10.29

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Europa meiner Generation soll ein souveränes, starkes Europa sein, eine nachhaltige und in­no­vative europäische Heimat. Dieses Europa soll handlungsfähig, überlebensfähig und auch verteidigungsfähig sein.

Bis dahin ist es ein weiter Weg, jedenfalls haben wir aber schon genug von dieser More-of-the-same-Politik, im Rahmen derer man sagt: Der Status quo ist eh ganz gemütlich, bleiben wir dabei! – Das haben in Europa schon viel zu viele auf dem Programm, deshalb sagen wir ganz klar, dass unser Weg derjenige der Vereinigten Staaten von Europa sein sollte.

Die Nationalisten, Populisten und Opportunisten in Europa – viele sitzen hier direkt vor mir – haben eine andere klare Vision: Sie wollen Europa zurückbauen, sie wollen Europa ausräumen. Sie wollen bei europäischen Förderungen abcashen, wenn es dann aber darum geht, dass man auch europäische Werte liefert und bei den Grund­werten klare Kante zeigt, dann ist man bei Europa lieber nicht mehr dabei. (Beifall bei den NEOS.)

Man will zurück zur Kleinstaaterei, zur Verzwergung des Kontinents, und damit sind natürlich auch viele Freunde der FPÖ gemeint. (Abg. Zanger: Ja!) – Ja eh! Ich nenne zum Beispiel Orbán, den finden Sie eigentlich auch ganz cool, der bevorzugt in einer illiberalen Demokratie herrschen würde. Er hat sich mit 2 Millionen Euro an euro­päischen Fördergeldern quasi eine glorifizierte Liliputbahn in seinen Heimatort stellen lassen, wobei es geheißen hat, es würden mehrere Tausend Menschen damit fahren. Es sind dann allerdings nur 25 Personen pro Tag geworden, und das wird jetzt natürlich von den europäischen Betrugsbekämpfern untersucht. – Das sind Beispiele dafür, wie die Nationalisten Europa ausräumen möchten und im Zusammenhang mit europäischen Werten nichts liefern. Das sind Ihre Freunde, auch von der ÖVP natürlich! (Beifall bei den NEOS.)

Wir sagen klar, wohin wir wollen: zu den Vereinigten Staaten von Europa. Ich habe es, ehrlich gesagt, satt, dass meiner Generation erklärt wird: Das werdet ihr nicht mehr erleben!, Wartet einmal!, und so weiter. – Nein! Ich möchte selber noch in diesen Vereinigten Staaten von Europa leben. Ich habe keine Lust, dass mir jemand erklärt: Das wird schon irgendwann kommen, vielleicht irgendwann einmal! – Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass ich für diese Wahl kandidieren möchte: Ich möchte es selber noch erleben, meine Generation möchte es noch erleben. Der Gedanke daran, in Vereinigten Staaten von Europa leben zu können, macht einem richtig Freude auf die Zukunft! (Beifall bei den NEOS.)

In den letzten Jahren ist Europa jedoch stehen geblieben, unter anderem auch des­wegen, weil gewisse Politikerinnen und Politiker sich mit dem Status quo gerne zufrie­dengeben und eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners anstatt der größten gemeinsamen Vision verfolgen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Drei konkrete Schritte sind notwendig: Der erste Schritt ist, dass Europa überlebens­fähig ist. Was ist damit gemeint? – Damit ist Umweltpolitik gemeint, damit ist das Klima gemeint, denn ohne saubere Umwelt, sauberes Trinkwasser, saubere Luft, die unser Überleben und auch das der nächsten Generation garantieren, können wir hier eigentlich alles bleiben lassen. Es geht nämlich um den Boden, auf dem wir stehen, es geht um den Boden, auf dem wir unser gemeinsames Europa bauen, und wenn Klima und Umwelt nicht die topeuropäischen Themen werden, dann können wir den Rest eigentlich gleich vergessen. Europa muss beim Thema Klimawandel und bei der Um­weltpolitik ein Vorkämpfer werden. (Beifall bei den NEOS.) Das kann man zum Beispiel durch eine europaweite Ökologisierung des Steuersystems erreichen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Zweitens muss die Union auch handlungsfähiger sein, und deshalb müssen wir vom Einstimmigkeitsprinzip bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wegkom­men; stattdessen sollte mit einer qualifizierten Mehrheit entschieden werden. Das ist etwas ganz Wesentliches, damit Europa in der Welt mit einer starken Stimme sprechen kann. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Die Weltlage ändert sich ja relativ zügig, und damit man auch mit Ihren Freunden, Herr Gudenus, zum Beispiel mit Herrn Putin, umgehen kann, müssen wir die Einstimmigkeit bei der Außen­politik abschaffen.

Drittens muss die Europäische Union in der Lage sein, ihre Werte, ihr Weltbild und ihre Interessen nach innen und auch nach außen zu verteidigen, und dafür brauchen wir eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die diesen Namen auch verdient. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir brauchen zum Beispiel eine europäische Freiwilligenarmee, die in der Lage ist, unseren Frieden, unsere Sicherheit und unsere Heimat zu beschützen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wenn es jetzt im FPÖ-Sektor schon laut wird, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie sich das nicht von einer 30-Jährigen erklären lassen wollen, dann seien Ihnen die Aussagen Wolfgang Schüssels aus dem Jahr 2001 ans Herz gelegt. Er war damals schon viel weiter als seine Kollegen von der ÖVP jetzt (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), er hat nämlich gesagt: „Die alten Schablonen – Lipizzaner, Mozartkugeln oder Neu­tralität – greifen in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht mehr.“ – Seit 2001 ist die Welt ein bisschen komplexer geworden, würde ich sagen, und die ÖVP hat es geschafft, betreffend zwei dieser drei alten Schablonen, nämlich Lipizzaner und Neutralität, im Moment akute Glaubwürdigkeitsprobleme zu bekommen. Wie ist das nur passiert? (Beifall bei den NEOS.)

Werte FPÖ, werte ÖVP, Sie haben es nicht einmal geschafft, im Rahmen der Rats­präsidentschaft im Zusammenhang mit Ihrem einzigen aufrichtigen Ziel, nämlich dem Schutz der Außengrenzen, etwas zu liefern, denn da hat man sich betreffend Ausbau von Frontex dann gesagt: Uh, vielleicht war es doch nicht so dringend, machen wir es ein anderes Mal! – Das wurde verschoben, war offensichtlich nicht so wichtig.

Übrigens: Jeder Mensch, der heute noch behauptet, die Neutralität würde uns vor etwas schützen, streut der Bevölkerung Sand in die Augen. Einem Terroristen ist es nämlich vollkommen egal, ob Österreich neutral ist oder nicht, und einem Akteur, der mit Cyberangriffen Europa manipulieren und unsere Demokratie lahmlegen will, ist das auch ziemlich blunzen! (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Wenn man glaubt, dass irgendetwas an unserer Grenze haltmacht – und das ist im Übrigen das, wovon, wie ich gedacht hatte, die FPÖ überzeugt ist –, dann ist das wirklich nichts anderes, als der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Und wenn es jetzt jemanden wie mich braucht, der so etwas ausspricht, dann – sagen wir es so – sagt das mehr über Sie aus als über mich. (Beifall bei den NEOS.)

Meine Vision ist ein zukunftsfähiges, handlungsfähiges, entschlossenes und nach­haltiges Europa. All das sind Punkte, hinsichtlich welcher Sie noch nichts vorgelegt haben! Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie klar aussprechen, wie Sie es denn so halten mit der Zukunft Europas: Wie stehen Sie zu den Vereinigten Staaten von Europa? Wie stehen Sie zu einer europäischen Freiwilligenarmee? – Das sind Fragen, auf die die Menschen Antworten haben wollen, denn man will wissen, welche Vision ein Politiker oder eine Politikerin hat, wohin es mit Europa gehen soll, wo man in 20 Jahren sein sollte.

Der Brexit hat gezeigt, dass wir die Gunst der Stunde, dass es einen Umbruch in Europa gibt, nutzen müssen, um zu etwas Positivem umzukehren. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Herren und Damen von der FPÖ eine ganz klare Vorstellung haben, wohin es mit Europa gehen sollte. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Gegner der Nationalisten, jene, die sich denen entgegenstellen, die Europa zerstückeln wollen und dieses Europa der Vaterländer – was auch immer das sein sollte – haben wollen, klar aussprechen, wohin die Reise gehen soll, nämlich zu den Vereinigten Staaten von Europa! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Haider: Den Begriff Europa der Vaterländer hat Charles de Gaulle geprägt!)

10.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Damen und Herren des Senioren­bundes Piringsdorf herzlich begrüßen, die auf Einladung des Abgeordneten Niki Berlakovich bei uns im Hohen Haus sind. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte.