9.46

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Heute ist ein denkwürdiger Tag. (Abgeordnete der SPÖ stehen zum Teil auf und halten ein Transparent mit der Aufschrift „Beste Medizin für alle statt VIP-Klasse für Reiche!“ in die Höhe sowie türkis-blaue Tafeln mit der Aufschrift „Statt Drei-Klassen-Medizin“, „Beste Medizin für alle!“ und einem Bild, das ein Gebiss zeigt, das in zwei unter­schiedliche Teile geteilt ist, wobei auf einer Seite gesunde Zähne und auf der anderen Seite verfärbte Zähne abgebildet sind. – Oh-Rufe bei der ÖVP. Rufe bei ÖVP und FPÖ: Das wird auch schon fad! Man kann nichts sehen!) Wir schreiben Geschichte! Wir schreiben Geschichte und wir haben den Mut zu einer Reform, die seit Jahrzehnten notwendig war. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Blickt man in der Geschichte zurück und nimmt man ein Protokoll vom 6. Februar 1919 zur Hand – das war vor fast hundert Jahren –, dann sieht man, dass es damals fast die gleichen Diskussionen gegeben hat.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung, darf ich Sie ersuchen, da es jetzt alle wissen, die Taferln wieder zu senken! (Die Abgeordneten der SPÖ legen die Tafeln weg.  Abg. Krainer – das Transparent senkend –: Jetzt haben sie es ge­sehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Das schaut ja wirklich furchtbar aus, was Sie da haben! – Ruf: Alles Pinocchio! – Heiterkeit bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Damals hat es noch Bezirkskrankenkassen ge­geben, und man hat damals von einer Vereinheitlichung der Krankenkassen ge­sprochen; es war auch eine Gesetzesvorlage und eine Vereinheitlichung der Kran­kenkassen. Hundert Jahre später schaffen wir es endlich, eine Reform anzugehen, die bereits jahrzehntelang gefordert wird. Gestatten Sie mir auch eine persönliche Bemerkung: Ich bin seit über 30 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Es war immer mein Ziel, diese Sozialversicherung für die Versicherten zu reformieren, und ich danke Ihnen für diesen Beschluss. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es geht um die Weiterentwicklung des Systems und um die eigentlichen Ziele, nämlich die Versorgung der Menschen. Wer sind die Gewinner? – Die Gewinner sind, meine Damen und Herren – auch die Damen und Herren Zuschauer –, die Versicherten, die Bürger und Bürgerinnen in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Die einzigen Verlierer sind (in Richtung SPÖ weisend) Ihre Funktionäre, und deswegen haben Sie auch demonstriert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme jetzt zur Trägerstruktur, 21 auf fünf: Lieber Herr Kollege Stöger, zählen war anscheinend noch nie Ihre Stärke (Abg. Leichtfried: Hallo, Herr Präsident, haben Sie das gehört?), denn es gibt fünf Kassen. (Zwischenruf der Abg. Becher.) Die aktuell fünf Betriebskrankenkassen haben die Möglichkeit, in die ÖGK hineinzuoptieren oder sich als private Wohlfahrtseinrichtung zu etablieren, und die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates wird eine eigenständige berufsständische Versorgungsein­richtung. Wir haben also fünf Kassen. Das ist unser Faktencheck. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Auf der Galerie sitzt der jetzige Generaldirektor des Hauptverbands der österreichi­schen Sozialversicherungsträger – servus, grüß dich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rendi-Wagner dreht sich in Richtung Galerie und spendet demonstrativ Beifall.) Wir machen einen schlanken Dachverband, lieber Herr Generaldirektor! Ich glaube, das muss auch in deinem Sinne sein, Effizienz zu schaffen und trägerübergreifend zu koordinieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Wittmann.)

Durch die Zusammenführung von Sozialversicherungsträgern wird das Gesundheits­wesen aufgrund weniger Entscheidungsträger agiler. Ich habe das auch schon öfters im Hohen Haus gesagt: Um Entscheidungen für die gesamte Sozialversicherung zu treffen, waren 54 Beschlüsse notwendig – 54 Beschlüsse, das hat mindestens ein halbes Jahr gedauert; dass das nicht effizient ist, ist, glaube ich, offensichtlich.

Wer profitiert von unserem System? – Der Versicherte, das haben auch Experten im Ausschuss gesagt – unabhängige Experten bitte! (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Frau Hofmarcher beispielsweise hat kritisiert, wie unser Gesundheitssystem ausschaut – das ist das, was Sie mir übergeben haben! (Abg. Wittmann: Haben Sie die Einschätzungen des Rechnungshofes gelesen?) Die Krankenhaushäufigkeit ist zu hoch, die Wartezeiten sind zu lang, die Öffnungszeiten sind nicht entsprechend für den Versicherten und es gibt auch zu wenige Kassenärzte. (Abg. Wittmann: ... hat der Rechnungshof gesagt!) Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Wahlärzte gefördert, somit eigentlich die Menschen zu Privatzahlungen verpflichtet, und Sie haben sie in die Ambulanzen und in die Krankenhäuser getrieben. Das war Ihre Gesundheitspolitik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Wie schaut die künftige Selbstverwaltung aus? Die Sozialversicherungen werden nicht nur hinsichtlich ihrer Zahl, sondern auch hinsichtlich ihrer Größe beziehungsweise des Umfangs ihrer Verwaltung reduziert. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Verwaltung wird bei einem einzigen Organ liegen, nämlich dem Verwaltungsrat. (Abg. Wittmann: .... Rechnungshof!) Es wird neue Kräfteverhältnisse geben, und das ist natürlich etwas, was Ihnen nicht passt, daher regen Sie sich so auf. (Abg. Plessl: ... Schieflage!)

Es wird ein verstärktes Aufsichtsrecht des Bundes geben. Das ist notwendig, um Zweck­mäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit laufend zu prüfen. Weiters wird es Eignungsprüfungen für Mitglieder der Selbstverwaltung geben. Auch das passt Ihnen auch nicht. Selbstverwaltung braucht jedenfalls bestvorbereitete und -ausgebildete Repräsentanten. Es geht nicht um die Aberkennung einer demokratischen Legiti­mation, sondern um eine Besuchs-, eine Informationsveranstaltung. Das ist der Sinn dahinter, warum wir das machen. (Abg. Wittmann: Sicher geht es um das!)

Jetzt aber zu den Leistungsverbesserungen: Ganz generell wird mit der nun auf Schiene befindlichen geplanten Strukturreform ein altes und ineffizientes System reformiert, und das ist die Basis für eine weitere Gesundheitsreform. Durch die Zusammenführung der Gebietskrankenkassen wird es in absehbarer Zeit durch die Schaffung einer bundesweit einheitlichen Satzung und Krankenordnung sowie den Beschluss eines neuen Gesamtvertrages zu einer gänzlichen Harmonisierung der Leistungen innerhalb eines Trägers kommen – gleiche Leistungen, gleiche Beiträge. Wer ist der Gewinner? – Sieben Millionen Versicherte sind die Gewinner. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zu den Leistungen der AUVA: Wir haben Sie auch da, wie so oft, der Unwahrheit überführt. Wo haben wir ein Spital geschlossen? Wir haben immer gesagt, wir schließen keine Spitäler. Das ist jetzt auch der Fall. Das heißt, Ihre Demos sind um­sonst. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun zu den in Aussicht genommenen Rationalisierungen im System: Wie bekannt ist, gehen wir davon aus, dass zwischen 2020 und 2023 insgesamt 1,05 Milliarden Euro für die Versicherten eingespart werden. (Abg. Rossmann: ... 1,05!) Ausgehend von der Annahme einer linear ansteigenden Einsparung von 30 Prozent an Personal und an Sachaufwendungen ist diese Summe erreichbar.

Professor Hoffmann hat im Hearing des Sozialausschusses erklärt – er war übrigens ein Mitarbeiter des Projekts bei der LSE-Studie, die von Ihnen (in Richtung Sitzplatz des Abg. Stöger weisend) beauftragt wurde (Abg. Stöger – auf einem anderen Platz sitzend und auf sich deutend : Von mir!) –, dass 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr in der gesamten Sozialversicherung durchaus realistisch sind. (Heiterkeit bei Abge­ordneten der SPÖ.) Selbst wenn diese Fusionskosten erheblich werden, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Kosten innerhalb eines Jahres amortisieren. Das gilt laut Professor Hoffmann allerdings nur dann, wenn ein professionelles Mana­gement den Fusionsprozess durchführt, und das garantieren wir natürlich. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Rendi-Wagner und Stöger.)

Das heißt, der Vorwurf Ihres Gewerkschaftspräsidenten, Showpolitik zu betreiben, stimmt nicht. Es geht um Entlastung. (Abg. Wittmann: ... nicht gelesen, was Ent­lastung bringt!) Das versetzt Sie in Aufregung, und ich wundere mich sehr darüber, denn es ist für mich fast unverständlich, dass sich eine Sozialdemokratie aufregt, wenn man die Sozialversicherungsbeiträge von Niedriglöhnern entlastet. (Abg. Wittmann: ... 1 Milliarde mehr Geld!) Es befremdet mich wirklich, wenn das von einem Gewerk­schaftspräsidenten als Showpolitik bezeichnet wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Uns geht es darum, die Niedriglöhne zu entlasten, und natürlich werden die Beiträge und wird das Beitragsvolumen der Sozialversicherung nicht weniger werden, das garantiere ich.

Nun zu den neuen Verwaltungskörpern, denn daran ist auch etwas interessant und könnte die Öffentlichkeit vielleicht interessieren (Abg. Wittmann: 1 Milliarde Mehr­kos­ten!): Wir müssen die Versichertenzahlen von den einzelnen Kassen gemeldet be­kommen, um die Verwaltungsräte entsprechend zu nominieren. Wer meldet uns diese Daten nicht? Sieben Gebietskrankenkassen, und zu welcher Partei die gehören, glaube ich, wisst ihr. Das heißt, ihr behindert unsere Arbeit bereits zu Beginn – das ist euer Ziel! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Das war ja noch da! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherung und der weitere Ausbau unse­res hochwertigen Gesundheitssystems, aber auch der Erhalt und die Fortentwicklung müssen garantiert werden  und das garantieren wir. Die vorliegende Gesetzesvorlage ist die größte Reform der Zweiten Republik, zum Wohle Österreichs. (Abg. Wittmann: 1 Milliarde Mehrkosten laut Rechnungshof, 1 Milliarde Mehrkosten!) Bei uns stehen der Patient und der Versicherte im Mittelpunkt und nicht der Funktionär. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte. (Oje-Rufe bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: Pinocchio! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)