Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Gemeinden ohne Hausarzt, überfüllte Praxen, lange Wartezeiten – der Ärztemangel wird akut. Frau Bundesministerin, worauf warten Sie? Handeln Sie jetzt!“ (559/A(E))

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 559/A(E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zuge­gangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Österreich droht ein akuter ÄrztInnenmangel – trotz einer im europäischen Vergleich hohen ÄrztInnendichte. Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind die Patientinnen und Patienten – Stichwort: Gemeinden ohne HausärztInnen, lange Wartezeiten, wo­chenlanges Warten auf Facharzttermine. Die Gesundheitsministerin ist gefordert, die­ser drohenden Entwicklung gegenzusteuern. Für die Menschen in Österreich muss auch in Zukunft eine hochwertige, wohnortnahe und patientenfreundliche medizinische Versorgung sichergestellt werden.

Die Auswertung der Altersstatistik durch die Ärztekammer (Stand Dezember 2018) hat ergeben, dass 48 Prozent der 18.287 niedergelassenen ÄrztInnen spätestens in zehn Jahren das Pensionsalter erreichen werden.

Noch dramatischer ist die Situation der 7.099 ÄrztInnen mit einem GKK-Vertrag. Von diesen werden innerhalb von zehn Jahren 55 Prozent das Pensionsalter erreichen. Bei den FachärztInnen werden sogar 60 Prozent in zehn Jahren in Pension gehen.

Der Blick auf die Altersstruktur der HausärztInnen in Österreich zeigt, wie sehr sich die Probleme verschärfen werden:

Quelle: Österreichische Ärztekammer

Nach Bundesländern geschieht dies in unterschiedlicher Intensität: In Kärnten werden bis 2020 bereits 40 Prozent der HausärztInnen das pensionsfähige Alter von 65 Jahren erreicht haben, in Wien 36. Fünf Jahre später werden im Burgenland 68 Prozent, in Kärnten 67, in Wien 66 und in der Steiermark 65 Prozent die Altersgrenze erreicht ha­ben. Bis 2030 werden in Kärnten 89, in Wien und im Burgenland je 84 Prozent 65 Jah­re und älter sein.

Die Lunte brennt also von beiden Seiten: Während in den nächsten Jahren eine Pen­sionierungswelle bei den ÄrztInnen bevorsteht, wird die österreichische Bevölkerung immer älter. 2020 werden mehr als 500.000 Menschen in Österreich 80 Jahre oder älter sein – damit einhergehend oftmals auch chronisch krank, multimorbid, pflegebe­dürftig oder demenziell erkrankt.

Die Frage ist daher, ob unser Land genügend Nachwuchs hat, um die in Pension ge­henden ÄrztInnen zu ersetzen. Führende Ärztinnen und Ärzte bestätigen, dass Öster­reich ein Verteilungsproblem hat. Trotz einer theoretisch hohen ÄrztInnendichte, wer­den immer weniger ÄrztInnen direkt bei den PatientInnen wirksam. Das bestätigen Spitzenkräfte der Medizinischen Universitäten und Experten der Gesundheits Öster­reich GmbH.

Derzeit sind österreichweit rund 90 Vertragsarztstellen nicht besetzt.

Quelle: APA und Landesärztekammern

Das bedeutet, dass rund 200.000 Menschen keine wohnortnahe, adäquate haus­ärztliche Versorgung haben. Das bedeutet zum einen überlastete Ärztinnen und Ärzte, die immer weniger Zeit für ihre PatientInnen haben und zum anderen eine schlechtere Versorgung durch lange Wartezeiten, überfüllte Ambulanzen oder lange Anfahrtswege.

Die Anzahl an ÄrztInnen, die bereit sind, als niedergelassene ÄrztInnen mit Kranken­kassenvertrag zu arbeiten, kann diesen Nachbesetzungsbedarf nicht abdecken. Gleichzeitig wird es durch die bevorstehende Pensionierungswelle zu einer Verschär­fung der Situation kommen.

Nur 15 Prozent der praktizierenden ÄrztInnen sind AllgemeinmedizinerInnen, im EU-Vergleich sind das 23 Prozent. Innerhalb Europas haben nur Portugal und Griechen­land weniger AllgemeinmedizinerInnen.

Aber selbst AllgemeinmedizinerIn ist nicht gleich HausärztIn, denn drei von vier Allge­meinmedizinerInnen sind nicht als HausärztInnen, sprich im niedergelassenen Bereich, tätig.

Quelle: Österreichische Ärztekammer

Es waren sozialdemokratische GesundheitsministerInnen, die in den vergangenen Jah­ren vorausschauend wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung des drohenden ÄrztInnen­mangels gesetzt haben – begonnen 2010 mit der Einführung von Gruppenpraxen über die Gesundheitsreform 2012, in der gemeinsam mit den neun Bundesländern und der Sozialversicherung die Stärkung der Primärversorgung bei niedergelassenen ÄrztInnen als klares Ziel formuliert wurde, bis hin zum 2017 beschlossenen Gesetz zur Schaffung regionaler Primärversorgungseinheiten (Primärversorgungsgesetz) sowie mit der Stär­kung der Lehrpraxen im Rahmen der Reform der Ärzteausbildung.

Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz muss diesen Weg konsequent fortsetzen und das Thema des drohenden ÄrztInnenmangels zu einem Schwerpunkt ihrer gesundheitspolitischen Arbeit machen. Stattdessen zer­stört sie funktionierende Strukturen in der Sozialversicherung und macht durch schlechtere Arbeitszeitregelungen den Beruf des Arztes/der Ärztin unattraktiv.

Das Problem des ÄrztInnenmangels muss jetzt gelöst werden und nicht in erst in eini­gen Jahren. Die Gesundheitsministerin muss dafür Sorge tragen, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu holen – so wie das auch von ihren VorgängerInnen gehandhabt wurde.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert unverzüglich Maßnahmen zu er­greifen, um dem drohenden ÄrztInnenmangel im Sachleistungssystem entgegenzuwir­ken. Insbesondere müssen rasch verstärkte Investitionen in effizientere und zeitgemä­ße Strukturen gesetzt und der Primärversorgungsbereich weiter gestärkt sowie ausge­baut werden.

Darüber hinaus wird die Bundesministerin aufgefordert, gemeinsam mit dem Wissen­schaftsminister Maßnahmen zu Attraktivierung des Arztberufes umgehend in Angriff zu nehmen und dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche sowohl in Ausbildung (zum Beispiel erhöhte Praxiserfahrung) aber auch in den Arbeitsbedin­gungen für Ärztinnen und Ärzte (zum Beispiel mehr Kooperationsmöglichkeiten oder Delegierung von Tätigkeiten oder eine Digitalisierungsoffensive) Verbesserungen bringt.“

In formaler Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem Antragstel­ler/einer Antragstellerin Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile nun Frau Abgeordneter Klubobfrau Rendi-Wagner als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.