Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 43

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mittlerweile ein wenig klarer, was die Briten nicht wollen: Sie wollen keinen harten Brexit, sie wollen aber auch diesen Deal, der ausverhandelt worden ist, nicht. Wir wissen also, was sie nicht wollen, wir wissen nicht viel mehr darüber, was sie wirklich wollen, daher liegt der Ball weiterhin bei Großbritannien.

Ich warne nur davor, seitens der Union den Eindruck zu erwecken, dass wir diesen Vertrag jetzt wieder aufschnüren wollen. Das werden wir sicherlich nicht tun: Er ist lange, gut verhandelt worden, das ist ein Kompromiss von beiden Seiten, und der Brexit ist ohnehin eine Lose-lose-Situation, die nur mit diesem Vertrag ein wenig abgemildert werden kann.

Wir in Österreich bereiten uns auch intensiv auf einen möglichen harten Brexit vor. Wir haben heute im Ministerrat ein Brexit-Preparedness-Gesetz beschlossen – ein Sam­melgesetz, in das circa 15 Gesetze aus acht verschiedenen Ressorts eingebracht worden sind, um Dinge zu regeln und zu lösen, die passieren können, wenn es einen harten Brexit gibt. Da geht es beispielsweise um die Frage, was mit den britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern ab Anfang April passiert: Dürfen sie noch hierbleiben und arbeiten oder nicht? – Wir sagen Ja, das sollen sie weiterhin dürfen, analog zu einer Regelung, die auch für 25 000 Österreicherinnen und Österreicher in Großbritannien gilt.

Den Brexit als Chance zu begreifen halte ich für sehr schlau; man sollte sich aber auch überlegen, warum der Brexit zustande gekommen ist. Ein wesentlicher Aspekt war beispielsweise die Angst vor Migration. Das war einer der Hauptgründe, warum die Britinnen und Briten gesagt haben, sie wollen ihre Souveränität, ihre Kontrolle zurück. Wenn wir aus dem Brexit etwas lernen wollen, dann müssen wir unmittelbar daran­gehen, die Migrationsproblematik in Europa in den Griff zu bekommen, denn sonst lernen wir aus dem Brexit gar nichts. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Genau deswegen haben wir auch während der Ratspräsidentschaft alles darangesetzt, die Herausforderung der Migration ein Stück weit in die richtige Richtung zu bewegen – um damit auch dem Rechnung zu tragen, was uns der Brexit gezeigt hat, nämlich dass viele Menschen Angst vor einer ungeregelten Migration haben.

Es braucht auch viele weitere Bausteine, wie beispielsweise die Heranführung der Westbalkanstaaten an die Europäische Union. Das ist ein ganz zentrales Thema. Warum? – Diese Region liegt unmittelbar vor den Toren Europas und ist gerade für Österreich historisch, aber auch wirtschaftlich relevant, und wir können uns ent­scheiden, ob wir entweder Stabilität in diese Region exportieren, indem wir eine klare Beitrittsperspektive aufzeigen, oder ob wir Instabilität importieren, wenn wir die Tür zuschlagen. Das wollen wir nicht, und deswegen haben wir uns während der Rats­prä­sidentschaft intensiv dafür eingesetzt, dass die Annäherung stattfindet, und wir werden das auch weiterhin tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Zanger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es braucht ein Europa, das die Probleme im Großen löst, und nicht mehr Zentralismus. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Belakowitsch, Stefan und Zanger.) Es braucht einen Realismus, eine Herangehensweise, die eine handfeste Politik ist, bei der wir genau dort hinschauen, wo die Menschen Nöte, Sorgen und Ängste haben, und diese Probleme lösen. Europa ist kein Traum mehr – zum Glück! –, Europa ist Realität. Wer hier weiterhin träumt, wird diese Realität wieder verlieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Zanger.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. Nunmehr beträgt die Redezeit, wie Sie wissen, 5 Minuten. – Bitte.


 


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