16.53

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Vielleicht sollten wir uns noch einmal anschauen, worüber wir hier diskutieren. (Abg. Belakowitsch: Über den Antrag!) Der Entschließungstext ist ganz einfach: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend dem eigenen Regierungsprogramm sicherzustellen, dass in Zukunft alle Pflegeleistungen aus­schließ­lich aus den öffentlichen Budgetmitteln und keinesfalls über eine Pflegever­sicherung jedweder Art finanziert werden.“

Es geht also um die Grundsatzfrage: Verstehen wir Pflege und Betreuung in unserer Gesellschaft als eine gemeinsame solidarische Aufgabe oder ist das ein persönliches Risiko? (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Wir sagen – und das hat bis jetzt auch das Regierungsprogramm gesagt –, dass es eine gemeinsame Verantwortung und Aufgabe sein soll. Auf einmal gibt es jedoch Dis­kussionen, die von diesem Regierungsprogramm abweichen, und anstatt darauf ein­zugehen und uns zu erklären, was wirklich der Inhalt dahinter ist, macht man etwas, das sich in den Rhetorikschulungen offensichtlich bewährt hat – der Herr Bundes­kanzler ist ja ein Weltmeister darin –: Man behauptet etwas, was nie gesagt worden ist, und behauptet dann das Gegenteil.

Niemand von der SPÖ ist hier herausgekommen – schon gar nicht unsere Bundes­parteivorsitzende – und hat hier Angst geschürt. (Abg. Wurm: Bissi schon! – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben nur auf ein Thema hingewiesen, nämlich dass wir es für richtig halten, dass das Regierungsprogramm in der bestehen­den Form in diesem Punkt umgesetzt wird. Wir haben darauf hingewiesen, dass es natürlich in diesem Bereich riesige Herausforderungen gibt. Der Herr Bundeskanzler (auf den leeren Platz auf der Regierungsbank weisend), der solche Dinge ja immer nur aus der Entfernung verfolgt, ist aber sofort hergegangen und hat die Fakten ins Gegenteil verkehrt. Er macht auch noch etwas immer ganz geschickt: Er stellt sich hin und sagt: Ich moderiere jetzt ein bisschen, denn ich bin da jetzt im Hohen Haus, also moderiere ich ein bisschen, beschreibe ein bisschen das Problem. – Was aber ist die Lösung? (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Vom Beschreiben und Moderieren wird es nämlich nicht wirklich besser; und dann kommt am Schluss noch dieser Killersatz: Und ich lade zur Diskussion ein.

Ich glaube, dass sich da manche nicht ganz ernst genommen fühlen – so formuliere ich es einmal, denn alles andere würde, glaube ich, einen Ordnungsruf bedeuten –: Wir hatten ja die Diskussion zur Sozialhilfe Neu. Dazu hat es – ich weiß nicht, wie viele – Stellungnahmen gegeben. Wo war da die Einbindung und die Diskussion dazu? Wo ist das echte Angebot, mit uns in eine Diskussion einzutreten?

Wir als SPÖ nehmen das jedoch zur Kenntnis: Das Regierungsprogramm ist an­scheinend nicht mehr in Stein gemeißelt. Vor mir sitzt Kollege Peter Wurm. – Peter, wir haben damit auch die Chance, etwas durchzusetzen, das auch uns wichtig ist: die Sammelklage. (Zwischenrufe des Abg. Eßl.) Das ist etwas, von dem wir wissen, dass es klug wäre, das umzusetzen, und offenbar fühlt sich der Regierungspartner eh nicht mehr daran gebunden. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Wurm.) Das heißt, wir hätten da die Chance, in Zukunft gemeinsam wirklich etwas für die Menschen in diesem Land weiterzubringen! (Abg. Wurm: Mit dir gerne! – Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Um jetzt aber zur Ernsthaftigkeit zurückzukommen: Ich glaube, die gute Nachricht – das ist ja auch angesprochen worden und das haben wir immer wieder betont – ist: Ja, wir werden älter. Die zweite gute Nachricht ist: Wir haben mehr Lebensjahre bei guter Gesundheit. Das sind Dinge, die uns freuen sollten. Gleichzeitig sollten wir aber nicht die Augen vor den Herausforderungen verschließen, nämlich dass diese Entwicklung keine Selbstverständlichkeit ist, denn die Entwicklung, die wir heute erleben, ist das Erbe einer jahrzehntelangen harten Politik.

Diese Politik hat damit angefangen, dass wir uns darum gekümmert haben, dass die Arbeitsbedingungen in den Betrieben für die Menschen menschenwürdiger werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Wenn wir also heute erleben, dass wir ernten, was wir vor vielen Jahrzehnten zu säen begonnen haben, dann wissen wir auch, dass das, was wir aktuell in der Politik erleben, durchaus dazu führen kann, dass das Problem, vor dem wir gemeinsam stehen werden, ein deutlich größeres sein wird. Die Frage ist nämlich, ob wir heute eine Arbeitswelt haben, die gesünder oder weniger gesund als noch vor drei oder vier Jahren ist, und ob wir eine Gesundheits- und Arbeitsministerin haben, die die Probleme der Menschen draußen ernst nimmt und Lösungen sucht – oder ob Sie, Frau Ministerin, sich als verlängerte Werkbank der Wirtschaft verstehen und im Sinne einer Wirtschaftsministerin agieren.

Ja, wir stehen vor einer Herausforderung! Es ist schon oft angesprochen worden: Wir brauchen in den nächsten Jahren zusätzlich 24 000 Menschen in der Pflege und Betreuung brauchen. Das ist, wenn wir uns anschauen, in welchem Umfang der öster­reichische Arbeitsmarkt pro Jahr wächst, nicht wirklich eine riesige Herausforderung. Es ist aber natürlich insofern eine Herausforderung, als wir wissen, dass der Pflege­bereich nicht das Image hat, das er verdient. Natürlich ist es eine Herausforderung, in diesem Bereich tätig zu werden, weil die Belastung, Menschen zu betreuen, Menschen zu pflegen, oft an die Substanz geht.

Es geht an die Substanz der pflegenden, betreuenden Angehörigen, es geht aber auch an die Substanz der Menschen, die in diesem Bereich beruflich tätig sind. Darum braucht es – das ist oft angesprochen worden – Modelle, die in Zukunft beides er­möglichen: dass einerseits betreuende Angehörige Unterstützung bekommen und für die, die zu pflegen und zu betreuen sind, jene Flexibilität in der Betreuung, die sie brauchen, gewährleistet ist; dass aber andererseits auch die Ansprüche der Beschäf­tigten in dieser Branche entsprechend wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Auch jene dürfen wir am Ende dieser Diskussion nicht vergessen.

Ich darf am Schluss noch einmal zeigen, dass es auch anders geht: Das Land Bur­genland hat ein sehr faktenbasiertes Konzept erarbeitet, in dem man aufzeigt, was an kleinen Schritten notwendig ist, um diesem Problem zu begegnen. Da ist natürlich noch Diskussion nötig und viele werden noch eingebunden werden müssen, um am Ende des Tages zu einem runden Konzept zu kommen, aber man ist dort einen Schritt weiter: Man kennt schon die Richtung, in die man gehen möchte. Das hat diese Regierung bis jetzt nicht geliefert, und es ist schon oft aufgezeigt worden, dass wir das wahrscheinlich auch nicht so schnell zu Gesicht bekommen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

16.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Schwarz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.