11.18

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Großbritannien hat uns veran­schaulicht, was passieren kann, wenn unsere nationalen Politiker die Europäische Union zum Sündenbock erklären. Großbritannien hat uns auch veranschaulicht, was passieren kann, wenn die Politik die Gesellschaft spaltet. (Abg. Leichtfried: Wie bei uns!) Die Erfolge der Europäischen Union werden immer wieder nationalisiert. Das kann man sehr schön am Beispiel des Plastikverbots sehen. 2016 hat das Europäische Parlament bereits darüber abgestimmt, dass es Plastik verbieten möchte, letztes Jahr hat die österreichische Regierung versucht, uns zu verkaufen, dass es ihr Erfolg sei.

Misserfolge schiebt man schnell auf die Europäische Union. Alles, was schiefläuft, wird auf die Europäische Union geschoben. Das darf nicht sein. Großbritannien hat das gut gezeigt. Erinnern wir uns bitte einfach nur an die Schlagzeilen in den Tageszeitungen kurz vor dem Brexitreferendum! Man hat versucht, die Europäische Union für alles ver­antwortlich zu machen, was in diesem Land schiefgelaufen ist – für die Armut, für die Arbeitslosigkeit.

Gestern hat im Ausschuss Bundesminister Blümel versucht, mir zu erklären, dass es die Migrationskrise aus dem Jahr 2015 war, die dafür verantwortlich ist, dass Groß­britannien austritt.

Unabhängig davon, dass unsere Bundesregierung für jedes Thema, für alles, was schiefläuft, für all das die Migrationskrise verantwortlich machen möchte, möchte ich hier trotzdem noch eines festhalten: Migration und Asyl sind globale Herausforderun­gen! Diese können wir nicht national lösen! Wir müssen sie gemeinsam in der Euro­päischen Union angehen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und zu diesem Gemeinsamen gehört es, dass der Außengrenzschutz ordentlich aus­gestattet wird. Dazu gehört es, dass Asyl- und Migrationspolitik in der gesamten Europäischen Union harmonisiert wird, und dazu gehört es, dass wir endlich auch die Europäische Asylagentur ausstatten. Im Rat hat man es aber nicht geschafft, eine Einigung zu finden, und man hat es auch nicht geschafft, endlich dieses gemeinsame europäische Asylsystem voranzutreiben. Auch unser Innenminister hat diesem Vorhaben nicht zugestimmt, und deswegen muss das Ganze neu verhandelt werden. Von einer gemeinsamen Lösung sind wir also weit entfernt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte auch kurz darauf hinweisen: Wenn wir das Problem Migration und Asyl wirklich lösen wollen, dann müssen wir uns auch auf internationaler Ebene diesen Problemen widmen. Dazu gehört es auch, dem UN-Migrationspakt beizutreten, denn durch unseren Nichtbeitritt haben wir uns eine Chance genommen, hier global mitzuwirken und global mitzugestalten. Während sich die anderen Staaten ausmachen, wie man Migration und Asyl in den Griff bekommt, steht Österreich irgendwie daneben und kann sich leider nicht einbringen. (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört! – Abg. Haider: Unglaublich!)

In diesem Bericht, den wir heute diskutieren, steht aber noch eine interessante Sache, die ich gerne vorlesen möchte, der ich auch voll und ganz zustimme, und ich meine, man soll Sachen, die man gut findet, auch hervorheben. In diesem Bericht findet sich nämlich der folgende Satz:

„Für Österreich ist die Wahrung der europäischen Grundwerte zentral, hier kann es keine Abstriche geben. Rechtsstaatlichkeit ist ein zentraler Grundpfeiler für jede funk­tionierende Demokratie [...].“

Das kann ich nur unterstreichen, und ich finde es großartig, dass sich Österreich dazu bekennt. Ich möchte aber eines erwähnen: Zu diesen europäischen Grundwerten ge­hört auch die persönliche Freiheit. Zu diesen europäischen Grundwerten gehört auch der Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Zu diesen europäischen Grundwerten gehört es auch, dass nicht aufgrund nebulöser Gefährdungsprognosen Menschen eingesperrt werden. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und dazu gehört es auch, dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleich ist, egal, welcher Nation, egal, welcher Religion er angehört, egal, welche Hautfarbe er hat, wie er aussieht und woher er kommt. Jedes dieser Gesetze ist für jeden Menschen gleich. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ganz Europa schaut derzeit auf uns. Ganz Europa schaut auf uns, weil der Innenminister versucht hat, uns zu erklären, dass er gerne die Ver­fassung ändern möchte, weil er einen neuen Haftgrund einführen möchte, einen Haft­grund, der auf irgendwelchen Gefährdungsprognosen basieren soll. Und wer diese Gefährdungsprognosen abgeben wird, ist uns immer noch nicht erklärt worden. Er hat in einer Pressekonferenz gesagt: Na ja, das könnten ja die Beamten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl machen. – Diese Beamten, meine Damen und Herren, sind weisungsgebunden! Sie unterstehen dem Innenminister. Und wenn die Gefähr­dungsprognosen dafür abgeben sollen, ob Menschen eingesperrt werden, dann ist das nicht demokratisch. Es ist nicht rechtsstaatlich und es hat nichts mit Gewaltenteilung zu tun. Das muss man einmal dem Innenminister erklären, und ich hoffe, die Bundes­regierung wird das tun. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz Europa schaut auf uns, weil sich der Innenminister durch die Einführung dieser Verfassungsbestimmung vorbehalten will, mit einfacher Mehrheit Gesetze zu beschließen, mit denen er bestimmte Bevölkerungsgruppen unter dieses Verfassungsgesetz bringt und somit die Möglichkeit hat, jederzeit mit der Regierungsmehrheit bestimmte Bevöl­ke­rungsgruppen ohne konkreten Tatverdacht, ohne eine unmittelbar drohende Straftat einzusperren. Er nennt das Sicherungshaft, er nennt das Präventivhaft, und in der Geschichte haben wir solche Präventivhaften, Sicherungshaften und Schutzhaften und Internierungslager zuhauf gehabt. Und wir leben in einer Europäischen Union, in der wir gesagt haben, dass wir so etwas nicht wollen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Niemand soll eingesperrt werden, ohne dass es dafür einen konkreten Tatverdacht gibt. Das entspricht nämlich nicht unseren Grundwerten. Und ich muss sagen, ich bin davon überzeugt, dass es auch bei der ÖVP Abgeordnete gibt, die hier aufstehen und Nein sagen werden, wenn es darum geht, unsere Grundwerte zu beschränken. (Wider­spruch bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Du glaubst an das Gute im Menschen!) – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.25

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Mag. Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.