9.50

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Bundesregierung bewirbt eine Steuerreform, die sie selbst noch gar nicht kennt, über die sie streitet. Bevor dieses sogenannte Entlastungsprogramm bei der Regierungs­klau­sur in Mauerbach präsentiert wurde – ich erinnere mich –, war die FPÖ für eine Abschaffung der Normverbrauchsabgabe. Dann musste das Finanzministerium aus­rücken und sagen: Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. – Jetzt bewerben Sie aber diese sogenannte Steuerreform, von der wir alle nicht wissen, wie sie ausschauen wird (Abg. Wöginger: Sie haben ja gerade gesagt, dass sie präsentiert wurde!), in großflächigen Zeitungsinseraten. Darin steht (einen Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend): „Das Entlastungsprogramm bis 2022 auf einen Blick“.

Nehmen wir das Beispiel einer teilzeitbeschäftigten Billa-Verkäuferin mit einem monat­lichen Einkommen von 900 Euro brutto! Herr Finanzminister, was sagen Sie denn dieser teilzeitbeschäftigten Billa-Verkäuferin? (Abg. Hafenecker: Das sind die, die Sie nicht wählen!) Wie hoch wird denn ihre Entlastung sein? Sagen Sie es! Sie wissen es nicht, wir wissen es alle nicht, weil Sie Ihre Maßnahmen nicht im Detail präsentiert haben.

Herr Finanzminister, da Sie auf das, was Sie schon beschlossen haben – auf den Fa­milienbonus und die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge –, Bezug genom­men haben und dann von einer ehrlichen Entlastung gesprochen haben: Wissen Sie, wie viel diese Billa-Verkäuferin profitiert, wenn sie alleinerziehende Mutter ist? Vom Familienbonus profitiert sie mit 250 Euro – nicht mit bis zu 1 500 Euro, da muss man schon mehr verdienen – und von der Senkung der Arbeitslosenver­sicherungs­beiträge profitiert sie gar nicht.

Sie bewerben also eine Steuerreform, die eigentlich nicht bekannt ist, und sprechen immer wieder davon, dass Sie im System sparen. Das, was Sie hier betreiben (den Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend), Herr Minister, ist Steuerverschwendung pur. (Beifall bei JETZT.)

Wenn von dieser Reform eines bekannt ist, dann ist es mit Sicherheit das Folgende, worüber bisher noch niemand gesprochen hat: Die Entlastung in den beiden Etappen soll 4,5 Milliarden Euro ausmachen. Wenn ich mir den Budgetpfad bis 2022 ansehe – das Wifo hat die entsprechenden Prognosen vorgelegt –, dann sehe ich, dass sich eine Finanzierungslücke von 2,2 Milliarden Euro auftut; das heißt, die Hälfte dieser Steuer­reform ist gar nicht finanziert. Wir kennen sie nicht nur nicht – nein! –, wir wissen auch gar nicht, wie diese Regierung sie finanzieren wird.

Wenn die Regierung aber sagt, sie wolle keine neuen Schulden machen, wenn diese Regierung sagt, sie wolle die Steuern nicht erhöhen, dann bleibt zur Finanzierung dieser Lücke in der Höhe von 2,2 Milliarden Euro nur eines übrig: Kürzung von Aus­gaben! – Und was erwarte ich mir? – Kürzung von Ausgaben im Sozialbereich. Wenn Sie nun sagen, Sie wollen die niedrigen Einkommen durch die Senkung der Sozial­versicherungsbeiträge entlasten, so kann ich sagen: Das Prinzip ist richtig, aber die Gefahr ist hoch, dass sich Geringverdiener diese Steuerentlastung zum Teil oder sogar zur Gänze selbst zahlen müssen. – Das kann ich nicht befürworten! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie sagen auch, Sie wollen dafür Sorge tragen, dass den Trägern fehlende Kranken­versicherungsbeiträge ersetzt werden sollen, aber wer gibt uns die Garantie? – Die Garantie können wir nur erhalten, wenn es dazu eine Bestimmung in der Verfassung gibt, die mit einer Zweidrittelmehrheit sicherstellt, dass nicht x-beliebig abgeändert werden kann, was abgeändert werden soll.

3,5 Milliarden Euro sind für die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer reserviert. Immer wieder war die Rede davon, dass die Körper­schaftsteuer von 25 Prozent auf 20 Prozent gesenkt werden soll. Das allein kostet 2 Milliarden Euro. Es bleiben also 1,5 Milliarden Euro für die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer.

Herr Finanzminister, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, wir brauchen keine Entlastung der großen Konzerne, wir brauchen eine Entlastung für die arbeitenden Menschen im Lande! (Abg. Wöginger: Wo ist da der Konzern? – Abg. Stefan: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) 300 Unternehmen zahlen in Österreich 50 Prozent der Körperschaftsteuer – das wissen Sie –, und wenn Sie diese senken, entlasten Sie genau diese Konzerne. (Zwischenruf der Abg. Winzig.) Was ist aber mit jenen Menschen, den so genannten Vermögenden in Österreich? (Abg. Gudenus: Die SPÖ will es nicht mehr!) Wo bleibt da die Steuergerechtigkeit, wo bleiben die Steuern auf Vermögen, wo bleibt eine Erbschaftssteuer? Was ist da mit der Leistungsgerechtigkeit? Auf der anderen Seite frage ich mich: Wo bleibt die Verant­wortung der Regierung durch eine Ökologisierung des Steuersystems? – Davon haben Sie kein Wort erwähnt, Herr Wöginger. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried. – Abg. Wöginger: Das war jetzt sehr verwirrend! Der Rossmann war jetzt sehr verwirrend! – Abg. Gudenus: Verwirrt oder verwirrend?)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler des BORG Lessinggasse recht herzlich auf unserer Galerie begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Bei­fall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Winzig. – Bitte.