, seitdem sie in der Regierung ist, ist uns ohnehin schon aufgefallen. Sie unterstützen jetzt in der Re­gierungskoalition die Immobilienbranchepartei ÖVP. Wir wissen, dass jeder dritte Großspender im Wahlkampf der ÖVP aus der Immobilienbranche gekommen ist, und ich erwarte mir von dieser Fraktion und von dieser Regierung daher auf diesem Sektor leider Gottes nichts für die Mieter und Mieterinnen.

Schauen wir uns an, was die ÖVP sozusagen als Strategie vorschlägt: Eigentum ist die beste Vorsorge. Im Bautenausschuss haben einige Abgeordnete der ÖVP gemeint, es ist doch allemal gescheiter, sich eine Wohnung zu leisten, im Eigentum zu kaufen, als von Mieten abhängig zu sein. Das ist einfach nichts anderes als eine zynische Aussage, die uns alle an die ehemalige Königin von Frankreich vor der Französischen Revolution erinnert. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das Zitat ist historisch nicht belegt, aber sie hat ja angeblich den Armen gesagt, sie sollen sich doch, wenn sie sich kein Brot leisten können, Kuchen leisten. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Ich würde das jetzt umlegen: Wenn sich die Österreicher und Österreicherin­nen die Miete nicht mehr leisten können, dann sollen sie sich – wäre die Aussage der ÖVP – doch die Wohnungen kaufen!

Wir wissen, dass sehr viele überhaupt keine Perspektive in dieser Richtung haben. Das mediane Bruttoeinkommen in Österreich liegt bei 2 200 Euro. Wenn man jetzt auf Netto umrechnet und wenn man sehr, sehr sparsame Menschen im Auge hat, die sich von diesem Geld vielleicht noch 10 Prozent absparen, was ja fast schon unmöglich ist, dann müssen die hundert Jahre warten, damit sie sich eine kleine Wohnung in Wien oder in Österreich leisten können. Da gibt es also überhaupt keine Perspektive, und nicht zuletzt deswegen ist die Hälfte aller Österreicher und Österreicherinnen in einem Mietvertrag, in einem Mietverhältnis; in Wien sind es sogar 80 Prozent.

Was kann man dagegen tun? – Ich würde einmal ansetzen und überlegen: Wie schaut es mit diesen befristeten Verträgen aus? Sind die wirklich notwendig? Die Bundes­republik Deutschland hat in der Zwischenzeit diese Gesetze wiederum zurückge­nom­men, nur in Ausnahmefällen kann dort ein befristeter Mietvertrag ausgestellt werden, nämlich bei Eigenbedarf und/oder wenn sich Umbauten oder Neubauten abzeichnen.

Was ist denn das Problem bei diesen befristeten Mietverträgen? – Das erste Problem ist, dass es eine anhaltende Unsicherheit gibt. Jeder, der einmal einen Mietvertrag gehabt hat, der auf fünf Jahre begrenzt war, weiß, dass er natürlich für die Zukunft nichts wirklich vorprogrammieren kann, noch dazu wenn sich nach fünf oder zehn Jahren auch die Mieten dann jeweils immer wieder erhöhen. Was aber das noch größere Problem ist: Niemand, der in einer solchen Wohnung wohnt, wird in diese Wohnung wirklich viel investieren. Das heißt, es leidet eigentlich die Wohnkultur in Österreich aufgrund dieser befristeten Mietverhältnisse. Ich glaube, auf diesem Sektor könnte sehr rasch eine Hilfestellung in Angriff genommen werden.

Die zweite Geschichte sind die Kurzzeitvermietungen, bekannt unter Airbnb. Wir wis­sen ja, dass vor allen Dingen in den Ballungszentren, in den großen Städten die Mietpreise auch deswegen steigen, weil Wohnraum fehlt, der durch diese kurzfristigen Vermietungen an Touristen abgezogen wurde. Das heißt, Touristen übernehmen sozusagen den Wohnraum, der eigentlich den Ortsansässigen zur Verfügung stehen könnte, und verknappen dadurch die Wohnraummöglichkeiten. Berlin, Paris, auch Barcelona arbeiten bereits daran, das zu reduzieren. Bei uns in Österreich passiert da gar nichts.

Die dritte Möglichkeit ist natürlich die Maklerprovision, wie sie von Kollegin Rendi-Wagner heute schon angesprochen worden ist. Es ist doch wirklich nicht einzusehen, dass die Makler, die ja die Arbeit für die Vermieter – und nicht für die Mieter – machen, von den Mietern bezahlt werden müssen.

Ich glaube, es gäbe noch genug Möglichkeiten, darüber nachzudenken, was man da tun kann. Machen Sie irgendetwas und sagen Sie nicht so wie Kollege Sieber: Wir werden uns auch irgendwann einmal dem Mietrecht widmen!, denn diese Sprüche kann ich überhaupt nicht mehr hören. Frau Kollegin Steinacker, ich kenne diese Sprüche im Zusammenhang mit dem Urhebervertragsrecht auch von Ihnen. Machen Sie irgendetwas, machen Sie es bitte jetzt! – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

16.30

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Feichtinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.