12.37

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist schon weit fortgeschritten, da kann man vielleicht eine Art Zwischenbilanz ziehen: auf der einen Seite überschäumendes Lob, auf der anderen Seite vernichtende Kritik. Die Wahrheit wird, so wie meistens im Le­ben, irgendwo in der Mitte liegen. Es war nicht alles überwältigend und es war nicht al­les grottenschlecht. Auf Beamtenebene – Claudia Gamon hat das schon angespro­chen – ist einiges erreicht worden.

Für mich geht es aber in erster Linie darum, zu fragen: Ist es der Ratspräsidentschaft gelungen, uns Europa – meine Vorrednerin hat das auch erwähnt – näherzubringen? Ist es gelungen, die Beziehung der Österreicherinnen und Österreicher zu Europa zu vertiefen? Denken wir jetzt anders über Europa, positiver? Oder hat sich eigentlich nichts geändert, oder ist es vielleicht sogar schlechter geworden?

Dazu ein Denkanstoß: Auf meiner Laufstrecke komme ich immer wieder bei einem Haus vorbei, an dessen Balkongeländer eine Europafahne hängt. Da wohnt ein ehe­maliger Unternehmer, er ist jetzt in Pension, und ich habe ihn gefragt: Warum haben Sie eine Europafahne aufgehängt? Das ist ja eigentlich nicht üblich. – Er hat mir ge­sagt: Ich habe als Kind noch den Zweiten Weltkrieg erlebt. Ich kann mich noch gut an dieses Gefühl der Unsicherheit, an dieses Gefühl der Angst erinnern, als die Bomben­flieger gekommen sind, an dieses Gefühl der Rechtlosigkeit und des Ausgeliefertseins. Er hat mir von einem Erlebnis erzählt, als ein Mann zu zwei Buben, die ihn mit dem Hitlergruß begrüßt haben, gesagt hat: Ihr könnt aber schon Grüß Gott sagen! – Und der hat dann im Gefängnis darüber nachdenken können.

Was diesem Mann mit der Europafahne gelingt, ist, so wie mit mir auch mit anderen Menschen, mit Spaziergängern, mit Nachbarn über Europa ins Gespräch zu kommen. Das ist eigentlich das Wichtige. Es ist ja nicht so, dass nicht über Europa gesprochen wird, aber meistens wird geschimpft. Das ist ja auch unterhaltsamer. Und meistens wird gesagt: Da gibt es die Krise und die Krise und die Krise.

Es gab und gibt ja auch immer wieder Krisen; aber für ein solch heterogenes Gebilde wie die Europäische Union sind Krisen der Normalzustand. Durch Krisen werden ja auch immer Kräfte mobilisiert; es wird gesehen, worum es geht. Die Krise hilft dabei, sie auch zu überwinden. Der Europäischen Union ist das gelungen: Sie ist aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen. Wir haben nicht weniger Europa gehabt, sondern mehr Europa.

Daher ist es ganz entscheidend, dass sich jeder von uns im Gespräch mit Menschen für die Europäische Union einsetzt, das Positive bewusst macht, klarmacht, worum es geht und welches Glück wir heute haben, dass wir in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts leben, dass das nicht selbstverständlich ist. Das ist etwas, was wir uns jeden Tag wieder erwerben müssen. – Danke. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Zadić.)

12.41

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. Herr Abgeordneter, 2 Minuten sind noch Restredezeit. – Bitte.