Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 57

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Ich habe aber auch einen Vorschlag gemacht, und mein Vorschlag hat gelautet: Es gibt drei Kernelemente der österreichischen Neutralität. Das erste Kernelement lautet: keine Teilnahme an Kriegen. Das zweite Kernelement lautet: kein Beitritt zu militäri­schen Bündnissen. Das dritte Kernelement lautet: keine Stationierung fremder Trup­pen. Und ich habe gesagt, wenn wir im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die österreichische Neutralität aufgeben, dann nur zugunsten einer europäischen Verfassungs- und Militärneutralität, die genau diese Kernelemente in eine Verfassung hineinschreibt.

Wenn sich ganz Europa nicht an Kriegen beteiligt, wenn sich ganz Europa nicht an militärischen Bündnissen beteiligt und wenn ganz Europa selbst Verantwortung über­nimmt und keine Stationierung fremder Truppen zulässt, dann ist das ein Fortschritt im Rahmen einer rein defensiven Sicherheitspolitik.

Deshalb habe ich gestern auch ganz konkrete Fragen an Sie, Frau Kollegin Gamon, gestellt: Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll das ausschauen? Soll als Vorleistung das österreichische Bundesheer aufgelöst werden? Wie hoch soll der Beitrag zu einem europäischen Militärbudget sein? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ist die Voraussetzung, dass alle Nato-Mitgliedstaaten aus der Nato austreten? Vor allem aber: Bekennen Sie sich mit uns zu dem Grundsatz: Die österreichische Neutralität wird erst aufgegeben, wenn sich diese Grundsätze unserer Neutralität in der europäischen Verfassung wiederfinden? Das ist der entscheidende Punkt.

Das Zweite ist die Frage, ob das nicht nur ein guter Vorschlag ist, sondern ob es sinnvoll ist. Frau Kollegin Gamon, haben Sie, wenn Sie durch die Straßen Europas, Österreichs, Wiens gehen, irgendjemanden getroffen, der oder die sagt: Wir brauchen jetzt eine europäische Armee!? Ich treffe ständig Leute, die sagen: Wir brauchen eine europäische Sozialunion! Wir brauchen mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine euro­päische Klimapolitik! Wir brauchen eine europäische Einwanderungspolitik! Wir brauchen ein demokratisches, transparentes Europa! Wir brauchen ein Bürgereuropa anstatt eines Konzerneuropas! Niemand sagt uns aber derzeit: Wir brauchen eine europäische Armee!

Das steht nicht auf der Tagesordnung, und ich verstehe nicht, meine Kolleginnen und Kollegen, nicht nur von den NEOS, warum Sie sich hier nicht um die Lebensfragen der Menschen in Europa kümmern (Zwischenruf bei der ÖVP), sondern ein Thema, das zu Recht derzeit nicht auf der Tagesordnung steht, ins Zentrum Ihres Wahlkampfs stellen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Ich verstehe es nicht. (Beifall bei JETZT. – Ruf bei den NEOS: Dann überlegen Sie sich, warum Sie es nicht verstehen!)

Letzter Satz, weil ich auch den Auftritt des geschätzten Kollegen Karas würdigen will: Es tut mir persönlich wirklich leid, Othmar Karas - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt den Schlusssatz for­mulieren.


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Frau Präsidentin, das ist der Schlusssatz, in jeder Hinsicht: Mir tut es persönlich wirklich leid, dass ein unabhängiger, sehr selbstständiger, europaverpflichteter Abgeordneter erstmals in seiner langen und großen politischen Karriere seine Ziele und seine Politik der Disziplin einer antieuropäischen Regierung unterordnet. Ich bedaure das zutiefst. (Beifall bei JETZT. – Ruf bei der ÖVP: Meine Güte!)

11.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


 


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