15.01

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Es geht los! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Es geht los, und zwar einmal mit einem anderen Thema. Wir unterbrechen die monothematische Aufladung der Regierungsparteien mit dem ewig gleichen Sicherheits-, Zuwanderungs- und Asylthema, weil wir vom Schlagzeilenaktionismus wegkommen wollen, den wir die letzten Monate erlebt haben, hin zu echten Strukturreformen. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben große Reformen angekündigt. Sie sind angetreten, um den Stillstand zu überwinden, den Stillstand der großen Koalition. Sie können mir glauben, das ist durchaus ein Ansinnen, dem ich viel abgewinnen kann. Sie haben große Reformen angekündigt, stattdessen aber dominiert in der Themensetzung die Politik der FPÖ mit den immer wiederkehrenden Themen. Nach 15 Monaten Regierungsarbeit sind wir ungeduldig. Wir wollen endlich eine Entlastung des Mittelstandes (Abg. Winzig: Wo lebt denn ihr?), eine Entlastung der Menschen und die Strukturreformen, die Sie versprochen haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Winzig: Familienbonus, hallo?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eine enorm hohe Zustimmung, auf die Sie sich auch sehr gerne berufen. Das ist eine Verpflichtung; eine Verpflichtung, die Maßnahmen zu setzen, die notwendig sind, um die Menschen zu entlasten, um im Sinne der Jungen Chancen für die Jungen zu eröffnen und wirklich zukunftsweisende Reformen voranzubringen. (Abg. Bösch: Das machen wir!)

Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben ihren Beitrag schon geleistet. Die sind quasi in Vorleistung vor Ihrer Leistung gegangen. In allen Steuerklassen gab es in den vergangenen Jahren massive Steigerungen. Einnahmenseitig hat Österreich in den vergangenen Jahrzehnten wirklich immer kräftiger in die Geldbörsen der Österreicher gegriffen. Die Steuereinnahmen etwa haben sich seit 1990 fast verdreifacht. Die Löhne – das ist natürlich positiv, aber – haben sich in der gleichen Zeit etwas mehr als verdoppelt, und der Verbraucherpreisindex hat sich in dieser Zeit um 175 Prozent erhöht.

Auch die Zahlen aus dem Jahreserfolg des Vorjahres sprechen in diesem Zusam­menhang eine deutliche Sprache: Bei einem Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent gab es ein Steuerwachstum bei Einkommen- und Vermögensteuer von 5,3 Prozent und ein Steuerwachstum bei Verbrauchs- und Verkehrssteuern von 3,4 Prozent. Also egal ob bei Einkäufen über die Umsatzsteuer, bei der Besteuerung von Gehältern über die Lohnsteuer, bei der Besteuerung von Betrieben über die Körperschaftsteuer oder bei der Besteuerung der Sparguthaben über die Kapitalertragsteuer – in allen Steuer­klassen gab es sprudelnde Einnahmen. Die Frage ist: Ist dieser wirtschaftliche Auf­schwung, der ganz offensichtlich ist, bei irgendjemandem angekommen, außer beim Finanzminister?

Angesichts der unglaublich günstigen Rahmenbedingungen hätte man bereits 2018 ein weitgehend ausgeglichenes Budget präsentieren können, vielleicht sogar müssen. Das sieht im Übrigen auch der Fiskalrat in seinem Bericht zu den öffentlichen Finanzen so. 2018 hatten Sie auch nicht – wie teilweise in den Jahren davor – unvorhergesehene Ereignisse. Also es gab Gott sei Dank keine notwendige Bankenrettung, es war im vergangenen Jahr keine massive Flüchtlingskrise da, die zu Mehrausgaben gezwun­gen hätte, und es galt auch, Gott sei Dank, keiner Finanzkrise gegenzusteuern. Eigent­lich hatten Sie also die besten Bedingungen: sprudelnde Einnahmen, florierendes Wachstum. Trotzdem haben Sie es nicht zustande gebracht, hier einen ausgegliche­nen Haushalt zu präsentieren.

Da möchte ich schon einmal zurückgehen auf die Vorgängerperiode des Finanz­ministers Schelling, der nämlich tatsächlich quasi auf einer Ausgabenbremse gestan­den ist: minus 0,6 Prozent. Seit 2018 steigen die Bundesausgaben wieder stark an: plus 2,6 Prozent. Aber die Einnahmen – plus 4,3 Prozent – in den Bundeshaushalt, die retten Ihnen sozusagen den positiven Budgetsaldo. Ich glaube, wir haben das auch schon im Rahmen der Budgetdiskussionen hier des Öfteren angesprochen. Also das, Herr Finanzminister, ist jetzt nicht so die Kunst! Wir brauchen dringend eine Ausgaben­bremse, weil das Vertrauen sozusagen, dass die Ausgabenproblematik weiter in einem entsprechenden Ausmaß angegangen wird, nicht vorhanden ist. Und Österreich hat ein Ausgabenproblem – ganz offensichtlich kein Einnahmenproblem. (Beifall bei den NEOS.)

Sie sagen selbst oft: sparen im System. Nur: Wo, das ist eine offene Frage. (Abg. Wöginger: Überall!) – Überall? Wir haben heute Mehrausgaben durch die wahnsinnig wichtige Maßnahme eines Fotos auf der e-card. Sie haben heute verkündet, dass Sie die Parteienförderung nicht mehr alle fünf Jahre oder dann, wenn die Inflation es zulässt, angleichen werden, sondern jetzt jährlich um satte 2 Prozent. (Abg. Wöginger: Statt 8 Prozent!) Sie greifen auch noch in den Steuertopf hinein! Sie sparen nicht im System, Sie holen sich auch noch heraus, was geht. Das ist, ehrlich gesagt, das, was wir derzeit erleben. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben im Wahlkampf viel angekündigt. Sebastian Kurz versprach Einsparungen von 14 Milliarden Euro. Die FPÖ hat, glaube ich, ein bisschen ein geringeres Volumen an Einsparungen versprochen; die Zahl habe ich nicht da. Sie haben beide die Ab­schaffung der kalten Progression versprochen. (Zwischenruf der Abg. Winzig.) Ich glaube, ich brauche Ihnen Ihr Regierungsprogramm nicht vorzulesen, was Sie da alles drinnen stehen haben. Sie halten sich ja gerne ans Regierungsprogramm, es wird von Ihnen ja bibelgleich behandelt, aber Sie sind es schuldig geblieben, hier wirklich Lösun­gen zu bringen. Sie schreiben richtig: „Österreich hat die sechsthöchste Abgabenquote der Welt.“ Weiter: „Die Bundesregierung hat es sich daher zum Ziel gesetzt, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken.“ – Unter 40 Prozent, das wäre einmal ein ambitioniertes Ziel! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Rosenkranz: Eigentlich auf 0 Prozent!)

„Die Finanzierung dieser Entlastungen und der dazu nötigen Maßnahmen soll durch ausgabenseitige Einsparungen und Strukturreformen erfolgen.“ (Abg. Rosenkranz: Die Steuerquote auf null setzen und bei ...!) – Wo sind die passiert? Hier steht: „Ein einfaches Steuerrecht“, „Steuerliche Entlastung für Unternehmen und Entlastung des Faktors Arbeit“, „Senkung der Lohnnebenkosten“ et cetera, et cetera. Stattdessen erleben wir einen Schlagzeilenaktionismus und Ankündigungen. Auch in einer so we­sentlichen Frage wie der Entlastung der Menschen haben wir bis jetzt nur Ankündi­gungen erlebt.

Jetzt – und das ist der Punkt der Dringlichkeit hier – sind wir in der Situation, dass wir seit letzter Woche auch wissen, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins nicht anheben wird – entgegen den Hoffnungen und Erwartungen vieler. Das heißt, die kalte Enteignung der Sparerinnen und Sparer wird weitergehen. Das ist praktisch für ver­schuldete Staaten, weil man quasi weiter munter Schulden machen kann auf Kosten der nächsten Generation, aber die Menschen werden enteignet. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass damit ganz klar auch eine schlechtere Konjunkturerwartung verbunden ist. Sie brauchen sich ja nur einmal umzuhören im Umfeld der internatio­nalen Unternehmen; das betrifft ja nicht nur Österreich. Aufgrund der Risiken, die es da gibt, von protektionistischer Politik, von einem Handelsstreit, von einem Handelskrieg eines Donald Trump mit China, von Instabilitäten in Europa – die von den Nationalisten hier im Haus durchaus auch gerne befeuert werden –, gibt es ja eine negativere Erwartungshaltung. Das heißt, die Konjunktur wird sich eintrüben. Man muss immer sehr vorsichtig sein, weil ich schon weiß, dass das auch ein Spiel ist. Das ist eine sensible Frage der Erwartungshaltung und der Stimmung. Aber Sie müssten blind sein, um nicht zu sehen, dass es wahrscheinlich nicht so gut weitergeht. Das heißt, jetzt ist der Zeitpunkt zur Entlastung. Sie haben jetzt eine Phase gehabt mit guter Konjunktur, haben es jetzt in dieser Phase nicht geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, und Sie bringen es nicht zustande, jetzt substanziell zu entlasten. Das ist definitiv zu wenig.

Worum geht es uns in dieser Frage? – Ich möchte ein paar Dinge skizzieren: Einer­seits, und das ist mir sehr wichtig, muss es den Menschen, insbesondere dem Mittel­stand, der entlastet gehört, wieder möglich sein, zumindest ein bescheidenes Vermö­gen durch das Arbeitseinkommen aufzubauen.

Da gibt es einige, die Vermögen umverteilen wollen. Es gibt einige, die offensichtlich Vermögen für ein paar bewahren wollen. Ich glaube, unser Ansatz ist es, dass wir die Menschen in die Lage versetzen, sich durch ihr Arbeitseinkommen nicht nur ihr Leben zu erwirtschaften, sondern sich zumindest einen bescheidenen Wohlstand – vielleicht auch mit Eigentum – zu erarbeiten. Dazu müssen sie den Faktor Arbeit radikal entlasten, und radikale Entlastung heißt: unter 40 Prozent! (Beifall bei den NEOS.)

Ich meine, es ist ja auch eine Frage der Zukunftsfähigkeit des Landes, wenn wir von Automatisierung, von Digitalisierung sprechen, von der Sorge vieler – die wir nur bedingt nachvollziehen können, muss ich sagen, weil auch neue Jobs entstehen werden –, dass hier Jobs verloren gehen, dass wir sagen, in solch einer Situation belasten wir den Faktor Arbeit weiter zu hoch. Die Unternehmer sagen es Ihnen ja täglich. Sie würden ja gerne mehr Mitarbeiter einstellen, sie brauchen sie auch – teilweise finden sie sie nicht, weil die Fachkräfte fehlen, was ein bisschen auch eine Folge einer ständig ausländerfeindlichen Politik ist –, sie würden ja gerne einstellen, sagen aber, die Mitarbeiter kosten zu viel, verdienen aber auch zu wenig, weil ihnen zu viel genommen wird. Also: Entlasten Sie den Faktor Arbeit massiv durch eine deutliche Senkung der Lohn- und Einkommensteuer und selbstverständlich auch durch eine Senkung der Lohnnebenkosten! Schaffen Sie die kalte Progression ab – jetzt, denn das haben Sie versprochen! (Beifall bei den NEOS.) Sie können nicht Versprechungen abgeben, die Sie nicht halten. Sie verschieben es auf die nächste Legislaturperiode. Wir wissen nicht, wie die Konjunktur dann sein wird, möglicherweise ist das damit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Das zweite Thema, das mir sehr, sehr wichtig ist, ist, dass wir Generationenfairness ermöglichen. Die Frage der Steuerreform ist auch ganz wesentlich damit verknüpft, welche Chancen die jungen Menschen und auch die (erheitert) mittelalterlichen Menschen bei uns in unserem Land haben. Es ist der Mittelstand und es ist auch die Generation sozusagen des Mittelalters, die ganz massiv belastet sind, die das System tragen. Die tragen durch die Steuerzahlungen, die sie tätigen, alles, was rundum passiert. Sie zahlen es, weil sie die aktiven Pensionisten tragen, und sie zahlen es, weil sie für sich selber Vorsorge treffen müssen und auch wissen – Anreize fehlen ja, das ist ein wesentlicher Punkt –, sie müssen selber vorsorgen, weil es sie sonst in eine Altersarmut treiben wird. Das heißt, das ist ja wirklich ein Teil dieser Rushhour des Lebens, wo man massiv belastet ist.

Die Jungen wissen auch, dass es sich für sie nicht ausgehen wird. Sie müssen im Sinne einer Generationenfairness auch daran denken, bei den Reformen, die Sie angehen, die Chancen der Jungen mitzudenken. (Beifall bei den NEOS.)

Da gibt es mehrere Punkte: Die private Vorsorge ermöglichen habe ich bereits gesagt. Den Kapitalmarkt stärken ist ein ganz wesentlicher Teil: Wenn Sie wollen, dass Menschen etwas aufbauen, in einer Zeit der Niedrigzinspolitik – ich meine, die Preise der Eigentumswohnungen werden nicht sinken –, dann müssen Sie den Kapitalmarkt stärken. Das heißt, wir müssen darüber reden, dass man die Spekulationsfrist wieder einführt oder andere Maßnahmen trifft. Das ist die einzige Chance, wie wir es jungen Menschen ermöglichen, sich in irgendeiner Weise sozusagen neben dem Arbeitsein­kommen etwas zu erwirtschaften.

Weiters ist mir sehr wichtig: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir über eine Öko­logisierung des Steuersystems nicht nur nachdenken müssen, sondern ent­sprechend handeln müssen. (Beifall bei den NEOS.) Es ist eine Frage der Fairness den Jungen gegenüber, zu sagen, dass wir hier Lenkungsmaßnahmen auf den Weg bringen, die das schaffen, was wir nicht allein nur durch Innovation und Fortschritt schaffen werden, nämlich eine intakte Umwelt und ein intaktes Klima zu hinterlassen. Es gibt Möglichkeiten, das zu machen, ohne den Standort sozusagen wettbewerbsunfähig zu machen. Es gibt Möglichkeiten, das auch aufkommensneutral zu gestalten. Blicken Sie nach Schweden! Sepp Schellhorn hat da ja auch ein Modell vorgelegt, und ich bin sicher, dass wir darauf noch zu sprechen kommen.

Die Entlastung der Unternehmen ist auch nur versprochen. Dazu haben wir jetzt auch noch nicht wirklich Konkretes gehört. Wir haben letzte Woche über Bürokratieent­lastung gesprochen. Heute reden wir darüber, dass ein Feiertag – ein individueller Feiertag – wahrscheinlich zu relativ mehr Bürokratie in den Unternehmen führen wird. (Abg. Wöginger: Da werdet ihr erklären müssen, warum ihr da nicht mitgeht!) Das werden wir dann nach der Dringlichen noch weiterdiskutieren. (Abg. Winzig: Wir sind schon digital in den Unternehmen!) Aber es geht vor allem um eine Senkung der Lohnnebenkosten und es geht vor allem auch um Anreize für Investitionen und dafür, das Geld auch produktiv im Unternehmen zu lassen. Das wären unserer Meinung nach die Schwerpunkte, die Sie setzen müssten.

Ja, dazu brauchen Sie, um ein Volumen zustande zu bringen, das wirklich eine ordentliche Entlastung ermöglicht, ausgabenseitige Reformen; ohne sie wird es nicht gehen. Es braucht eine Verwaltungsreform, es braucht eine Föderalismusreform. Es braucht mehr als eine auf dem Papier stattgefundene Zusammenlegung der Sozial­versicherungsträger, es braucht eine wirkliche Krankenhaus- und Gesundheitsreform. (Abg. Winzig: Da könnt ihr gleich in Wien anfangen damit!) Es braucht eine Durch­forstung des Förderdschungels, und es braucht selbstverständlich – und das ist auch eine Frage der Generationenfairness – eine Pensionsreform. Das ist nur fair, den Alten wie den Jungen gegenüber und den Mittelalterlichen gegenüber, die dieses System tragen.

Ich habe es bereits gesagt: Das alles erfordert Mut, das ist mir schon klar, aber Sie sind angetreten, den Stillstand zu überwinden und hier zu liefern. Sie brüsten sich damit, eine enorme Zustimmung in der Bevölkerung zu haben. Diese Zustimmung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist eine Verpflichtung – eine Verpflichtung, nicht nur das Populäre zu tun, sondern das Richtige zu tun im Sinne einer Entlastung der Menschen und im Sinne einer Fairness der nächsten Generation gegenüber. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Löger. Ich darf ihm das Wort erteilen.