11.02

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werter Herr Bun­desminister! Der Vorhabensbericht zu den EU-Themen von Minister und Bundes­kanz­ler ist insgesamt ein wenig dünn ausgefallen. Das Thema Zukunft der Europäischen Union ist dort in zehn Zeilen abgehandelt. Es sind viele Sachen, die quasi schon aus­gemacht sind, enthalten – aber das sei jetzt einmal dahingestellt.

Eine wichtige Angelegenheit, auf die ich mich konzentrieren möchte, auf die sich einige Maßnahmen in der Zukunft in diesem Bericht beziehen, ist das Thema Desinformation und Cybersecurity. Warum müssen wir jetzt darüber sprechen? – Wir stehen einfach vor der Realität, dass ExpertInnen sagen, es wäre nicht überraschend, wenn es auch im Zuge der Europawahlen zu Versuchen der Beeinflussung käme. Das heißt, es ist wirklich tagesaktuell.

Es gibt jetzt einen europäischen Aktionsplan gegen Desinformation. Länderbüros sind angehalten, eine Liste von Portalen, die Fake News verbreiten, zu führen. Es ist im Interesse unserer Demokratie, dass wir uns diesem Thema mit der notwendigen Ernst­haftigkeit und auch der Dringlichkeit widmen, die es braucht. Was jetzt aber im Vor­habensbericht dazu steht, hat leider alles sehr wenig damit zu tun. Hier werden näm­lich die Urheberrechtsreform, die Verhandlungen über die E-Privacy-Verordnung, Cookie-Re­gelungen und so weiter aufgezählt. Das hat zwar alles etwas mit dem Internet zu tun, aber nur weil wir diese Begriffe in der richtigen Mischung zusammenbringen, ist das noch lange keine Universallösung für jede Herausforderung, die irgendetwas mit Digitalisierung zu tun hat. (Beifall bei den NEOS.) Es geht beim Thema Desinformation auch nicht um Zeitungsenten oder was auch immer, sondern um echte, gefährliche Lügenkampagnen. Es geht hier um Täuschung, es geht um die Verunsicherung der Bevölkerung und es geht auch um die Erschütterung des Vertrauens in unsere Demo­kratie, die uns alle betrifft.

Ich möchte nur ein paar Beispiele aufzeigen: diese Lügenlawine während der Brexit­kampagne, die Kampagne zur Verhinderung der Namenslösung Nordmazedoniens, die Verschleierung des Giftanschlages auf Sergei Skripal und natürlich auch die Des­information, die immer schon eine große Rolle im Ukrainekonflikt gespielt hat und weiterhin spielt. Russland hat gezeigt, dass es über diese Methode möglich ist, unsere Politik direkt zu beeinflussen.

Wenn wir hier nichts Konkretes unternehmen, dann ist unsere Entscheidungsfähigkeit und die europäische Unabhängigkeit in letzter Konsequenz absolut in Gefahr. (Beifall bei den NEOS.) Wir müssen hier in die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung inves­tieren, Medienkompetenz fördern – auch und vor allem für Kinder – und es geht auch darum, dass wir aufzeigen, wo Lügen verbreitet werden. Wir brauchen hier eindeutig einen Plan, um das Thema Desinformation wirklich anzugehen. Wir NEOS haben dazu einen Antrag eingebracht, der im Innenausschuss liegt, und wir erwarten uns hier mehr Engagement von der Bundesregierung zu diesem Thema.

Zweitens: das Thema Cybersecurity. Die Überlebensfähigkeit der gesamten Europä­ischen Union hängt auch von ihrer Fähigkeit ab, sich gegen Angriffe auf ihre Werte, ihre Institutionen, auf ihre Infrastruktur und ihre BürgerInnen zu verteidigen. Diese Fähigkeit steht aber auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wettbewerbs­fähigkeit europäischer Technologieunternehmen. Das sehen wir zum Beispiel in der aktuellen Debatte rund um den Ausbau von 5G durch chinesische Anbieter. Der Markt­führer für Mobilfunkausrüstung in Europa, Huawei, ist den europäischen Konkur­renten technologisch weit überlegen, und der chinesische Anbieter kann auch sehr viel güns­tiger anbieten.

Jetzt gibt es natürlich Bedenken, was das für Risiken mit sich bringen könnte. Ich glaube, das ist eine legitime Debatte. Wenn man aber darüber spricht, den chinesi­schen Anbieter vollkommen auszuschließen, finde ich das wiederum nicht wirklich praktikabel, weil das auch bedeuten würde, dass wir auf die wichtige Technologie verzichten und höhere Kosten in Kauf nehmen. Europäische Staaten stehen jetzt vor diesem Dilemma: Wir können das Risiko auf uns nehmen, oder eben nicht. Wie sind wir aber überhaupt dahin gekommen, dass wir keine wettbewerbsfähigen europäischen Anbieter in diesem Bereich haben, wenn wir es doch für ein so sensibles Gebiet halten? Ein überlebens- und verteidigungsfähiges Europa braucht innovative Unter­nehmen – ganz besonders im Bereich der Schlüsseltechnologien. Ich glaube zumin­dest, dass wir uns vor die Entscheidung stellen können, was wir lieber haben, oder ob wir überhaupt die Möglichkeit haben, eine Wahl zu treffen.

Das Wettbewerbsrecht ins 21. Jahrhundert zu bringen ist auch ein Thema, genauso wie das Thema eines vernünftigen gemeinsamen europäischen Einwanderungswesens für Fachkräfte, für Schlüsselarbeitskräfte, die wir in europäischen Technologieunter­nehmen brauchen. Das sind alles Vorschläge, die auch NEOS auf den Tisch gelegt hat. Das ist ganz besonders zu dieser Zeit enorm wichtig. Das wären die Themen zur Zukunft der Europäischen Union, von denen wir glauben, dass wir sie jetzt diskutieren müssen. Da reichen keine zehn Zeilen in einem EU-Vorhabensbericht. Wir haben hier größere Erwartungen. (Beifall bei den NEOS.)

11.07

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.