11.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Europa befindet sich in turbulenten Zeiten, zum einen aufgrund der Flüchtlingsbewegung und Migrationskrise. Frau Kollegin Zadić, Sie können doch nicht leugnen, dass die Flüchtlingsbewegung, die Migration Europa nachhaltig verändert haben! Dieser Vorwurf ist ja nicht den flüchtenden Menschen zu machen, aber Faktum ist, dass die Bewegung Regierungen weggespült hat, radikale Gruppen hervorgebracht hat, dass sie Europa an ihre Grenzen geführt hat, wobei man gesehen hat, dass dieses gemeinsame Europa, die Europäische Union, nicht solida­risch ist, wenn gewisse Staaten sagen: Wir nehmen Flüchtlinge nicht auf!, wenn das mit dem Außengrenzschutz nicht funktioniert. Also das zu leugnen wäre ja ein Kopf-in-den-Sand-Stecken. Faktum ist: Man muss sich dieser Sache stellen. Das alles hat auch gezeigt, dass Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik braucht, einen effektiven Außengrenzschutz und Ähnliches mehr.

Die Turbulenzen setzen sich aber fort: Brexit – jeden Tag neue Meldungen aus dem Vereinigten Königreich. Es scheint dort sehr chaotisch zuzugehen, jedenfalls sehr turbulent. Italien hängt mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung wie ein Damokles­schwert permanent über der Europäischen Union. Und letztendlich fällt das alles in eine Zeit, in der es Wahlen zum Europäischen Parlament gibt. Für Turbulenz ist also gesorgt, und da ist Stabilität ganz wichtig.

Die Europäische Kommission bemüht sich um diese Stabilität, und das Jahres­pro­gramm, das vorgelegt wurde, soll Stabilität geben, in dem heißt es nämlich, dass Ver­sprechen eingelöst werden und unsere Zukunft gestaltet wird. Wie geht es weiter mit den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten, wenn UK jetzt wirklich die Europäische Union verlässt? Wie kann man Wachstum generieren, Arbeitsplätze schaffen? Wie kann man aber auch eine nachhaltige Energieversorgung sicherstellen – Stichwort: Energie­union –, dem Klimawandel begegnen, den Menschen Sicherheit geben? – Natürlich auf Basis unserer gemeinsamen europäischen Werte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und vor allem Freiheit.

Zur Stabilität gehört meiner Meinung nach Offenheit. Wir haben gestern im EU-Unter­ausschuss mit Bundesminister Blümel, finde ich, eine sehr gute Diskussion gehabt. Ich teile seine Meinung: Es ist wichtig, dass wir die Probleme der Europäischen Union offen ansprechen. Nicht darüber zu diskutieren wäre völlig falsch. Ich finde, das ist ein wesentlicher Teil einer wahrhaftigen, ehrlichen Politik. Wenn die Anliegen der Men­schen nicht mehr angesprochen werden, wenn sie verschwiegen oder gar verdrängt werden, sagt die Bürgerin, der Bürger: Die Politik versteht uns nicht, dieses gemein­same Europa versteht uns nicht mehr! – Daher müssen wir handeln und diese Themen offensiv angehen und auch der Europäischen Union kritisch gegenüberstehen. Die Europäische Union ist work in progress, das ist ein Prozess, der ständig – wie man zuletzt gesehen hat – einer Veränderung bedarf. Daher muss sie kritisch betrachtet und auch zum Positiven verändert werden, nur dann kann man einen echten Fortschritt und eine Weiterentwicklung der Europäischen Union erzielen.

Europa wird sich nach der Wahl zum Europäischen Parlament neu aufstellen: Kom­missionspräsident neu, Ratspräsident neu, Hoher Vertreter für Außenpolitik neu, Präsident der Europäischen Zentralbank neu, Präsident des Euro-Gipfels neu. Da braucht es starke politische Führungspersönlichkeiten. Sebastian Kurz ist eine solche, die sich auch international bemüht, den europäischen und den österreichischen Standpunkt klar zu unterstreichen, zuletzt in den USA, bei der Arabischen Liga und in vielen anderen Bereichen. Wir müssen eine attraktivere Europäische Union bekommen, damit die Bürger sie akzeptieren.

In diesem Licht ist auch der Mehrjährige Finanzrahmen, der diskutiert wird, zu sehen. Dieser soll eben Stabilität über mehrere Jahre geben. Da wird es noch sehr heiße Debatten geben, denn UK trägt immerhin 15 Prozent zum BIP der Europäischen Union bei, ist einer der größten Nettozahler, und dieses Geld fehlt, wenn UK austritt. Insofern ist die österreichische Position ja richtig, zu sagen, die EU muss, wenn sie kleiner wird, effizienter werden und sparen. Im Vorschlag der Europäischen Kommission ist zum Beispiel drinnen, dass für Verwaltung und Personal 23 Prozent mehr Geld ausgege­ben wird – also gerade das Gegenteil davon, was Österreich vorschlägt. Daher ist es richtig, darüber nachzudenken, wie man auch dort einsparen kann. Ich mache da überhaupt kein EU-Bashing, aber es muss erlaubt sein, zu sagen: Das muss hinterfragt werden.

Letztendlich geht es darum, dass eine Einstimmigkeit notwendig ist, und letztendlich geht es – abschließend – auch darum, dass die Westbalkanstaaten eine Perspektive bekommen. Nordmazedonien wurde erwähnt. Gerade die Europäische Union tut sehr viel in dieser Region, in finanzieller Hinsicht, in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Wir müssen da unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Dieses Thema wurde von Österreich vorangetrieben, und so soll es auch in Zukunft sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.35

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte.