16.22

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Warum sind die Schuldenquoten entscheidend und nicht die absolute Höhe der Schulden? – Weil man die Schulden immer in Beziehung zur Leistungsfähigkeit der Wirtschaft setzen muss. Das haben Ökonomen so an sich, dass sie das tun. Das ist auch die aussagekräftige Größe im Zusammenhang mit den Schulden eines Landes.

Als ich diese Dringliche Anfrage heute Früh gelesen habe, habe ich mir eigentlich auch die Frage gestellt: Was ist daran dringlich? Es ist eine Kraut-und-Rüben-Anfrage. (Abg. Rosenkranz – in Richtung NEOS –: Kann es sein, dass er euch nicht mag? – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Scherak.) Da geht es durch­einander, vom Jahresabschluss 2000 über Pensionsreform, Föderalismusreform und, und, und.

In der Überschrift steht: „Echte spürbare Entlastungsoffensive statt Showpolitik“. Von der echten Entlastungsoffensive, der spürbaren Entlastungsoffensive, habe ich in die­sem Antrag aber nichts gelesen. (Abg. Scherak: In der Anfrage! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Erst in Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, sind Sie auf einige dieser Aspekte eingegangen. Sie haben aber auch nicht mehr zu bieten gehabt als das, was die Regierung zu bieten hat, nämlich Schlagzeilenaktionismus. Ich höre hier Schlagzeilen, ich höre dort Schlagzeilen. (Abg. Rosenkranz: Also das trifft die NEOS jetzt hart!) Konkretes haben wir bisher von der Regierung nicht gehört, obwohl sie ihre in Mauerbach beschlossene Steuerreform in großflächigen Anzeigen – finanziert mit Steuermitteln, Steuergeld – in Tageszeitungen und Onlinemedien bewirbt. Konkretes, Frau Meinl-Reisinger, habe ich aber auch von Ihnen nicht gehört.

Einiges von dem, was Sie oder auch Herr Kollege Schellhorn gesagt haben, ist ja schon richtig: Entlastung des Faktors Arbeit – ja, richtig! Wir müssen im Bereich der Ökologie etwas tun.

Beginnen wir die Debatte aber vielleicht von vorne: Es ist immer die Rede davon, dass die Abgabenquote zu hoch sei. Die Regierung sagt, sie will die Abgabenquote in Rich­tung 40 Prozent des BIP senken. Sie von den NEOS sagen, Sie wollen sie sogar unter 40 Prozent senken. – Die Frage ist natürlich immer, welche Abgabenquote man meint. Da gibt es verschiedene: Es gibt welche, die imputierte Sozialleistungen mit dabei haben, andere haben das nicht. Da muss man einmal Farbe bekennen, was man will; dann kann man sozusagen von dem Zielwert, den man sich setzt, herunterrechnen, wie hoch denn die Entlastung tatsächlich ist.

Entscheidend ist aber niemals die Höhe einer Abgabenquote. Entscheidend für die Menschen im Lande ist doch immer, wie sich die Steuer- und Abgabenquote zusam­mensetzt. Wer zahlt wie viel in den Steuertopf ein, und wofür werden die Gelder, die in den Steuertopf eingezahlt werden, verwendet? Für welche Leistungen werden sie verwendet? Wem kommen diese Leistungen zugute? Da geht es um eminente Vertei­lungsfragen.

Bleiben wir bei der Einnahmenseite: Es ist ganz zentral, sich den Vergleich vor Augen zu halten, wie hoch denn die Steuerbelastung von Menschen mit niedrigem Einkom­men und von Menschen mit hohem Einkommen ist. Wenn man diesen Vergleich über alle Steuern und Abgaben hinweg macht, dann sieht man, dass die Abgabenbelastung für Menschen mit niedrigem Einkommen in unserem Land ziemlich gleich hoch ist wie für Menschen mit hohem und höchstem Einkommen. Da gilt es anzusetzen.

Herr Bundesminister, wenn Sie uns heute schon wieder erzählen, dass Sie schon so viel getan haben, und zwar auch für die Bezieher niedriger Einkommen, durch den Familienbonus, durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, so muss ich Ihnen entgegenhalten: Das, was Sie immer wieder sagen, wird nicht richtiger, nur weil Sie es oft sagen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.) Im unteren Einkom­mensdrittel ist von den Maßnahmen, die Sie gesetzt haben – Familienbonus, Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge – wenig bis nichts angekommen. Bei der letzten Aktuellen Stunde habe ich das Beispiel der alleinerziehenden Billa-Verkäuferin mit einem Kind gebracht: Durch die von Ihnen bisher gesetzten Maßnahmen profitiert sie maximal im Ausmaß von 250 Euro pro Jahr und nicht mehr – das ist nämlich das, was sie durch den Familienbonus bekommt. Umverteilt wird durch diese Maßnahmen aber hin zur Mitte, zur oberen Mitte und zu den höheren Einkommen. Das ist die Wahrheit.

Das untere Einkommensdrittel hat in der Tat bislang wenig erhalten. Dort gilt es anzusetzen, wenn wir über eine Entlastung des Faktors Arbeit nachdenken, nämlich bei den unteren Einkommen, und zwar nicht nur bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sondern auch im unternehmerischen Bereich. Da fehlen mir bislang konkrete Maßnahmen. Dazu fehlt mir aber auch im Paket der NEOS Konkretes, denn was Sie machen wollen, meine Damen und Herren von den NEOS, ist: Sie wollen den Vermögensaufbau fördern, und das sind mit Sicherheit keine Maßnahmen, die den Beziehern von niedrigen Einkommen zugutekommen. (Abg. Schellhorn: Ich habe geglaubt, du bist ...!)

Warum müssen wir die Bezieher niedriger Einkommen entlasten? – Wir müssen sie entlasten, weil ihre Steuerbelastung so hoch ist; das habe ich schon ausgeführt, das ist der eine Grund. Der zweite Grund, warum wir das tun müssen, ist, dass sie in den letzten 15 Jahren real in Bezug auf ihre Einkommen verloren haben.

Stattdessen aber machen Sie, Herr Minister, und Ihr Ressort sich Gedanken darüber, was denn mit den Einkommensmillionären passieren soll. Soll man, wie Ihr Staats­sekretär meint, den Progressionssatz von 55 Prozent auf 50 Prozent herabsetzen, das heißt, auslaufen lassen, oder soll man das nicht tun? – Na, Sie führen Debatten, die in Wirklichkeit an den Sorgen und Nöten der Menschen in unserem Lande, die nicht wissen, wie sie mit ihrem Einkommen auskommen sollen, vorbeigehen!

Ein zweiter Punkt, der mir wichtig ist, ist, dass wir nicht nur den Faktor Arbeit zu hoch besteuern, sondern gleichzeitig auch Vermögen zu niedrig besteuern. Da stellt sich die Frage: Wie finanzieren wir denn diese Entlastung der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen? – Nicht durch eine Kürzung bei den Ausgaben, wie es die NEOS ganz offensichtlich wollen! (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Die Maßnahmen addieren sich auf 35 Milliarden Euro. Da müssen Sie mir einmal sehr genau sagen, was Sie einsparen wollen, wie Sie das einsparen wollen und wen das trifft! Mein Konzept ist es, zu sagen: Wenn wir die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen entlasten, dann finanzieren wir dies durch höhere Steuern auf Vermögen – Vermögen, das in unserem Land extrem ungleich verteilt ist. (Beifall bei JETZT.)

Davon aber wollen Sie, Herr Finanzminister, und Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, aber auch von der FPÖ, nichts, rein gar nichts wissen! Sie wollen aber auch gar nichts von einer Ökologisierung des Steuersystems wissen. 

Die NEOS haben das richtigerweise angesprochen: CO2-Steuern, aber aufkommens­neutral bitte, nicht im Gegenzug kürzen! Aufkommensneutral heißt: Wir führen CO2-Steuern ein und geben das Geld, das wir durch die CO2-Steuern hereinbekommen, auf der einen Seite den privaten Haushalten durch eine Klimadividende oder wie immer Sie das nennen wollen und auf der anderen Seite dem unternehmerischen Bereich durch eine Senkung der Lohnnebenkosten zurück.

Jetzt aber frage ich Sie: Wo kommt eine Ökologisierung des Steuersystems bei Ihnen vor? – Sie (in Richtung Abg. Winzig) gähnen schon, Ihnen ist das zu langweilig, Frau Kollegin, aber Sie gehen ja eh nach Brüssel – vielleicht fällt das dort weniger auf. (Zwischenruf der Abg. Winzig. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Was wollen Sie tun? – Sie wollen von einer Ökologisierung des Steuersystems nichts wissen. Sie von der ÖVP sagen: Keine neuen Steuern! – In Wirklichkeit wollen Sie Unternehmen schützen, die möglicherweise dadurch belastet werden könnten.

Da gähnt der Nächste, diese Dringliche Anfrage muss also offensichtlich sehr span­nend sein. (Abg. Winzig: Da muss man einmal fragen, an wem das liegt! – Zwischen­ruf des Abg. Leichtfried.)

Die FPÖ gehört ja zu den Klimawandelverleugnern. Wir konnten es gestern in allen deutschen Tageszeitungen und auch im „Standard“ lesen: Die rechtspopulistischen Parteien im Europaparlament gehören zu jenen Parteien, die alle Maßnahmen, die mit Klimaschutz zu tun haben, ablehnen, und an vorderster Front stehen dabei die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich. Selbst Strache sagt ja, dass der Klimawandel mit den Menschen nichts zu tun hat. Unter diesen Bedingungen kann es ja gar nicht sein, dass eine Ökologisierung des Steuersystems Thema dieser Steuerreform ist. Das wäre aber nicht nur aus Klimaschutzgründen notwendig, sondern auch aus verteilungs­politischen Gründen, weil nämlich die Klimaschutzfrage eine eminent verteilungspoliti­sche Frage ist.

Ein letzter Punkt noch: Es gibt in Ihrem Konzept, Herr Bundesminister, hinsichtlich der Finanzierung schon eine Finanzierungslücke. Die 4,5 Milliarden Euro sind nicht finan­ziert. Der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo hat das in einem Interview im „Hohen Haus“ bestätigt. Sie müssen einmal Farbe dahin gehend bekennen, wie Sie diese 4,5 Milliarden Euro finanzieren wollen, denn es kann natürlich leicht sein, dass dafür Kürzungen im Ausgabenbereich notwendig werden, die zulasten derer gehen, die möglicherweise durch ein Paket von Ihnen entlastet werden.

Viel schlimmer noch sehe ich es bei den NEOS: Sie wollen ja eine Entlastung von 10 Milliarden Euro, wenn ich den Antrag (Abg. Scherak: Anfrage!) – die Anfrage, richtig! – richtig verstanden habe. Sie sagen aber nicht, wie und wo Sie konkret ein­sparen wollen. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie können gerne unser Steuerreformkonzept anschauen!)

Ein Beispiel ist ja wirklich obskur: 6 Milliarden Euro werden bei den Förderungen einge­mahnt. 5,8 Milliarden Euro gibt der Bund an direkten Förderungen aus. Wollen Sie also die gesamten Förderungen einsparen? Das ist doch bitte absurd! Und falls Sie von den indirekten – also den steuerlichen – Förderungen reden: Die machen 15,8 Milliarden Euro aus. Wenn Sie diese aber kürzen, dann müssen Sie sich sehr wohl überlegen, dass die Kürzung von steuerlichen Förderungen zu einer Erhöhung und nicht zu einer Senkung der Abgabenquote führt. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

16.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker – diesmal als Redner und nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte. (Abg. Leichtfried – in Richtung ÖVP und FPÖ –: So, jetzt passts auf!)